Gelsenkirchen. Nach der OB-Stichwahl beschweren sich Bürger, dass sie wegen nicht zugestellter Briefwahlunterlagen nicht wählen konnten. Die Stadt widerspricht.

Nach der OB-Stichwahl häufen sich Vorwürfe von Gelsenkirchener Bürgern, die ihre Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig erhalten haben und ihre Stimme deshalb nicht abgeben konnten. Vor der Wahl hatte es Probleme bei der Zustellung gegeben. Laut Stadt erwies sich das Zustellungsunternehmen Postcon als unzuverlässig. Am Wahltag selbst gab es dann dem Wahlamt zufolge einige Vorfälle, bei denen Briefwähler ins Wahllokal kamen und dort wählen wollten. Das war aber nicht möglich, weil nicht nachgeprüft werden konnte, ob der Betreffende seine Stimme nicht schon einmal abgegeben hat.

Auch die WAZ hat einige Zuschriften von Bürgern erhalten, die wegen der Komplikationen nicht an der Wahl teilgenommen haben. „Leider konnte ich wie ich viele Wahlberechtigte bei der Stichwahl nicht wählen. Ich habe meine Briefwahlunterlagen nicht erhalten“, schrieb zum Beispiel ein Leser. „Im Wahllokal konnte ich keine Stimme abgeben, da ich auf der Liste als Briefwähler gesperrt war.“

„Glauben Sie wirklich, so viele Bürger gehen zum Wahllokal, um doppelt zu wählen?“

Tage nach der Wahl melden sich immer noch Bürger mit ähnlichen Berichten. „Nachdem der Stadt die Problematik bekannt war, warum gab es nicht die Möglichkeit, eidesstattlich im Wahllokal zu versichern, man habe die Unterlagen nicht bekommen? Glauben Sie wirklich, so viele Bürger gehen zum Wahllokal, um doppelt zu wählen? Sind wir jetzt in Trumpland? “, heißt es in einer Zuschrift. Und weiter: „Wie hoch ist wohl die Dunkelziffer derjenigen, die wie wir gerne gewählt hätten? Warum ist die ‘desaströse’ Wahlbeteiligung bei der Stichwahl zum Oberbürgermeister in Gelsenkirchen so extrem niedrig?

„Da ich mich vor dem Stichwahltermin im Urlaub befand, erreichte mich die Info, dass ich mich bei der Wahlscheinstelle hätte melden müssen, leider erst am Samstagnachmittag, da war es bereits zu spät“, schrieb eine andere Leserin. „Bis heute habe ich dann noch geglaubt, dass ich ein bedauerlicher Einzelfall bin - der heutige Artikel in der WAZ zu diesem Thema hat mir aber nun gezeigt, dass es wohl doch weitere Betroffene gibt. Ich habe mich daher heute auch noch nachträglich bei der Stadt gemeldet und auf die fehlenden Unterlagen sowie die damit verbundenen Probleme hingewiesen.“

Stadt: Wie viele keine Briefwahlunterlagen bekommen haben, lässt sich nicht sagen

„Wie viele Bürger tatsächlich keine Briefwahlunterlagen bekommen haben, lässt sich kaum feststellen“, erklärt Hans-Georg Nasiadek, Wahlamtsleiter bei der Stadt. Der Grund: Postcon sage bis heute, sie hätten alle Unterlagen zugestellt. Eine Klärung mit dem Postzusteller laufe über die entsprechende Fachdienststelle und stehe noch aus. „Deshalb können wir nur die Menschen erfassen, die uns darüber informiert haben.“ Das seien insgesamt 1083 gewesen. Sie bekamen neue Wahlunterlagen.

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Wie viele wiederum am Sonntag ins Wahllokal gekommen seien und unverrichteter Dinge wieder gehen mussten, könne man ebenfalls nicht sagen. „Es gab eine gewisse Anzahl von Fällen, die ich aber nicht schätzen kann“, so Nasiadek. Grundsätzlich gelte: „Die Wahlvorsteher in den einzelnen Wahllokalen haben die klare Anweisung: Wer einen Sperrvermerk hat, weil er Briefwähler ist, wird nicht zur Wahl zugelassen.“ Aus diesem Grund hätten nicht alle Wahlvorsteher solche Fälle gemeldet.

Anfechtung der Wahl ist eher unwahrscheinlich

Nasiadek verwies darauf, dass die Stadt die Zustellungsprobleme im Vorhinein offen kommuniziert habe. Die Verwaltung hatte dazu aufgerufen, sich bei der Wahlscheinstelle zu melden, um neue Briefwahlunterlagen zu erhalten. Zusätzlich zu den regulären Öffnungszeiten konnte man auch am Samstag vor der Wahl in den Wahlscheinstellen in Buer und im Hans-Sachs-Haus die Unterlagen bekommen.

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Für viele stellt sich nun die Frage, ob die Wahl angefochten werden könnte. Das ist laut Nasiadek aber sehr unwahrscheinlich. Denn: „Dafür müsste man nachweisen, dass das Ergebnis ein anderes gewesen wäre, wenn alle, die keine Unterlagen erhalten haben, mitgewählt hätten.“ Der Abstand zwischen der neu gewählten Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD), die mit 59,4 Prozent der Stimmen siegte, und dem CDU-Kandidaten Malte Stuckmann, betrug über 9.000 Stimmen.