Gelsenkirchen-Erle. OB-Kandidat Stuckmann kritisiert Stadt für ideologisch motivierte “Verhinderungsprüfungen“. Baurat verweist auf Gesetze, die Zentren schützen.

Die "jüngste" Entwicklung an der Ulrich-/Emscherstraße in Erle hat Oberbürgermeister-Kandidat Malte Stuckmann (CDU) dazu veranlasst, die Verwaltung wegen "ideologisch" motivierter "Verhinderungsprüfungen" in Sachen Discounter-Neubau scharf anzugreifen. Unter der Überschrift "Lidl erstreitet Baurecht für neuen Markt in Erle" vermeldet er in einer Pressemitteilung: "Jetzt hat sich Lidl das Baurecht erstritten und beginnt mit dem Neubau." - Allein: Aktuelle Urteile des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen und des Oberverwaltungsgerichts Münster existieren nach deren Angaben nicht - nur eines vom März 2016.

Das OVG hatte damals in zweiter Instanz der Klage von Lidl wegen eines formalen Fehlers im Bebauungsplan stattgegeben und die Stadt dazu verurteilt, dem Unternehmen einen großflächigen Neubau an der Ulrichstraße zu genehmigen. Den hatte die Verwaltung verhindern wollen, da sie eine Verkaufsfläche von 1400 Quadratmetern als Bedrohung der Nahversorgung in den (Stadtteil-)zentren wertete und fürchtete, dass die Schließung kleinerer Märkte die Folge sein könnten. Knackpunkt für das Gericht war eine aus seiner Sicht zu unspezifische Höhen-Festsetzung für Gebäude.

Gelsenkirchener CDU sieht Bedarf für Discounter an der Ulrichstraße

"Dass sich in Gelsenkirchen Investoren im Wege von langwierigen Gerichtsverfahren gegen die Stadt durchklagen müssen, um erst dann durch ein Urteil in die Lage versetzt zu werden, ihre Projekte umzusetzen", kritisiert Stuckmann. Bürger und CDU seien "schon lange der Meinung, dass der Bedarf für einen neuen und modernen Lebensmitteldiscounter an dieser Stelle besteht", betont er unter Verweis auf neue Präsentationskonzepte.

Was die Verkaufsflächen-Erweiterung bestehender Märkte angeht, "die die SPD gemeinsam mit der Verwaltung an der Braukämperstraße und an der Alfred-Zingler-Straße verhindert" habe, so sei diese aus CDU-Sicht "immer grundsätzlich dann möglich, wenn sich das flächenmäßig erweiterte Angebot verträglich im Umfeld darstellen lässt und alle formalen Vorgaben wie Stellplatznachweise usw. eingehalten werden." Einzelfallprüfungen dürften "auf keinen Fall bloße ,Verhinderungsprüfungen' sein", sondern müssten "in eine ,Ermöglichungsprüfung' münden", um "Investoren nicht zu vergrämen". Verwaltung solle "rechtskonform machen statt ideologisch verhindern".

Stadt: Ansiedlung großflächiger Märkte außerhalb der Zentren "nicht rechtssicher"

Stadtbaurat Christoph Heidenreich weist die CDU-Kritik an der Haltung der Verwaltung zurück. Grundsätzlich ziele die Gesetzgebung von Bund und Land darauf ab, die zentrale (Lebensmittel-)Versorgung in den Städten zu schützen. Ausnahmen für großflächige Lebensmittelmärkte seien nur möglich, "wenn es nachweislich keine alternative Ansiedlungsmöglichkeit in den Zentren gibt." Heidenreich: "Dies sehen die Richter allenfalls in ländlich strukturierten Städten mit historischem Dorfkern als möglich an."

Eine Bauleitplanung, die die Ansiedlung großflächiger Lebensmittelmärkte außerhalb der Zentren erlaubt, sei "nicht rechtssicher", kommentiert er die Position des Juristen Stuckmann. Die Genehmigung für Lidl an der Ulrichstraße sei nur möglich gewesen wegen eines rein formalen Aspekts.

Unterdessen hat Lidl nach dem Abriss des vorherigen Gebäudes an der Ulrichstraße mit den Gründungsarbeiten für die neue, 1200 Quadratmeter große Filiale mit 90 Parkplätzen begonnen, von denen zwei mit einer E-Ladesäule ausgestattet werden sollen. Der zweigeschossige Bau erhält nach Unternehmens-Angaben eine Photovoltaik-Anlage auf dem Pultdach, die die E-Ladesäulen mit für die Kunden kostenlosem Strom versorgt. Im Erdgeschoss befinden sich die Verkaufsräume und das Lager, im Obergeschoss die Mitarbeiter- und Technikräume. Die Eröffnung ist für Ende 2020 vorgesehen.

>> Veränderungssperre

Der Rat der Stadt hat in seiner letzten Sitzung im Juni eine Verlängerung der Veränderungssperre für das Gewerbegebiet Emscherstraße-Ost beschlossen. Ziel war es u.a., die Ansiedlung weiteren lärmintensiven Gewerbes zu verhindern, bis eine Überarbeitung des Bebauungsplans abgeschlossen ist.

Die CDU stimmte gegen diese Verwaltungsvorlage.