Gelsenkirchen-Ückendorf. Die Historie der Friedrich Geldbach GmbH könnte im August enden. 65 Mitarbeiter sind betroffen. Insolvenzverwalter verhandelt mit Farina-Gruppe.
Im Juli 2019 wurde an der Bergmannstraße in Ückendorf das 125-jährige Firmenjubiläum in den Werkshallen der Friedrich Geldbach GmbH gefeiert. Vor einem Jahr, so Insider, lief es schon nicht mehr rund im Traditionsunternehmen für Flansche und Formteile. Die Feierstimmung ist längst verflogen, Sorgen und Existenzängste haben Einzug gehalten. Die Firma hat Insolvenz angemeldet. Den Beschäftigten läuft die Zeit weg. Kommenden Dienstag wollen sie mit einer Menschenkette gegen den drohenden Jobverlust demonstrieren.
Gelsenkirchener Belegschaft will Menschenkette bilden
Zur Frühstückspause geht die Belegschaft auf die Straße vors Werkstor. „Damit sich was bewegt“, sagt Ralf Goller, Sekretär der IG Metall in Gelsenkirchen. „Die Beschäftigten wollen nicht sang- und klanglos vom Hof gehen“. Der Betrieb läuft weiter, mit reduzierter Mannschaft. „Die Mitarbeiter sind stinksauer. Die Leute zu motivieren, ist sehr, sehr schwer geworden“, sagt Fuat Kilinc, der Betriebsratsvorsitzende. Seit 38 Jahren arbeitet er für Geldbach, ist der Ablauf-Betriebsleiter. 25 Kollegen sind aktuell freigestellt, knapp 40 arbeiten. „Arbeit ist bis zum 31. Juli da“, so Kilinc. Rund 70 Prozent der Belegschaft, schätzt er, sind jünger als 40 Jahre, darunter sind etliche Facharbeiter
Ein Schutzschirmverfahren hatte die Friedrich Geldbach GmbH nach Auskunft von Goller ursprünglich angestrebt. Für die Insolvenz in Eigenregie „waren aber die Voraussetzungen nicht gegeben.“ Die Kanzlei Siemon wurde mit dem Insolvenzfall beauftragt. Die Verluste sind massiv: Seit 2015 rund elf Millionen Euro, „derzeit sind es rund 200.000 Euro im Monat“, rechnet Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Klaus Siemon.
Insolvenzverwalter ist mit der Farina-Gruppe im Gespräch
Altgediente Geldbach-Kräfte wie der Betriebsratsvorsitzende haben so eine Situation schon einmal durchlitten: 2003 lief laut Kilinc ebenfalls ein Insolvenzverfahren, damals wurde der Betrieb von der italienischen Farina-Gruppe übernommen. Farina habe nun erneut „mit einem neuen Inhabersystem Interesse daran“, die insolvente Firma zu übernehmen, sagt Goller. Das Interesse bestätigt Siemon. „Ich rede seit März mit denen, stehe auch mit der städtischen Wirtschaftsförderung in Kontakt“, doch ein Durchbruch sei nicht erzielt worden: „Die italienische Mutter will das Unternehmen in der Gruppe halten, aber unternimmt nicht die nahe liegenden Schritte, um das auch möglich zu machen.“
Gläubigerversammlung wurde wegen Corona kurzfristig abgesagt
„Die pokern auf beiden Seiten“, sagt der Betriebsratsvorsitzende. Zu einer Gläubigerversammlung wurde vor gut zwei Wochen eingeladen. Sie wurde wegen Corona kurzfristig abgesagt und in den August verlegt. Aus Sicht von Siemon ist „das dennoch kein Hindernis, um eine Veräußerung auch kurzfristig auf den Weg zu bringen.“ Goller ist dagegen skeptisch: Der Zeitplan „ist tödlich für uns“, sagt der IG-Metall-Sekretär.
Vergleichbare Maschine gibt es weltweit nur noch einmal.
125 Jahre fertigt die Firma Formteile und vor allem Flansche für den globalen Markt. Zum Jubiläum reichte die Gästeliste über die USA und Südamerika nach Fernost und Italien. Spezialisiert war die Friedrich Geldbach GmbH vor allem auf Flansche mit sehr großen Durchmessern. War – weil die Maschine, mit der sie produziert werden, laut Kilinc seit 2016 defekt ist. „Die hat uns im Markt gehalten. Eine vergleichbare Maschine gibt es weltweit nur noch einmal. Das war wie eine Geldpressmaschine.“
Die Ersatz- oder Reparaturkosten in Höhe von bis zu vier Millionen Euro habe das Unternehmen nicht aufbringen können. „Es wurde alles versucht, um Hilfe zu bekommen, um die Maschine zu finanzieren“, sagt Kilinc – letzlich vergebens. Die Coronakrise erschwert nun zusätzlich die Lage. Aber die Insolvenz, so Ralf Goller, „hat damit erstmal nichts zu tun“.
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