Gelsenkirchen. Der Warnstreik der Gewerkschaft Verdi legte den öffentlichen Nahverkehr in Gelsenkirchen lahm. Die meisten Menschen waren darauf eingestellt.
Dienstagmorgen, kurz vor 8 Uhr. Steven Seidel steht vor dem Buerschen Rathaus und wartet auf ein Taxi. Der Auszubildende muss zur Arbeit nach Gladbeck, normalerweise nimmt er den Schnellbus. Doch der fährt an diesem Tag nicht, genauso wenig wie alle anderen Busse und Bahnen in Gelsenkirchen. Die Angestellten der Nahverkehrsunternehmen sind im Streik.
„Ich hatte wohl mitbekommen, dass bei der Bogestra gestreikt wird“, sagt Seidel. Dass auch die Vestische, die den Schnellbus nach Gladbeck betreibt, vom Streik betroffen ist, sei ihm nicht klar gewesen. Glück im Unglück: Sein Chef, den er sofort anrief, sicherte ihm zu, die Kosten für die Taxifahrt zu übernehmen.
Viele Gelsenkirchener waren vorgewarnt, dass gestreikt wird
Die allermeisten ÖPNV-Fahrgäste hatten allerdings mitbekommen, dass am Dienstag alle Räder still stehen und waren gar nicht erst zur Haltestelle gekommen. Und so machte der Busbahnhof einen eher verwaisten Eindruck.
Mehr Leute hatten sich dagegen auf der anderen Seite der Goldbergstraße vor dem Rathauseingang versammelt. Dort hatte die Gewerkschaft Verdi einen Stand aufgebaut, Mitglied Reinhard Dudzik rammt einen Verdi-Sonnenschirm in die Erde, verteilt Rasseln an die Umstehenden. Es sind vor allem Mitarbeiter aus dem Rathaus, die an diesem Tag die Arbeit niedergelegt haben.
Streik unter Corona-Bedingungen: Keine Großkundgebung
4,8 Prozent mehr Gehalt fordert die Dienstleistungsgewerkschaft, mindestens 150 Euro mehr im Monat. Für Reinhard Dudzig ist dieser Arbeitskampf ein besonderer, und das gleich aus mehreren Gründen. „Dass Arbeitgeber Nullrunden fordern, ist ja nichts Neues“, sagt der Gewerkschafter. „Aber dieses Mal stehen von der anderen Seite Vorschläge im Raum, die für Arbeitnehmer auf ein Minus hinauslaufen.“
Was diesen Streik außerdem noch besonders macht, ist natürlich Corona. „Normalerweise wären 900 bis 1000 Leute zur Kundgebung auf den Heinrich-König-Platz gekommen“, sagt Andrea Bornemann, Gewerkschaftssekretärin beim Verdi-Bezirk Mittleres Ruhrgebiet. „Aber das ist in Corona-Zeiten natürlich nicht denkbar.“
Auf dem Heinrich-König-Platz sind vor allem Reinigungskräfte
Stattdessen wurde dezentral demonstriert. „Wir haben mit Polizei und Gesundheitsamt abgestimmt, dass sich die Größe der Gruppen auf maximal 200 Teilnehmer beschränkt“, erläutert Andrea Bornemann. So traf sich eine Gruppe auf dem Vorplatz des Musiktheaters, wieder andere eben auf dem Heinrich-König-Platz.
Dort hatten sich vor allem Reinigungskräfte der Stadtverwaltung versammelt. „Das sind Kolleginnen und Kollegen, die zumeist noch in der untersten Lohnstufe eingruppiert sind“, sagt Andrea Bornemann. „Die brauchen dringend eine Höhergruppierung.“
Gewerkschafter hoffen auf Verständnis der Öffentlichkeit
Dass Streiks im öffentlichen Dienst zwangsläufig auf Kosten der Gemeinschaft gehen, das ist Reinhard Dudzik klar. „Es trifft natürlich immer die Falschen“, sagt er – wenn etwa Metallarbeiter streiken, dann bleibt „nur“ das Stahlwerk geschlossen, streiken die Busfahrer, sind viel mehr Menschen betroffen. „Wir hoffen trotzdem, dass die Leute Verständnis für unsere Forderungen haben“, so der Gewerkschafter.
Zumindest waren die meisten offenbar vorgewarnt: Dass jemand am Dienstag zur Haltestelle ging und überrascht war, dass keine Bahn fuhr, war die große Ausnahme. „Wir hatten auch kaum Anrufe von Fahrgästen“, sagt Bogestra-Sprecherin Sandra Bruns. „Es war aber auch schon viele Tage im Voraus bekannt, dass gestreikt wird.“ Am Mittwoch sollen Busse und Bahnen dann wieder wie gewohnt fahren.
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