Gelsenkirchen-Bismarck. Mit einer Teilsperrung und Anlieger-Regelung für die Johannes-Rau-Allee in Gelsenkirchen soll das Raser- und Poserproblem bekämpft werden.
In einer Sondersitzung am Mittwoch im Begegnungszentrum Haverkamp stellte die Verwaltung neue Lösungsansätze vor, um die Raser- und Poserproblematik im Hafenquartier Graf Bismarck weiter einzudämmen. Die Szene lässt entnervte Anwohner seit geraumer Zeit Alarm schlagen. Versuchsweise wird es eine temporäre Teilsperrung der Straße geben. Außerdem ist ein neues Führungsduo für den Präventionsrat Bismarck gewählt worden. Julian Pfeifers und sein Stellvertreter Jürgen Freisewinkel bilden die Bindeglieder zwischen Bürgerschaft und Stadt, Polizei sowie weiteren Ordnungs- und Kooperationspartnern.
Thomas Richter, Leiter der Abteilung Strategie und Lage beim städtischen Referat Ordnung und Sicherheit, erläuterte die neuen Maßnahmen, mit denen in einer zunächst zeitlich unbestimmten Testphase die Attraktivität des Wohn- und Gewerbegebietes für die Raser- und Poserszene als nächtlicher Treffpunkt mit Massenanziehungskraft deutlich schrumpfen soll.
Zugang zur Johannes-Rau-Allee nur noch über Alfred-Zingler-Straße, Anlieger-Regelung
„Wir werden die Johannes-Rau-Allee teilweise sperren, so dass die Durchfahrt für alle ab 22 Uhr verboten sein wird“, sagte Richter. Blockiert wird künftig probeweise die Zufahrt ins Viertel ab dem Eingangsbereich Münsterstraße/Lübecker Straße. Hinein ins schicke Hafenquartier gelangt man dann nur noch über die Alfred-Zingler-Straße, ein Anlieger-Schild dort soll zusätzliche Siebwirkung und Handhabe für die Kontrolleure entfalten. Unterstützend dazu sind Schwerpunktkontrollen geplant, um Zuwiderhandlungen mit Bußgeldern zu bestrafen.
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Der Status als Erschließungsstraße, so festgelegt im Bebauungsplan und entsprechend staatlich gefördert, macht es allerdings schwierig, jeglichen ungeliebten Fremdverkehr auf der Allee und damit im Viertel auszuschließen. Denn der rechtlich sehr weit gefasste Begriff des Anliegers erlaubt einem den Zugang mit dem Pkw schon mit der Begründung, nur um dort nachts spazieren zu gehen. Marina und Umfeld gelten nämlich als Freizeit-Areal. „Kontrolleure in Zivilkleidung“, so Richter weiter, sollen deshalb ungebetene Gäste zusätzlich herausfiltern, quasi in zweiter Reihe.
Anzeigen über städtische Homepage und über die App Gemeldet
Außerdem plant die Stadt die Beschleunigung privater Anzeigen für Bürger, die sich belästigt fühlen oder sonstige Verstöße bemerken. „Bis Ende August wird es möglich sein, über den städtischen Internetauftritt, Ruhestörer zu melden und Fehlverhalten anzuzeigen, perspektivisch dann auch über die App Gemeldet“, sagte Richter.
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Geteilte Reaktionen: Stuttgarter Verhältnisse befürchtet
Die Reaktionen darauf fielen unterschiedlich aus. Insbesondere der Hinweis der Verwaltung an die Anwohner und Bürger, bewusst in ein Wohn- und Gewerbegebiet mit eben jener Johannes-Rau-Allee als Erschließungsstraße gezogen zu sein, bekam ein höchst emotionales Echo. Jürgen Friesewinkel berichtete, dass die „Anwohner trotz Dreifachverglasung und geschlossener Fenster und selbst mit Ohrstöpseln keinen Schlaf finden“. Zwei Parteien seien mittlerweile so entnervt, dass sie nun wegzögen. Er befürchtete bald weitere Bürgerproteste, wenn die Obrigkeit nicht entschlossener gegen die Raser handele.
Poser-Problem erschwert Vermarktung des Quartiers
Die Raser-und Poser-Problematik hat sich über die Stadtgrenzen Gelsenkirchens hinaus herumgesprochen. Im Viertel werden noch viele Häuser und Wohnungen gebaut. Die Hofschröer Projektbau GmbH beispielsweise ist Bauträger von vier teils noch ausstehender Bauten in Graf Bismarck.
In einem Schreiben an die Stadt beklagt das Unternehmen, dass „einige Erwerber vor der Überlegung zum Wiederverkauf ihrer Immobilie“ stünden. Und dass Interessenten mittlerweile Abstand von Reservierungen genommen hätten. Hofschöer-Bewohner waren es auch, die die Johannes-Rau-Allee blockierten kurz vor Ostern.
Die über soziale Medien gut vernetzte Bürgerinitiative Graf Bismarck rät mittlerweile Interessenten: „Rat an alle zukünftigen Bewerber: Lasst Euch ein Poser freies Wohnen und Arbeiten in den Kaufvertrag schreiben!“
Themen gesammelt für die nächste Sitzung
Für die nächste Sitzung des Präventionsrates wurden bereits Themen gesammelt. Der Termin wird noch bekannt gegeben. Ein Auszug der Themen: Verkehrsbehinderungen durch parkende Fahrzeuge an Haverkamp und Trinenkamp, Warnbaken in der Braubauerschaft und am Blackmannshof, die in den Augen der Bürger ein Verkehrsrisiko darstellen.
Weitere Themen: Defekte Ampel an der Robertstraße und Gefahren für Radler, die Drogen- und Trinkerszene rund um den Straßenzug Bürgerplatz sowie zeitgemäße Spielplätze im Stadtteil Bismarck.
Bereits im Frühjahr hatten erboste Anwohner die Johannes-Rau-Allee nachts schon einmal blockiert und erst der Einsatz von mehr als einem Dutzend Streifenwagen hatte eine Eskalation des Streits zwischen Bewohner und feiernden und lärmenden Tuning-Fans verhindert.
Die Sprecher der Interessensgemeinschaft Graf Bismarck Wolfgang Kothe und Achim Götte bezeichneten die geplanten Maßnahmen als „einen Schritt in die richtige Richtung“.
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Klares Votum für Pfeifers als Vorsitzender des Präventionsrates
Etwas mehr als 50 Bürger aus dem Stadtteil wählten im großen Saal des Zentrums an der Bickernstraße 98 Julian Pfeifers mit 26 zu 15 Stimmen zum Vorsitzenden des Präventionsrates Bismarck. Als Kandidat hatte sich Johannes Mehlmann beworben, der nach dem vorzeitigen Ausscheiden des ehemaligen Vorsitzenden Frank Schmelting als Vize den Vorsitz des Präventionsrates Bismarck kommissarisch übernommen hatte. Jürgen Freisewinkel wurde ohne Gegenkandidaten zum Stellvertreter Pfeifers gewählt. Neue Schriftführerin ist Sandra Molter.
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