Gelsenkirchen. . Das Bistum Essen verlangt von den Gelsenkirchener Pfarreien, dass sie drastisch Kosten senken. Stadtdechant Markus Pottbäcker bleibt optimistisch

  • Bis zum Jahr 2030 müssen Pfarreien im Bistum Essen 30 bis 50 Prozent ihrer Kosten senken
  • Katholische Gemeinden in Gelsenkirchen müssen ihre Konzepte dafür bis Jahresende einreichen
  • Kirchenschließungen sind dabei unvermeidlich, vielleicht werden einige Gotteshäuser sogar abgerissen

Bischof Franz-Josef Overbeck hat den Gemeinden im Ruhrbistum, auch in Gelsenkirchen, eine gewaltige Sparvorgabe aufgebürdet. Bis zum Jahr 2030 müssen sie 30 bis 50 Prozent ihrer Pfarreikosten senken, um Rücklagen für Gebäude zu schaffen.

Die Pfarreien und Gemeinden im Stadtdekanat Gelsenkirchen.
Die Pfarreien und Gemeinden im Stadtdekanat Gelsenkirchen. © Gerd Bertelmann

„Das geht nicht, ohne Gebäude aufzugeben und Personal abzubauen“, sagt Stadtdechant Markus Pottbäcker, der Propst von St. Urbanus in Buer. Allein seine Pfarrei muss ab 2018 jährlich 50 000 Euro aus dem laufendem Etat herausnehmen. Wie Pfarreien ihre Kosten verringern, entscheiden sie selbst und müssen dem Bischof bis Ende des Jahres ihre abgestimmten Zukunftskonzepte vorlegen.

Die Finanzen sind aber nur ein Teil dieses Prozesses, viel wichtiger findet Pottbäcker pastorale Fragen. „Wir wollen dem Evangelium ein Gesicht geben, und das passiert nicht über die Kirchen.“ Die Kernfrage sei daher: „Was brauchen wir, um die Menschen mit dem Evangelium in Berührung zu bringen?“ So gehe es unter anderem darum, das ehrenamtliche Engagement in den Gemeinden zu erhalten, aber bewusster einzusetzen.

Das Ziel, an dem derzeit alle Pfarrer der vier Gelsenkirchener Pfarreien im gegenseitigen Austausch arbeiten, sei in allen Stadtteilen Begegnungsorte zu erhalten. „Das muss nicht immer eine Kirche, sondern kann auch ein Gemeinderaum sein, ein Kindergarten oder eine Krankenhauskapelle.“

Kirchenschließungen sind unvermeidbar

Klar ist jedoch, ohne Kirchenschließungen sind die Einsparungen nicht zu schaffen. Doch eine aufgegebene, denkmalgeschützte Kirche kostet ebenfalls Geld. „Es tut weh, wenn ein nicht mehr genutztes Gebäude verkommt“, weil damit immer Emotionen und Geschichten verbunden sind. Gemeinden anderer Städte haben sogar bereits Kirchen abgerissen.

„Das Beste wäre, dass das Gebäude stehen bleibt und anders genutzt wird, aber einen Gebetsraum behält“, sagt Pottbäcker. So findet er gut, dass Heilig Kreuz in Ückendorf zur Kulturkirche umgewandelt worden ist, zudem befürwortet er, dass leerstehende Kirchengebäude bei Bedarf als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden. Solche Lösungen seien jedoch natürlich für die meisten Gebäude, die aufgegeben werden, nicht möglich.

Diskussionen über Schließungen und Abrisse greift zu kurz

Eine Diskussion über Abrisse und Schließungen greift für den Propst aus Buer aber ohnehin viel zu kurz: „Berührung mit dem Evangelium passiert über die Menschen, nicht über die Gebäude.“ Doch eine Gemeinde brauche Räume, in denen sie ihren Glauben leben könne und „das Gemeindeleben wird sich durch die Kirchenschließungen stark verändern. Aber ich bin überhaupt nicht resigniert.“

Denn Pottbäcker sieht in den Gelsenkirchener Zukunftskonzepten keinen Rückzug der katholischen Kirche, sondern eine Neuausrichtung. „Wir haben noch keinen genauen Plan, wir arbeiten aber daran.“ Allerdings brauche er gar nicht darüber nachdenken, die prachtvollen Propsteikirchen St. Urbanus oder St. Augustinus aufzugeben, „da würde mir die Stadt ins Gesicht springen“. Welche Standorte erhalten bleiben, richte sich vornehmlich nach den Bedürfnissen der Gläubigen.

Prozess kann zur Stärkung der Ökumene führen

Dass das Bistum nun, anders als noch vor einigen Jahren, den Gemeindeumbau langsam und ohne den Druck einer drohenden Insolvenz angeht, lässt den Stadtdechanten positiv in die Zukunft blicken. „In der Veränderung und auch im Rückbau erkenne ich ein Handeln Gottes“, sagt der Priester. „Zu allen Zeiten mussten Christen sich verändern.“ So werde auch dieser Umbruch etwas Neues hervorbringen. „Wenn damals die Menschen nicht ihre frühere Kirche abgerissen hätten, dann hätten wir St. Urbanus jetzt nicht.“ Die neugotische Basilika in Buer wurde ab 1890 erbaut und drei Jahre später geweiht.

Für den nun anstehenden Umbauprozess werden die Gelsenkirchener einen langen Atem brauchen, weiß Pottbäcker („ein Generationenprojekt“), sieht aber darin auch Chancen verborgen. So wird es weiterhin ökumenische Zentren geben und Katholiken, Protestanten und andere Christen könnten vielleicht sogar Gotteshäuser gemeinsam unterhalten und nutzen. Ob dadurch letztlich die Ökumene vor Ort gestärkt wird, müsse sich aber erst noch erweisen.

„Das Ergebnis muss und wird solide sein“

Einige Einschnitte werden sicherlich schmerzlich für das Gemeindeleben, doch Stadtdechant Markus Pottbäcker ist davon überzeugt, dass es „der allerletzte Zeitpunkt“ ist, um die Pfarreien finanziell wieder auf ein gesundes Fundament zu stellen.

Der jetzige Umbau ist deshalb so massiv, sowohl beim Haushalt als auch bei der pastoralen Arbeit, weil diese Zukunftskonzepte mindestens 20 Jahre halten müssen. „Das Ergebnis muss und wird solide sein.“ Für alle vier Gelsenkirchener Pfarreien.

>> Konzept von St. Hippotylus ist bereits genehmigt

Die Pfarrei St. Hippolytus hat ihr Zukunftskonzept bereits dem Bistum als Absichtserklärung („Votum“) vorgelegt und Bischof Franz-Josef Overbeck hat es genehmigt. Der Langzeitplan sieht vor, dass die Pfarrei 2030 nur noch eine Kirche hat: St. Hippolytus in Horst. „Wir werden aber an allen unserer fünf Standorte Erlebensorte erhalten“, sagt Berthold Hiegemann, der Projektleiter für den Pfarreientwicklungsprozess. So sei dann auch geplant, Gottesdienste etwa in Gemeindezentren abzuhalten.

In dieser Woche beginnen die Beteiligten, das Votum zu konkretisieren. Welche Gebäude werden wann genau geschlossen und abgerissen? Wie genau sehen Umbau- oder Neubaupläne aus? Am 20. Februar sollen die letzten dieser Entscheidungen fallen.

Frustration über das Sparpaket eint die Gemeindemitglieder

Grundsätzlich sei das Zukunftskonzept gut aufgenommen worden, sagt Hiegemann, denn viele Leute hätten noch drastischere Konsequenzen des Sparpakets erwartet. So gebe es auch zahlreiche Gläubige, die die künftige Entwicklung als eine neue Chance begreifen. „Die katholische Kirche soll hier nicht verschwinden. Bei aller Frustration eint das.“ Das bestätigt auch Pfarrer Wolfgang Pingel: „Wir alle wissen, worum es geht, und alle ziehen mit.“ Ohnehin sei das Sparkonzept unvermeidlich, so Berthold Hiegemann, und die Pfarrei müsse diesen Schritt nun gehen.

>> INFORMATION

Die Zukunftskonzepte der Pfarrei werden von je einer Steuerungsgruppe erarbeitet. Darin vertreten sind das Pastoralteam, der Pfarrgemeinderatsvorstand, Mitglieder des Kirchenvorstandes sowie Vertreter weiterer Gruppen, die mitarbeiten wollen.

Mitarbeiter des Generalvikariats beraten die Gelsenkirchener Pfarreien, wenn diese ihr Zukunftskonzept erstellen. Außerdem achten sie darauf, dass das Ergebnis aus finanzieller und seelsorgerischer Sicht so solide ist, dass Bischof Franz-Josef Overbeck ihm schließlich zustimmt.

Weitere Infos zum Pfarreientwicklungsprozess gibt es auf www.bistum-essen.de.