Gelsenkirchen. Die Allesfresser stochern tief im Rasen nach Futter. Dabei drehen sie nicht nur Steine um, sondern lüften schon einmal Moos und die Grasnarbe.

Als Rentnerin Renate morgens aus ihrem Fenster guckt, traut sie ihren Augen nicht. Ihr Vorgarten mitten in der Stadt sieht aus, als hätten in der Nacht die Schweine den Rasen umgepflügt. Was einen Tag zuvor noch gepflegtes Grün war, ist in einen Acker verwandelt worden. Große Büschel Gras sind herausgerupft, Erde da, wo Grün wuchs. „Nein, wenn Schweine den Rasen durchwühlen, sieht das noch ganz anders aus. Das waren Dohlen oder andere Rabenvögel“, weiß Revierförster Matthias Klar.

Denn die Schweine ramponieren noch in viel stärkerem Maße die Gärten. „Mit ihren starken Rüsseln graben sie tiefer, unter die Wurzeln“, sagt Klar. Und tatsächlich hat die Rentnerin Dohlen und Krähen Stunden später auf frischer Tat ertappt. „Rabenvögel sind Allesfresser“, erklärt Heiko Janatzek, Biologe im Zoom. „Die mögen Kadaver genauso wie Würmer oder Eier von Vögeln. Sie lieben Insekten, Vogelküken und Eidechsen, wenn wie welche finden.

Im Nordsternpark sind sie eifrig dabei

„Anders als Drosseln, zum Beispiel, die im Boden herumstochern, um an Würmer zu gelangen, drehen Dohlen und andere Rabenvögel auch gerne mal Steine um, lüften Moos und trockenes Gras, um zu gucken, ob sich leckere Insekten darunter befinden. „Sie brechen auch Bucheckern auf und trauen sich an Eicheln heran, die sie allerdings deutlich schwerer knacken können“, erklärt Janatzek. Dazu brauchen sie einen festen Boden. Die Brutzeit sei allerdings vorbei, so dass man ausschließen könne, dass sie trockenes Gras zum Nestbau sammeln wollen.

Gesellig und immer hungrig: Die Dohle, Vogel des Jahres 2012, profitiert von der Nähe zu menschlichen Behausungen.
Gesellig und immer hungrig: Die Dohle, Vogel des Jahres 2012, profitiert von der Nähe zu menschlichen Behausungen. © Lars Fröhlich/Archiv

Wolfgang Kwasnitza vom Nabu kennt das Phänomen. „Wenn ich durch den Stadtwald jogge, komme ich zurzeit auch an einigen Stellen vorbei, die von Krähen und Dohlen komplett umgepflügt worden sind“, sagt er. Auch den Gelsendiensten ist das Problem bekannt. „Im Nordsternpark gibt es eine große Fläche, die von den neugierigen Tieren beackert wurden“, weiß Pressesprecher Tobias Heyne.

Zusammenhang mit der Trockenheit

Es hänge garantiert auch mit der diesjährigen Trockenheit zusammen, die diese Vögel veranlasst, die Vorgärten umzupflügen. Aber Futter hätten sie jetzt im ausgehenden Sommer ja genug. Schließlich seien schon die Früchte an den Bäumen reif und würden einen gut gedeckten Tisch bieten, sagt Ewald Ferlemann, der sich in Dortmund seit Jahrzehnten um verletzte Dohlen kümmert und deren Verhalten ausgesprochen gut kennt.

Unter EU-Schutz

Die Rabenvögel unterliegen, wie alle europäischen Vogelarten, dem allgemeinen Schutz der EU-Vogelrichtlinie. Rabenvögel gelten als besonders intelligent.

Kein Wunder, so der Nabu, dass die meisten von ihnen längst entdeckt haben, wie gut der Tisch in Städten und Dörfern für sie gedeckt ist. Anhand von Farbdetails bei Schnäbeln und Gefieder lassen sich die Arten gut auseinanderhalten.

Grundsätzlich ist das Phänomen, dass Dohlen und Krähen Rasen in eine Kraterlandschaft verwandeln, seit Jahren bekannt. Nur scheint es, dass in diesem Jahr ganz besonders viele Rasenflächen betroffen sind. „Schon vor Jahren haben die neugierigen und intelligenten Krähen in einem Sportstadion von Heilbronn den Rasen großflächig dermaßen zerrupft, dass er für etliche Wochen nicht mehr bespielbar war“, sagt Nabu-Mitglied Wolfgang Kwasnitza. Im Übrigen stehen viele Arten dieser Vögel mittlerweile unter Schutz.