Gelsenkirchen-Bismarck. Vier Gelsenkirchener Erstwählerinnen geben das erste Mal ihre Stimme ab. Wie Kommunalpolitik sie berührt, was sie sich für ihre Stadt wünschen:

Wir treffen uns in der Kellerbar des Consol-Theaters. Hier engagieren sich Isabelle Wildförster (19), Greta Schüren (16), Marie Dallmann (19) und Wiktoria Janowski (19) auf unterschiedliche Weise, auch am Sonntag, wenn auf dem Gelände trotz Corona das Consol-Fest stattfinden wird. Außerdem gehen alle vier Frauen am Sonntag das erste Mal in ihrem Leben zu einer Wahl. Ein Gespräch über Erwartungen und Perspektiven, aufgezeichnet von WAZ-Mitarbeiterin Tina Bucek.

Gehen Sie Sonntag zur Wahl?

Wildförster: Ja klar, ich weiß auch schon ungefähr, was ich wählen werde. Allerdings habe ich noch gar nicht meine Wahlbenachrichtigung bekommen, wir sind nämlich vor Kurzem umgezogen, da ist die wohl irgendwie untergegangen.

Schüren: Ja, ich gehe zur Wahl. Meine Entscheidung ist aber noch nicht 100prozentig gefallen. Wir haben in unserer Familie eine Abmachung getroffen. Jeder von uns, meine Vater, meine Mutter, meine Schwester und ich stellen den anderen eine Partei vor. Dann sind wir alle gut informiert.

Dallmann: Wir haben das schon im Sowi-Unterricht gemacht, dass wir die unterschiedlichen Parteien vorstellen mussten. Das hat mir geholfen. Ja, ich gehe wählen, und ich weiß auch schon, was ich wähle.

Fühlen Sie sich von den Parteien gut informiert?

Dallmann: Ich finde, so sollte man das nicht fragen. Es ist ja nicht unbedingt die Aufgabe der Parteien, uns zu informieren. Wer wählen geht, sollte sich schon selbst informieren, das gehört dazu. Von Wahlwerbung bekommt man ja nicht das ganze Bild. Aber ich muss schon sagen, dass ich bei der Bundestagswahl besser wusste, was die einzelnen Kandidaten und Parteien für Vorstellungen hatten. Aber dass wir das Thema Kommunalwahl in der Schule besprochen haben, hat mir geholfen. Generell habe ich mich auch schon immer für Politik interessiert.

15.135 junge Leute haben die Wahl

In diesem Jahre können in Gelsenkirchen 15.135 Erstwähler ihre Stimme abgeben. Wie hoch die Wahlbeteiligung unter den Erstwählern bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2014 war, darüber konnte das Wahlamt leider keine Auskünfte erteilen. ,,Diese Daten erheben wir nicht“, erklärte Stadtsprecher Oliver Schäfer. Ob es spezielle Informationen für Erstwähler in Gelsenkirchen seitens der Stadt gibt, ließ er unbeantwortet.

Die Wahlbeteiligung bei der letzten Kommunalwahl betrug insgesamt 43,1 Prozent. Die SPD gewann mit 50,2 Prozent vor der CDU mit 21,0 Prozent. Die Grünen schnitten mit 5,9 Prozent ab, die Linke mit 4,7 Prozent, und die FDP lag bei 2 Prozent. Die AfD konnte 5 Prozent der Stimmen für sich verbuchen.

Wildförster: Ich bin vielleicht etwas nachlässig, ich informiere mich auch manchmal nicht so gut. Aber die Wahlplakate stacheln mich jetzt auch nicht an, da sieht man die Gesichter, die man schon immer gesehen hat, das ist nicht besonders motivierend. Aber ich denke auch, dass man sich selbst informieren sollte, wenn man wählen geht.

Janowski: Man bekommt nicht besonders viel davon mit, was sich die Parteien für Gelsenkirchen so vorstellen. Ich denke schon, sie könnten anders auf jüngere Leute zugehen.

Fühlen Sie sich von den Politikern ernstgenommen?

Dallmann: Das ist parteiabhängig. Ich war ja mal im Jugendrat, da hat man genau gemerkt, wer einem wirklich zuhört, und wer einen eigentlich nur abbügelt. Grundsätzlich kann ich schwer sagen, ob man der Jugend heute mehr zuhört.

Schüren: Die Fridays for Future-Bewegung hat aber schon etwas verändert, habe ich den Eindruck. Ich habe schon das Gefühl, das in meinem Umfeld viele junge Leute zur Wahl gehen und das auch für wichtig halten. Vielleicht wird das auch das Wahlergebnis beeinflussen.

Welche Themen sollten Kommunalpolitiker in Ihren Augen unbedingt angehen?

Janowski: Ich fände es gut, wenn das Bauen von Fahrradwegen weiterhin gefördert wird.

Wildförster: Ja, und in der Stadt sollte es mehr Grün geben.

Schüren: In Gelsenkirchen kann man nicht studieren, jedenfalls nicht an einer Uni, hier gibt es keine Ausgehkultur, das finde ich sehr schade, da müsste etwas getan werden.

Dallmann: Im Süden der Stadt gibt es einfach keine schönen Orte, wo man sich gerne aufhält, so etwas wie den Berger See in Buer zum Beispiel, oder den Baldeneysee in Essen. Das fehlt in Gelsenkirchen total: Orte, die schön hergerichtet sind. Auch andere schöne Freizeitmöglichkeiten für junge Leute, die gibt”s hier einfach nicht. Aber mit dem Thema sind wir schon im Jugendrat bei manchen Parteien auf taube Ohren gestoßen, die haben uns einfach abgewimmelt und gemeint, solche Orte gebe es doch.

Schüren: Es wäre auch wichtig, etwas für die Kultur in Gelsenkirchen zu tun.

Was glauben Sie, wer die Wahl gewinnt?

Schüren: In Gelsenkirchen wählen viele ältere Menschen die SPD und die CDU.

Dallmann: Normalerweise ist die SPD in Gelsenkirchen ja sehr stark. Ich glaube aber, das könnte sich diesmal ändern. Die Grünen werden besser abschneiden, und bei der letzten Bundestagswahl hat die AfD sehr viele Stimmen bekommen in Gelsenkirchen. Leider sind die in Gelsenkirchen so stark. Das könnte jetzt wieder passieren.

Wildförster: Ja, darüber mache ich mir auch Sorgen. Ich kann es im Moment schwer einschätzen, aber die Rechten könnten viele Stimmen kriegen.

Jankowski: Gerade jetzt mit Corona: Man sagt ja auch, dass die Menschen in Krisenzeiten extrem wählen.

Was machen Sie am Sonntag?

Jankowski: Na wir sind hier, beim Consol-Fest, mal sehen, wie das wird, wir müssen viel Absperrband benutzen wegen Corona, auch sonst läuft vieles anders dieses Jahr.

Dallmann: Ich habe mich mit einer Freundin freiwillig als Wahlhelferin gemeldet. Ich wollte einfach mal sehen, wie das so abläuft bei einer Wahl. Da werde ich also im Wahlbüro sein.

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