Gelsenkirchen. Das Pumpwerk Gelsenkirchen der Emschergenossenschaft ist ein imposantes Bauwerk und soll künftig auch zahlreiche Touristen anlocken.
Mit einem dumpfen Grollen bahnt sich das Abwasser in 40 Metern Tiefe seinen Weg ins riesige Pumpwerk. 12.800 Liter donnern dort unten am Fuße des voluminösen Schachtes entlang – pro Sekunde, wohlgemerkt. Durch dicke Stahlrohre werden die Wassermassen nach oben ins nächste, um rund 26 Meter höher gelegene Teilstück des Abwasserkanals Emscher gepumpt. Wer von oben einen Blick in das imposante Bauwerk hineinwirft, der kann gut verstehen, dass Ulrich Paetzel als Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft feststellt: „Wir haben hier eine Kathedrale nach unten erbaut.“
Braune Backsteinoptik des Pumpwerks fällt sofort ins Auge
In brauner Backsteinoptik erheben sich dort – genau an der Grenze von Schalke-Nord zu Erle, auf der schmalen, langgezogenen Insel zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal – die beiden neuen Gebäude. Im Tiefbauteil ist die komplette Maschinentechnik des Pumpwerks untergebracht, im seitlich versetzten Hochbau befindet sich die Elektrotechnik der Anlage.
Zwischen 2009 und 2018 wurde sie als eines von insgesamt drei neuen Großpumpwerken errichtet. Seit knapp zwei Jahren ist die Anlage bereits in Betrieb. Doch erst jetzt wurden auch die letzten Arbeiten an der Oberfläche im Umfeld des Gebäudeensembles beendet. Nur die abschließende Einzäunung eines Teilbereiches fehlt noch. Grund genug, um sich den Neubau vor Ort einmal genauer anzuschauen.
Einen perfekten Überblick über das Areal bietet die Dachterrasse auf dem Hochbau, in dem 16 Traforäume und die gesamte Lüftungsanlage untergebracht sind. Von hier oben ist zu erkennen, wie elegant sich die Bauten in den Grüngürtel entlang der Emscherinsel einfügen. Diese soll bei der Internationalen Gartenausstellung (IGA) im Jahr 2027 eine der zentralen Spielstätten werden. Schon jetzt führt der Emscherradweg dort entlang. Und für Touristen wie Einheimische gleichermaßen ist das neue Pumpwerk eine ebenso ansehnliche wie auffallende Landmarke und Anlaufstelle, die laut Paetzel nicht nur eine architektonische Besonderheit ist, sondern für alle Menschen auch „die Wasserwirtschaft im Revier erleb- und greifbar macht“.
Emschergenossenschaft investiert fünfeinhalb Milliarden Euro
Fünfeinhalb Milliarden Euro wurden und werden noch auf einer Länge von 51 Kilometern zwischen Dortmund und Dinslaken investiert, um die Emscher von den Abwässern der Städte des nördlichen Ruhrgebiets zu befreien, die einstige Kloake zu renaturieren und in eine blühende, funktionierende Flusslandschaft zu verwandeln. Dafür wurde besagter Abwasserkanal Emscher gebaut. „Allein das Pumpwerk Gelsenkirchen hat 65 Millionen Euro gekostet“, betont Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.
Die Anlage läuft voll automatisch und wird elektronisch von der in Bottrop gelegenen Schaltzentrale überwacht. „Zusätzlich finden auch täglich Kontrollgänge von Kräften unserer Betriebsgruppe statt“, erläutert Grün.
Dem Pumpwerk Gelsenkirchen kommt eine weitere besondere Aufgabe zu. Denn hier teilt sich der Abwasserstrom: Ein Anteil wird zur Kläranlage nach Bottrop geleitet, der andere gelangt über Oberhausen zur Kläranlage Dinslaken. „Wenn sie so wollen, ist das hier eine Art Weiche für das Abwasser“, stellt Reinhard Ketteler klar. Der 61-jährige Bauingenieur aus Dorsten ist Leiter dieses Bauprojektes und kennt jeden Abschnitt aus dem Effeff.
Technik ist doppelt vorhanden
Besonders an diesem Pumpwerk ist auch, dass die gesamte Technik quasi doppelt vorrätig ist. Fällt eine der Anlagen aus, steht die andere sofort als Not-Alternative zur Verfügung. „Wenn das Pumpwerk nicht läuft, würde sich das Abwasser erst stauen und dann innerhalb von nur wenigen Stunden zahlreiche Straßen in der Region überfluten“, warnt Projektleiter Ketteler.
Die Pläne für die Gestaltung des Pumpwerks stammen aus dem Büro B.A.S. Kopperschmidt+Moczala, das bei einem Wettbewerb im Jahr 2005 den Zuschlag erhalten hatte. „Wesentliches gestalterisches Element ist eine klar gegliederte Ziegelfassade“, erklärt Christian Moczala. „Wir haben Ziegel verwendet, weil dieses Material die vielen industriekulturellen Zeugnisse entlang der Emscher weiterführt und nach wie vor aktuell ist.“ Auch das hat dafür gesorgt, dass nun ein echter Ankerpunkt für die Wasserkultur auf die Emscherinsel lockt.