Gelsenkirchen. Der niedriger Wasserstand bei Tropen-Temperatur lässt die Emscher in Gelsenkirchen besonders stinken. Hoffnung bringt erst das Umbau-Ende.

Abwasserfrei soll die Emscher Ende 2020 werden, in der ehemals größten Kloake des Reviers soll dann nur noch klares Oberflächenwasser fließen. Aber bei den gerade herrschenden Temperaturen jenseits der 30 Grad merken Anwohner wie Spaziergänger den gewaltigen Unterschied zwischen dem Rhein-Herne-Kanal und der parallel fließenden Emscher. Denn es stinkt erbärmlich. Die Schuld liegt beim niedrigen Wasserstand, die Konzentration der Schmutzwasseranteile ist damit höher.

Ilias Abawi, Sprecher von Emschergenossenschaft/Lippeverband (EGLV), kann sich selbst noch gut an den „Wiedererkennungseffekt“ vor Jahrzehnten erinnern, auf dem Weg von der Essener City Richtung Gelsenkirchen-Horst. Die in ihrer V-förmigen Beton-Schale dümpelnde Emscher brachte sich jedesmal bei der Überfahrt in Erinnerung, und tatsächlich beklagen gerade die Anwohner aus dem Bereich Horst im Moment eine ungewohnte Zunahme des Gestanks.

Die Kohle-Anteile fehlen inzwischen

Die Tage der Emscher als Abwasser-Leitung sollen gezählt sein, die Emschergenossenschaft arbeitet sich in Gelsenkirchen Stück für Stück Richtung Nordsternpark vor.
Die Tage der Emscher als Abwasser-Leitung sollen gezählt sein, die Emschergenossenschaft arbeitet sich in Gelsenkirchen Stück für Stück Richtung Nordsternpark vor. © Ingo Otto

„Mit Beginn des Emscher-Umbaus Anfang der 90er-Jahre wurden moderne Großkläranlagen errichtet, deren Reinigungsleistung so gut ist, dass sie den Emscher-Duft in den vergangenen Jahren beinahe auf ein Minimum reduzierten. Und dennoch stinkt die Emscher an manchen Tagen mehr als sonst, vor allem im Sommer“, räumt Abawi ein, und hat volles Verständnis für die Verärgerung der Menschen, die bei der Wärme die Fenster und Türen schließen müssen, um den Mief außen vor zu lassen.

Wegen des niedrigen Wasserstandes, der hohen Temperaturen und der damit verbundenen geringen Fließgeschwindigkeit kommt es zu Fäulnisprozessen und bei schwachem Wind zu den starken Geruchsbelästigungen, stellt der EGLV dar. „Gegenüber früheren Zeiten hat sich die Situation sogar noch etwas verschlimmert, weil in der Emscher die Feinkohleanteile aus den mittlerweile geschlossenen Zechen fehlen“, erklären sich die Unterschiede, die mancher nun ungläubig feststellt.

Kaum Abhilfe durch mehr Sauerstoff

Denn die feinen Kohlenstaub-Anteile haben früher durch ihre Spurenstoffbindung sogar den Nebeneffekt gehabt, dass so der Geruch weniger stark war. Allerdings schloss mit dem Bergwerk Westerholt 2008 die letzte Zeche im Einzugsbereich. Das führt nun zu der unangenehmen, aber simplen Erklärung: Die Emscher führt im Sommer weniger Wasser, das damit langsamer fließt, und in diesem Wasser ist der Schmutzwasseranteil höher als gewöhnlich.

Emscher-Umbau

Die Emscher wird in einen naturnahen Zustand zurückversetzt. Das ist bei einer Flusslänge von 83,1 Kilometern und insgesamt 865 Quadratkilometern Einzugsgebiet ein Generationenprojekt für die Emschergenossenschaft. 2018 begann die schrittweise Inbetriebnahme des neuen unterirdischen Abwasserkanals AKE. Er ist das zentrale Element im Rahmen des Emscher-Umbaus, reicht über 51 Kilometer von Dortmund bis Dinslaken.

Das Pumpwerk Gelsenkirchen wird im Gesamtsystem das Abwasser auf die Kläranlagen Bottrop und Dinslaken-Emschermündung verteilen. Elf Pumpen befördern in Gelsenkirchen rund 12.800 Liter pro Sekunde knapp 26 Meter hoch.

Der Wasserstand der Emscher am Pegel in Buer-Sutum lag am Sonntag, 9. August, deutlich unter dem Mittelwert von 1,02 Meter, die bisher niedrigste Marke des Sommers am 4. August lag bei 55 Zentimetern.

Zusätzliches Frischwasser in die Emscher zu leiten, lehnt die Emschergenossenschaft aus ökologischen wie ökonomischen Gründen ab. Denn das würde bedeuten, zunächst sauberes Wasser wieder schmutzig zu machen, um es dann aber wieder in den Kläranlagen der Emschergenossenschaft aufwändig und teuer zu reinigen. Das wäre „eine regelrechte Verschwendung“, auch angesichts des bald abgeschlossenen Jahrhundertprojekts des Emscher-Umbaus. Im Pumpwerk Horst im Nordsternpark wird dem Emscherwasser bereits Sauerstoff zugegeben, das wirkt aber nur in begrenztem Rahmen.