Gelsenkirchen. Um das Gastro-Sterben in Gelsenkirchen zu verhindern, ziehen Parteien an einem Strang. Idee: Ausweitung der Außenflächen und Gebührenaussetzung.
Fast alle Gaststätten, Cafés und Restaurants haben die Möglichkeit zur Wiedereröffnung ab dem 11. Mai genutzt. Doch die Umsätze reichen nicht aus, um die finanzielle Kluft zu überwinden, die die Corona-Pandemie aufgerissen hat. Nach einer Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen liegen die Einnahmen bei der Hälfte der Unternehmen unter 25 Prozent des normalen Umsatzes. Daher plädieren Wirtschaftsverband und Parteien für weitreichendere Hilfen für Gastronomen – vor der Sitzung des Wirtschaftsförderungsausschusses am Donnerstag bahnt sich ein Schulterschluss an.
„Die massiven Umsatzeinbußen sind besorgniserregend und zeigen, dass das Gastgewerbe ebenso wie etwa der Handel trotz Wiedereröffnung noch längst nicht über den Berg sind“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Fritz Jaeckel. Aufgrund der Auflagen zum Hygiene- und Infektionsschutz haben die Betriebe ihre Kapazitäten mehrheitlich um mindestens 50 Prozent verringern müssen. Dazu kommen laut IHK ein höherer Arbeits- und Personalaufwand sowie eine verhaltene Kundenreaktionen auf die wiedergewonnenen Freiheiten. Denn der Besuch eines Lokals ist nach wie vor mit Auflagen verbunden, die den erhofften Genuss stark limitieren.
Jaeckel unterstützt daher die Forderung der Branche nach einer Ausweitung der Außengastronomie auf weitere öffentliche Flächen und Straßenräume. „Das könnte helfen, den Gästen den Wiedereinstieg in den Gaststätten- und Restaurantbesuch zu erleichtern“, urteilt der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Diese Ausweitung der Außengastronomie ist eine Kernforderung der Politik, von den Liberalen ins Spiel gebracht, von der CDU aufgegriffen und ebenso unterstützt wie von SPD und Bündnisgrünen, allerdings mit einigen Unterschieden. Die Gastro-Hilfe ist ein Thema in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftsförderung am Donnerstag, 28. Mai 2020 (16, Uhr, Konferenzsaal im Pavillon 4 des Wissenschaftsparks, Munscheidstraße 14).
CDU: Verzicht auf Nutzungsgebühren bis Jahresende
Die CDU im Gremium fordert über ihren Sprecher Werner Wöll „einen befristeten Verzicht auf städtische Nutzungsgebühren bis zum Jahresende“. Beispielhaft könne das für die Inanspruchnahme öffentlicher Straßen, Wege und Plätze, wie dies in der Sondernutzungssatzung der Stadt geregelt ist, gelten. „In der Sitzung wollen wir diskutieren, auf welche sonstigen Gebührenerhebungen, die von Gastronomen und Händlern zu leisten sind, bis zum Jahresende verzichtet werden könnte“, so Wöll. Eine entsprechende Beschlussfassung könne in der Ratssitzung am 25. Juni 2020 erfolgen.
FDP: Gebühren-Aussetzung auch in 2021, Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent
Die Vorschläge der FDP gehen darüber noch hinaus. „Wir fordern die Aussetzung für Sondernutzungsgebühren im Einzelhandel sowie die Aussetzung der Gebühren für Straßencafés beziehungsweise Biergärten für dieses und das nächste Jahr“, sagte Christoph Klug, stellvertretender Kreisvorsitzender der Liberalen. Nach dem Vorbild Weimars soll den Wirten erlaubt sein, mehr Fläche in Anspruch zu nehmen durch mehr Sitzplätze im Freien.
Darüber hinaus schwebt den Liberalen „eine Reduzierung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent“ vor, um Kneipen, Bars und Clubs, die nur wenig Speisen anbieten, zu unterstützen. Eine weitere Maßnahme wäre, so Klug, bei Festen künftig vermehrt auf die lokalen Gastronomen bei der Bewirtschaftung zu setzen.
SPD wirbt für parteiübergreifende Zusammenarbeit und Zuschussmodell
Die SPD macht sich ebenfalls stark für die Gastronomen. „Durch die Abstands- und Hygieneregelungen sind Umsatzeinbußen unvermeidlich. Wir müssen die Gastronomie und die Kneipenkultur in Gelsenkirchen retten. Dafür benötigen wir ein Zuschussmodell“, sagte Lukas Günther, für die SPD im Ausschuss für Wirtschaftsförderung. Die Genossen wollen sich den Vorschlägen von FDP und CDU nicht versperren und regen eine parteiübergreifende Zusammenarbeit an.
Damit sind für die SPD aber längst nicht alle Probleme gelöst. Grund: Viele Kneipen bewirtschafteten gar keine Außenflächen oder haben aus baulicher Sicht gar keine Möglichkeit, ins Freie auszuweichen. Zudem sieht die SPD die Gefahr, dass erneut die Kosten für die Krisenbewältigung auf die Kommunen abgewälzt würden. „In unseren Augen sind jetzt vor allem Bund und Land gefordert. Die Städte und Gemeinden sind alleine nicht in der Lage, das Kneipen- und Gastronomiesterben zu verhindern“, so Günther.
Bündnisgrüne regen Test-Modell für die Gastronomie der Zukunft an
Adrianna Gorczyk, Kreisvorsitzende der Bündnisgrünen sieht in der Aussetzung besagter Nutzungsgebühren „eine sinnvolle Maßnahme, die der Gastronomie kurzfristig eine Erleichterung bringen und einen halbwegs rentablen Betrieb während der Corona-Auflagen unterstützen kann“. Aber auch dem Haushalt sei mit vorübergehenden Gebührenausfällen mehr geholfen als mit dauerhaften Gewerbesteuerausfällen, die dann einträten, wenn Gastro-Betriebe der Reihe nach pleite gingen. Gorczyk erinnerte in dem Zusammenhang an die Forderung der Landespartei nach einem Rettungsschirm für die Gastronomie in Höhe von 500 Millionen Euro.
Ergänzend kommt der Vorschlag hinzu, Gastro-Flächen kostenlos zur Verfügung zu stellen durch die vorübergehende Sperrungen von Parkplätzen oder einzelnen Straßen, vor allem dort, wo ansonsten kaum ein Außenangebot bereitgestellt respektive der Betrieb innerhalb der eigenen Räume nicht an die Corona-Auflagen angepasst werden könne. Franziska Schwinge, Sprecherin der Grünen Jugend Gelsenkirchen, sieht darin eine zweifache Chance: „Dadurch gewinnen wir mehr Lebensqualität während der Corona-Auflagen und sammeln Erfahrungen, was wir in Zukunft für die Ausgehkultur umsetzen wollen."
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