Gelsenkirchen-Feldmark. Dinge verbessern, hart arbeiten: Für Karin Welge ist das ihr Versprechen an Gelsenkirchen. Was die SPD-OB-Kandidatin umtreibt, was sie ärgert.
Der Stadtgarten – für Karin Welge ist der weitläufige Park ihre Auslaufstrecke und Kraftfeld, um Energie zu tanken. Einfach mal entspannt eine Runde nach der Arbeit drehen – Welge wohnt in der Nähe, hier kennt sie jeden Winkel, findet: „Das ist so ein tolles Angebot in der Stadt, geradezu kurstadtmäßig“. Im Stadtgarten will sich Welge deshalb auch gerne zum Gespräch treffen. Auch, weil sie die attraktiven Seiten Gelsenkirchens herauskehren möchte und in ihrer Wahlkampagne dafür steht, was in Gelsenkirchen gelungen ist. Identifikationsorte schaffen, nennt Welge das. „Ich will mich nicht vor einen Misthaufen stellen und sagen: Hier ist alles schlecht.“
Leiterin des Krisenstabs der Gelsenkirchener Verwaltung
Daran, dass es besser oder gut wird, hat sie seit 2011 hart gearbeitet: Als Gelsenkirchener Sozialdezernentin, später als Kämmerin und Stadtdirektorin. Die Folgen der Finanz- und Flüchtlingskrise, der Zuzug EU-Ost und die Arbeitsmigration haben sie und die Verwaltung gefordert, aktuell managt sie mit ihrem Krisenstab die Corona-Krise, wieder verbunden mit Großalarm für den städtischen Haushalt. Doch die Sozialdemokratin will mit 57 Jahren mehr: Sie will Oberbürgermeisterin in Gelsenkirchen werden.
Beim Bügeln hört sie gerne Heavy-Metal-Musik
Welge ist fix mit den Gedanken, eine Schnellrednerin. Manchmal muss sie ihr Tempo bewusst bremsen. Dass sie beim Bügeln gerne Heavy-Metal-Musik hört, passt da ins Bild. Im Saarland geboren, hat die Juristin eine lange Dozentinnen- und Verwaltungslaufbahn hinter sich, Staats- und Verwaltungsrecht sind ihre Schwerpunkte. Bundesweit ist sie auf kommunaler Ebene bestens vernetzt, eine Fachfrau für Finanzen. Für Arbeit, für gute Bildung und gute Betreuung, für Sicherheit steht sie buchstäblich auf ihren Wahlplakaten. Stets mit dem Claim: „Echt. Welge“.
Karin Welge: Das sind meine Schwerpunkte
Gelsenkirchen braucht einen offenen, gerne auch kritischen, aber fairen Diskurs. Wir müssen erkennen was falsch läuft, Fehler nicht verschleiern und gemeinsam an den mutigen Perspektiven für morgen arbeiten.
Für mich steht ganz oben auf der OB-Agenda: das Thema Wasserstoff. Wir sind gut aufgestellt. Wir haben verwertende und verarbeitende Industrie, eine ausgezeichnete Hochschule, die einen Forschungsschwerpunkt Wasserstoff hat und Menschen, die darauf warten, in innovativen und gut bezahlten Berufen arbeiten zu können. Dazu gehört für mich ein Bildungscampus als innovativer vernetzter Motor für den Übergang zwischen Schule und Beruf, damit jungen Menschen noch besser ausgebildet und vorbereitet sind, wenn hier Zukunft angesiedelt wird.
Haben wir diese Steine ins Rollen gebracht, können wir in der Folge viele Probleme, die wir aktuell haben, lösen. Belebung der Innenstädte und des Freizeitsektors sind Dominosteine in dieser Reihe, wenn Geld in die Stadt kommt für ein innovatives, zukunftsstabiles Morgen. Wir müssen uns auf eine gemeinsame Werteplattform verständigen, die Grundlage für gutes Miteinander und die Pflicht zur Regelkonformität ist.
Ihr war genau diese Kampagne, dieser Spruch wichtig. Echt sein. Was verbindet sie damit? „Herz und Verstand. Tun, was man sagt, beharrlich sein, nach vorne schauen, Haltung bewahren, Sachen verbessern. Wer mich fragt, kriegt auch eine Antwort“ – es ist nur ein Ausriss von dem, was Welge für sich echt nennt. Kompetenz gehöre zweifellos noch dazu, ebenso Ordnung und Verlässlichkeit. „Ich bin aus einem gut katholischen Elternhaus“, erklärt sie und lacht. Der Vater: Bei Kolping engagiert. Die Mutter: Sozialdemokratin. Welge findet es „wichtig, dass man sich im Leben positioniert“.
Ob sie als Kandidatin antritt, hat sie zunächst intensiv mit ihrer Familie erörtert. Zwei erwachsene Töchter hat die 57-Jährige. Und ein Enkelkind „Dass ich mir das Amt zutraue, versteht sich von selbst. Ob ich es auch will, habe ich sehr ernst mit mir diskutiert.“ Mit bekanntem Ergebnis und der Erkenntnis: „Es ist eine Riesenchance. Und ich habe nichts zu verlieren.“ Am Ende stand die Überzeugung: „Ich finde, ich bin ein gutes Angebot. Ob die Menschen es annehmen wollen, ist das Recht der Bürger dieser Stadt.“
Welge-Talk – Mehr als ein Plauderformat
Erfolg gebe es nur, „wenn man die Dinge mit Engagement und Freude macht“, ist Welge überzeugt. Dabei Spaß zu haben, „ist nichts Negatives“, nicht zu lavieren, ist ihr wichtig. „Manchmal“, sagt Welge, „ist ein Nein das klarere Ja.“ Parteipolitisch oder als Funktionärin ist Welge in der Vergangenheit nie in Erscheinung getreten. Bei den Ortsvereinen hat sie sich in den vergangenen Wochen vorgestellt, hat Sportvereine, Kleingärtner und Verbände, Gemeinden und Problemzonen besucht. „Man muss Klinken putzen“, sagt sie, aber eben auch „Mut und Tatkraft mitbringen.“
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Ihr „Welge-Talk“ soll dabei nicht nur lockeres Plauderformat sein – hier geht es auch um schwierige Themen – um die Situation in Schalke-Nord beispielsweise. Oder um die klammen Stadtfinanzen. Geld, sagt Welge, die Kämmerin, „ist eben die Lebensgrundlage, um begonnene und künftige Maßnahmen zu finanzieren.“
Für Stadtfinanzen ist Welge erklärte Expertin
Aus Xanten, dort war sie Kämmerin, ist sie nach Gelsenkirchen gewechselt und längst heimisch geworden. „Der Blick von außen“, sagt sie, sei dennoch oft wichtig, auch um manche Probleme klarer zu sehen.
Für Welge steht fest: „Gelsenkirchen kann alles brauchen, aber nicht noch mehr Menschen, die Stimmung machen.“ Schlechte Stimmung, muss man wohl sagen. Ihr Credo: „Reden statt raufen. Wir müssen den Verletzungsmodus vermeiden und wir brauchen Menschen, die was machen, die gute Ideen haben. Was mich ärgert, ist Entrüstungspolitik.“
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Auch der Zuspruch für die AfD beschäftigt sie. „Wir hatten Stadtteile, da haben die zuletzt über 25 Prozent der Stimmen geholt. Wenn Menschen nicht mehr am Dialog interessiert sind, wird es schwierig.“ Natürlich versteht sie, dass viele Gelsenkirchener Sorgen haben, dass sie auch die Furcht umtreibt, dass die Integration die Stadtgesellschaft überfordern könnte. „Berechtigte Ängste vor Situationen und Verhaltensweisen muss man akzeptieren“, findet Karin Welge. Ihr Rezept: „Lösungsstrategien dagegensetzen.“
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