Duisburg. Vor 120 Jahren gründete sich die Emschergenossenschaft, um die Abwasserproblematik der Zeit zu lösen. Heute gibt es andere Herausforderungen.
Wasser macht an Stadtgrenzen nicht Halt – es war diese Erkenntnis, die heute vor 120 Jahren zur Gründung der Emschergenossenschaft führte. Ihre bekannteste Maßnahme ist das Generationenprojekt Emscher-Umbau, das auch Duisburg seinen Stempel aufdrückte: Etwa im Landschaftspark-Nord, durch den die renaturierte und abwasserfreie Alte Emscher fließt.
Es war ein Donnerstag, der 14. Dezember 1899, als sich im Bochumer Ständehaus die damaligen Stadt- und Landkreise des Ruhrgebiets zwischen Dortmund und Duisburg zur Emschergenossenschaft zusammenschlossen. Ziel des Zweckverbunds war es, die Abwasserproblematik in der Region in den Griff zu bekommen. Denn durch die Industrialisierung und die rasant gestiegenen Bevölkerungszahlen hatte sich auch die Menge des anfallenden Abwassers erhöht.
Gründung der Emschergenossenschaft auf Anordnung des Staates
Aufgrund des Kohleabbaus jedoch war es Ende des 19. Jahrhunderts nicht möglich, unterirdische Abwasserkanäle zu bauen – diese wären durch die damit verbundenen Bergsenkungen beschädigt worden. Also war es üblich, das gesamte Schmutzwasser in die Emscher und ihre Nebenarme einzuleiten.
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Das Flusssystem war dadurch bald überfordert und setzte immer wieder ganze Stadtteile unter Wasser. Krankheiten wie Typhus und Cholera breiteten sich durch Fäkalien im Wasser schnell aus, so dass Lösungen gefunden werden mussten. Vor dem Zusammenschluss hatte es in den jeweiligen Städten bereits Versuche auf eigene Faust gegeben – sie scheiterten jedoch allesamt. Die Gründung der Emschergenossenschaft erfolgte daher auf Anordnung des Staates. In dem Verbund wurden Bergbau, Industriebetriebe und Kommunen zusammengebracht.
Um die Abwassermassen in den Griff zu bekommen, baute man das Emscher-System zu einem Netz offener Schmutzwasserläufe um. Im Zuge dieser Arbeiten wurden Betoneinfassungen in die Gewässer eingelassen und Pumpwerke gebaut, um ein geregeltes Abfließen des Abwassers zu gewährleisten.
Über drei Jahrzehnte fünf Milliarden Euro investiert
Die Emschergenossenschaft war 1899 Deutschlands erster Wasserwirtschaftsverband und Vorbild für weitere Unternehmen ähnlicher Art. 1913 etwa wurde die Sesekegenossenschaft gegründet, aus der 1926 der Lippeverband hervorging.
Seit der Nordwanderung des Bergbaus Ende der 1980er Jahre sind keine Bergsenkungen mehr zu befürchten, so dass auch unterirdische Abwasserkanäle gebaut werden können. 1992 fiel deshalb der Startschuss für den Emscher-Umbau. Jedes Gewässer erhält ein unterirdisches Pendant, durch das die Abwässer zu den Kläranlagen geleitet werden. Die Bäche werden dadurch abwasserfrei und können naturnah umgebaut werden.
In Duisburg zeugen davon die Alte Emscher und die Kleine Emscher, die mittlerweile auf einer Länge von über 20 Kilometern aufwändig vom Abwasser befreit und renaturiert wurden – dort erinnert kaum noch etwas daran, dass diese Gewässer einmal offene Schmutzwasserläufe waren. Über einen Zeitraum von rund drei Jahrzehnten investiert die Emschergenossenschaft mehr als fünf Milliarden Euro. Das Ziel des Emscher-Umbaus, eine vom Abwasser befreite Emscher, soll Ende 2021 erreicht sein.
Der Klimawandel ist die neue Herausforderung
Heute sieht die Emschergenossenschaft ihre größte Herausforderung in der Anpassung an den Klimawandel – als Dienstleister im Sinne der öffentlichen Daseinsvorsorge. „Wir müssen lernen, mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen und entsprechende Anpassungsmaßnahmen vorantreiben“, sagt der Vorstandsvorsitzende Uli Paetzel. „Das kann man aber nicht alleine schaffen. Einmal mehr müssen wir als Region an einem Strang ziehen.“
Einen ersten Schritt ist man am 15. November gegangen: Knapp 120 Jahre nach der Gründung der Emschergenossenschaft haben in Recklinghausen alle 16 Kommunen der Emscher-Region eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet mit dem Ziel, gemeinsam mit der Emschergenossenschaft als koordinierende Servicestelle Maßnahmen zur Klimaanpassung einzuleiten. Das Projekt „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ soll ab Anfang 2020 mit Leben gefüllt werden.
„Damit gehen wir auch die Herausforderung Klimawandel gemeinsam als Region an. Nur so lassen sich Lösungen für regionale Problemstellungen finden“, sagt Paetzel. Mit diesem Projekt könne man Vorbild für andere Regionen in Europa und in der Welt sein, „so wie wir es bereits auch von unserem Emscher-Umbau kennen“. Die ursprüngliche Erkenntnis sei dabei dieselbe wie 1899: Wasser macht an Stadtgrenzen nicht Halt!