Gelsenkirchen-Erle. Pfarrei St. Urbanus gibt Gotteshaus in Erle-Middelich aus wirtschaftlichen Gründen auf. Gläubige reagieren darauf mit Traurigkeit, aber auch Wut.
Totgesagte leben länger - aber nicht ewig: Diese Erkenntnis dürfte so manchen Katholiken durch den Kopf gehen, die am kommenden Wochenende die letzte Gelegenheit haben, die St.-Konrad-Kirche in Middelich zu besuchen. Denn das Gotteshaus wird nach der letzten heiligen Messe am Sonntag, 21. Juni, aufgegeben. - Fast wäre es schon 2006/07 so weit gewesen.
Damals hatte das Bistum Essen im Zuge der Umstrukturierung das Aus beschlossen, die Entscheidung dann aber wegen des vehementen Protests der Gläubigen vor Ort zurückgenommen. Die bis dato selbstständige Gemeinde wurde St. Mariä Himmelfahrt in Buer angegliedert, St. Konrad zur Filialkirche erklärt. Ein Erfolg auch des 2006 neu gegründeten Fördervereins.
Gelsenkirchener Förderverein bezuschusste Betrieb der Kirche
"Wir konnten noch 14 Jahre aktives Gemeindeleben in Middelich erreichen", sieht Peter Rolle (69) das Engagement der Fördervereins-Mitglieder bestätigt, das auch nach der letzten heiligen Messe fortgesetzt werden soll, etwa für die Jugendarbeit oder für Konzerte. Mit insgesamt rund 181.000 Euro bezuschussten sie in dieser Zeit den Betrieb der Kirche, finanzierten etwa Grünpflege, Lautsprecheranlage, die Leitung des Gospelchores und die Renovierung der Sakristei.
"Dass die Schließung nur herausgezögert wurde, war uns aber klar", sagt Rolle, durchaus traurig über das endgültige Aus, "schließlich haben meine Frau und ich in St. Konrad geheiratet, unsere Kinder wurden dort getauft. Auch für viele andere endet ein wichtiges Stück Heimatgeschichte. Der Glaube wurde hier gelebt, man traf sich zu Gottesdiensten, zu gemeinsamen Feiern und Gesprächen. Sie war zentraler Lebensmittelpunkt für viele Christen."
Pfarrei: Rücklagen für Immobilie nicht mehr finanzierbar
Am vom Bistum initiierten Pfarrei-Entwicklungsprozess (PEP), der die Weichen zur Aufgabe (nicht nur) dieser Kirche stellte, führe jedoch kein Weg vorbei. Wie berichtet, schließt die Pfarrei das Gotteshaus aus wirtschaftlichen Gründen - die für jede Immobilie vorgeschriebenen jährlichen Rücklagen seien nicht mehr finanzierbar -, aber auch vor dem Hintergrund des Mitgliederschwunds und akuten Priestermangels.
Mit diesem Votum arrangieren mag sich Konrad Herz (82), lange Mitglied in Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat, freilich überhaupt nicht. "Uns wird die kirchliche Heimat genommen", kritisiert er und erinnert daran, dass die Gemeindegründung und der Kirchenbau nur möglich gewesen seien, "weil so viele Gläubige dafür Geld und Bauland gespendet und sogar eigenhändig bei der Errichtung des Gotteshauses mit angepackt haben".
Bergarbeiter brannten einst Ziegelsteine für den Gotteshaus-Bau
Bergarbeiter der Zeche Graf Bismarck hätten in freiwilligen Überstunden rund 10.000 Ziegelsteine für den Kirchenbau gebrannt. "Das Gelände und die Gebäude gehören also den Menschen und nicht der bischöflichen Behörde."
1939 geweiht, war die St.-Konrad-Kirche auf dem 8900 Quadratmeter großen Areal Keimzelle der Gemeinde mit Kindergarten (Eröffnung 1949 in einer Jugendheimbaracke, Neubau 1959), Pfarrhaus (1957) und Gemeindehaus (1995). Die Gläubigen initiierten mit den Middelicher Protestanten der heutigen Evangelischen Christus-Kirchengemeinde Buer das erste ökumenische Sommerfest der Stadt.
Herz: Lebendige Gemeinde wird nun zerstört
St. Konrad sei immer eine sehr engagierte, lebendige Gemeinde gewesen, das werde jetzt zerstört, sagt Herz. "Besonders Ältere werden sich kaum auf den Weg nach St. Urbanus in Buer, St. Barbara in Erle oder Herz-Jesu in Resse machen. Das ist einfach zu weit weg." Er selbst und seine Frau mögen den letzten Gottesdienst in St. Konrad erst gar nicht erleben. "Wir sind in Altötting, wo wir am Wallfahrtsort des heiligen Bruder Konrad Trost suchen."
Die Zukunft des Areals ist noch völlig offen. "Der Kirchenvorstand der Pfarrei hat beschlossen, alle aufgegebenen Gebäude bis Ende 2020 in die Vermarktung zu geben", so Immobilienausschuss-Mitglied Christian Zipper. Einige Anfragen habe es bereits gegeben. Wahrscheinlich werde das Gotteshaus abgerissen, um Platz zu schaffen für eine Neubebauung. Der vorgelagerte Kindergarten soll weiterbetrieben werden.
Das benachbarte, gerade wegen Corona geschlossene Gemeindehaus soll wieder geöffnet werden, "sobald wieder Treffen in den Gemeindeheimen der Pfarrei möglich sind, (…) so dass hier Zeit bleibt, gute Lösungen für die Zukunft der Gruppen zu finden", so Pfarrei-Sprecher Ludger Klingeberg. Fördervereins-Chef Rolle ist klar: "Alles weitere hängt von den Plänen des Investors ab, an den das Grundstück verkauft wird."
>> Wie Gläubige Abschied nehmen können
Die beiden letzten Messen in St. Konrad, Hausfeld, finden am Samstag, 20. Juni, 17 Uhr, und am Sonntag, 21. Juni, 16 Uhr, statt und werden von Propst Markus Pottbäcker und Pater Marek OSM gefeiert.
Für einen stillen und persönlichen Abschied wird die Kirche am Samstag von 13 bis 16 Uhr und am Sonntag von 12 bis 15 Uhr geöffnet. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist innerhalb des Kirchengebäudes Pflicht.
Wer an einer der beiden Messen teilnehmen möchte, muss sich vorher im Gemeindebüro anmelden (0157/34738451). Möglich ist dies noch bis Donnerstag, 18. Juni, jeweils von 10 bis 15 Uhr. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
Der Förderverein hat ein Fotobuch mit Bildern aus dem Innen- und Außenbereich von St. Konrad herausgegeben, das vor und nach den Gottesdiensten zum Preis von 25 Euro angeboten wird.