Gelsenkirchen. Compagnie-Chef Giuseppe Spota schafft aus Tanz-Choreografien des Musiktheaters digitale Realität. Mit den Stücken folgt er der aktuellen Krise.

Körper umkreisen einander, Hände berühren sich, Paare kommen in immer neuen Umarmungen eng zusammen. Geht das? Nein, nicht in der Realität, denn seit dem 12. März gilt auch für die MiR Dance Company des Musiktheaters im Revier wegen der Corona-Krise absolutes Körperkontakt-Verbot. Das Ensemble muss die Füße still halten.

Gelsenkirchener Company-Chef Giuseppe Spota machte aus der Not eine Tugend

Compagnie-Chef Giuseppe Spota aber machte aus der Not eine Tugend: Er ließ jeden Tänzer einzeln vor der Kamera tanzen und stellte dann alle gemeinsam in einem Video auf die Bühne. So tanzen sie nun getrennt und doch zusammen – in einer virtuellen Welt.

Guiseppe Spota mit Dramaturgin Anna Chernomordik bei der „Tanz-Werkstatt“ im Musiktheater im Revier. Die Bühnenarbeit hat Corona massiv verändert.
Guiseppe Spota mit Dramaturgin Anna Chernomordik bei der „Tanz-Werkstatt“ im Musiktheater im Revier. Die Bühnenarbeit hat Corona massiv verändert. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Eigentlich hätte die Tanz-Produktion „Shoot Me Into The Green Screen“ am 25. April Premiere im Kleinen Haus feiern sollen. Lange gestrichen. Aber weil sich die drei geplanten Choreografien ohnehin der Digitalisierung widmen sollten, verlegte die Compagnie Ausschnitte aus der Produktion einfach in die digitale Realität. Hier tanzen sie optisch im Ensemble und in Wahrheit doch allein, ohne direkten Kontakt und Masken, aber in einer gemeinsamen, fließenden Bewegung zu treibender Musik.

Drei Filme sind im Internet unter mir.ruhr/alternativ zu sehen

Inzwischen sind die drei Filme im Internet unter mir.ruhr/alternativ zu sehen. Es sind faszinierende Appetithappen, die bildgewaltig, kraftvoll und mit sehr modernem Anstrich Lust machen auf das, was irgendwann komplett auf die Bühne kommen soll. „Shoot Me Into The Green Screen“ präsentiert vor einer grünen Leinwand (einem sogenannten Green Screen) Choreografien von Giuseppe Spota, Antonin Comestaz und Erion Kruja. Die Hintergründe wechseln rasch, produzieren immer neue Realitäten und Emotionen. Mal schwimmen die Tänzer wie in einem Aquarium, mal sprengen sie Spiegel oder erobern abgerockte Räume. Spota zum Beispiel widmet sich zu sphärisch-schwebender Musik, starken Bildern und beeindruckender, zeitgenössischer Körpersprache der Tänzer dem Narziss-Mythos, hinterfragt die Selbstverliebtheit.

Freier Kartenverkauf ab 15. Juni

Die Tanz-Videos drehte Valeria Lampadova. Ermöglicht wurden sie durch den Sponsor Gelsennet.

Ab dem 15. Juni startet der freie Kartenverkauf des Musiktheaters. Die Theaterkasse ist dann von montags bis freitags von 10 bis 18.30 Uhr geöffnet. Am 15. Juni erscheint auch das erste Spielzeitheft, das die Produktionen bis Ende des Jahres umfasst.

In der Choreographie von Antonin Comestaz treffen sich Menschen und gehen wieder auseinander, zufällig, geplant, schicksalhaft. In einem zweiten Video-Projekt setzt sich Tanz-Direktor Spota mit seiner Compagnie mit der aktuellen Situation auseinander. Spota: „Als uns im März die Nachricht erreichte, dass wir keinen Körperkontakt mehr haben dürfen, waren wir alle zu Hause isoliert.“

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Drei Videos folgen der Entwicklung dieser Corona-Krise

Die drei Videos „One Body“, „Two Bodies“ (soeben fertig gestellt) und „Fullbodies“ (für den Sommer geplant) folgen der Entwicklung dieser Krise: Sie erzählen von Loslösen und Vereinzelung, dann von vorsichtiger Wiederbegegnung und schließlich von neuer Gemeinschaft in der Zukunft. Spota betont: „Unser Wunsch ist es, bald wieder gemeinsam zurück zu sein, uns berühren zu können und eine Körpereinheit zu bilden, durch die derselbe Puls fließt.“

„Zusammensein und Gemeinschaft“ aus unterschiedlichen Perspektiven

Die Pläne dafür stehen auf jeden Fall. Für die kommende Spielzeit will sich Tanz-Direktor in allen Projekten dem Thema „Zusammensein und Gemeinschaft“ aus unterschiedlichen Perspektiven widmen. Am 30. Januar soll seine Choreographie „Notre Dame de Paris“ nach dem gleichnamigen Roman von Victor Hugo Premiere feiern.

Nicht nur digital, sondern live auf der Bühne soll dann ab 21. März die Performance „Shoot Me Into The Green“ zu sehen sein. Der Tanzabend „Adam & Eve“ von Roy Assaf will ab 22. Mai den Mythos rund Adam und Eva, dem ersten Paar der Weltgeschichte, auf die Bühne bringen. Und auch „Move“, das legendäre Erfolgsprojekt für die Tanzjugend, ist für den Sommer des nächsten Jahres geplant. Die Tanz-Compagnie am Musiktheater, sie will in Bewegung bleiben.

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