Gelsenkirchen-Ückendorf. Das NRW-Zentrum für Talentförderung wird fünf Jahre alt. Wie es zwei junge Gelsenkirchener aus harten Verhältnissen zum Erfolg gebracht haben.
Mit 15 Jahren von Nigeria nach Deutschland, zwei Jahre später schon Schülersprecher an der Gesamtschule, dann der Wechsel zum Gymnasium und jetzt kurz vor dem Bachelor-Abschluss: Jacob Igbinomwanhia (23) hat nicht deswegen schon viel in Deutschland erreicht, weil die Karten am Anfang seines Lebens gut gemischt waren. Im Gegenteil.
Sein Vater, der nach Errichtung der Militärdiktatur in den Achtzigern als Sympathisant der Opposition aus Nigeria geflohen war, holte seine fünf Kinder schrittweise nach und zog sie alleine in Gelsenkirchen groß. Über Wasser, wie Jacob erzählt, hielt er sich und die Familie erst als Koch, dann nach einer schweren Augenkrankheit als Florist. Jacob aber wollte nicht nur harte Arbeit, sondern Bildung. „Bildung ist Macht!“, sagt er ganz unverblümt. „Deswegen hatte ich die Sehnsucht in der Schule immer der Beste zu werden.“
NRW-Zentrum für Talentförderung ist seit fünf Jahren in Ückendorf
Es sind motivierte junge Menschen mit schweren Startbedingungen wie Jacob, für die das NRW-Zentrum für Talentförderung der Westfälischen Hochschule im September 2015 geschaffen wurde. Seit genau fünf Jahren ist der Standort im alten Verwaltungsgebäude des Gussstahlwerks in Ückendorf der Mittelpunkt für die NRW-Talentscouts, die an rund 370 Schulen und 17 Hochschulen in NRW aktiv sind und Menschen wie Jacob unterstützen – um ihnen Wege zu Stipendien aufzuzeigen, sie auf Bildungsangebote hinzuweisen und ihre Visionen für die berufliche Zukunft Realität werden zu lassen.
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„Unsere Talentscouts reichen dir die Hand und gehen mit dir mit“, formuliert es Zahar Audi, die seit zwei Jahren durch das Schülerstipendium „Ruhrtalente“ gefördert wird. Dabei ist die 19-Jährige eigentlich selbst schon ein Talentscout. Seit 2012 verbringt sie mir Kindern im Schalker Jugendtreff der Amigonianer Zeit, hilft ihnen bei den Hausaufgaben, „lacht und weint“ mit ihnen. Klar - die Tatsache, dass Zahar jahrelang die Beste in ihrer Klasse in der Gesamtschule-Bismarck war, mag auch eine Rolle gespielt haben. Letztendlich betont die Abiturientin aber, dass ihr vor allem auch ihr langjähriges ehrenamtliches Engagement den Platz in der Talentförderung sicherte und gezeigt habe, „was sie als junger Mensch schon alles erreicht hat“.
20.000 Jugendliche unterstützt
Landesweit konnte das NRW-Zentrum für Talentförderung nach eigenen Angaben landesweit Chancen für mehr als 20.000 engagierte Jugendliche aus weniger privilegierten Verhältnissen verbessern.
Der Hintergrund: In NRW wächst etwa jedes dritte Kind bei Eltern ohne berufliche Ausbildung, Job oder finanzieller Sicherheit auf.
Auch wenn andere ihre Verhältnisse so nennen würden, hat sich Zahar selbst nie als „benachteiligt“ begriffen. „Schließlich wurde ich von meinen sieben Brüdern immer als Prinzessin behandelt“, sagt sie lachend. „Eng und kuschelig“ wohnte die große irakische Flüchtlingsfamilie bis zu Zahars zweitem Geburtstag im Flüchtlingsheim - dort, wo sie heute parallel zu den Amigonianern ehrenamtlich aktiv ist.
Diskriminierung mit Humor genommen
Danach kam die Sozialwohnung, irgendwann dann die eigenfinanzierten vier Wände – ermöglicht durch den Lastwagenfahrer-Job des Vaters und der Dolmetscher-Stelle der Mutter. „Meine Eltern haben keinen Schulabschluss, trotzdem immer viel gearbeitet“, erzählt Zahar. „Aber dass sie so lange keine Wohnung bezahlen konnten, hat in mir den Wunsch geweckt, mehr zu erreichen und einen richtig schönen Job zu bekommen.“ Es soll nach dem Abitur natürlich etwas mit Kindern sein.
Während Zahar keinen Bezug zum Irak hat, denkt Rosa-Luxemburg-Stipendiat Jacob darüber nach, nach seinem Elektrotechnik-Studium an der TU Dortmund in Nigeria unternehmerisch aktiv zu werden. Obwohl er sich so wohl fühlt, hier in Gelsenkirchen. „Ich komme aus einem Land, in dem mehr als 200 Sprachen gesprochen werden“, sagt er. „Da fühle ich mich zu Hause, wenn es in einer Stadt so viel Vielfalt gibt.“ Und wenn er doch mal Ausgrenzung erlebt habe, sagt Jakob, dann habe er sie einfach weggelacht. „Man müsste mindestens einen Doktortitel haben, um mich provozieren zu können.“
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