Gelsenkirchen. Gülay Acar, Leiterin der Gelsenkirchener EUTB, hat eine Behinderung. Im März verbrachte sie in einem Essener Krankenhaus schlimme Stunden.
Die Ereignisse vom 20. März holen sie immer wieder ein. „Ich wache nachts beim Schlafen oft auf und denke, dass ich in diesem Raum bin“, sagt Gülay Acar (49), Leiterin der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) in Gelsenkirchen. Acar, die eine Tetraspastik hat, wirft dem Philippusstift-Krankenhaus in Essen vor, auf ihre eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten keine Rücksicht genommen zu haben.
Denn aufgrund ihrer Beeinträchtigung - sie kann weder Arme noch Beine kontrolliert bewegen - ist sie auf den Rollstuhl und eine Assistentin angewiesen, die sie 24 Stunden begleitet.
Leiterin der Gelsenkirchener EUTB muss sich schlimme Sätze anhören
„Ab der Ankunft am Krankenhaus waren meine Assistentin und ich getrennt, weil die Krankenhausleitung aufgrund der Corona-Vorschriften keine Sonderregelung akzeptierte“, berichtet Acar, die einige Tage zuvor beruflichen Kontakt zu einem positiv auf das Coronavirus getesteten Klienten hatte: „Ich dachte, dass es nur eine Erkältung war. Mein Hausarzt hat mir geraten, mich ans Gesundheitsamt Essen zu wenden. Das hat wiederum angeordnet, dass mich ein Krankenwagen ins Krankenhaus bringt.“ Dort begannen für die Essenerin, jene Stunden, die sie heute als „schrecklich“ bezeichnet. Zuvor hatte sie dem Gesundheitsamt deutlich gemacht, ihre Assistentin unbedingt zu benötigen.
Bei der Untersuchung habe sich Acar Sätze wie „Stellen sie sich nicht so an“ oder „Machen sie sich nicht extra schwer“ anhören müssen. „Wenn ich nicht richtig sitze oder liege, dann wird die Spastik noch schlimmer. Und die unkontrollierten Bewegungen nehmen zu, wenn ich aufgeregt bin“, erklärt sie. Der Arzt sei mit ihr überfordert gewesen. Dieser habe auch den Krankenschwestern zugerufen, ihn nicht mit der Frau alleine zu lassen.
Nach fünf Stunden verlässt Acar das Krankenhaus
Nach der Untersuchung sei die Odyssee für sie weitergegangen, sagt Acar: „Ich war alleine in diesem Raum und habe anderthalb Stunden von niemandem etwas gehört. Mir war kalt, aber ich konnte nicht den Notfallknopf drücken, was ich vorher dem Personal auch gesagt hatte.“ Auch auf ihre wiederholten Rufe habe es keine Reaktion gegeben.
Irgendwann sei der Arzt gekommen und habe gefragt, ob sie nach Hause wolle. Ohne ihre Assistentin sei das nicht möglich, antwortete Acar: „Meine Schwester hat den Rücktransport organisiert. Ohne sie wäre ich noch länger dort gewesen.“ Gegen 22 Uhr, nach fünf Stunden im Krankenhaus, seien die Sanitäter gekommen, um sie nach Hause zu bringen: „Zu allem Überfluss haben sie meinen Rollstuhl vergessen. Aber wenigstens haben sie ihn dann nachgebracht.“ Am Folgetag erhielt Acar das Ergebnis: Der Corona-Test war negativ.
Krankenhaus arbeitet an Stellungnahme
Ihre Schwester war es auch, die einige Tage danach im Krankenhaus angerufen habe, um auf den Umgang mit Acar aufmerksam zu machen. „Da sagte man nur: Kein Kommentar“, erzählt Acar. Auf Nachfrage dieser Redaktion beim Beschwerdemanagement des Philippusstift hieß es, dass man aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft über die Patientin machen dürfe. Eine Stellungnahme sei aber bereits angefordert und man werde sich mit der Frau in Verbindung setzen, um den Sachverhalt aufzuklären.
„Ich möchte, dass es anderen Leuten mit einer Behinderung nicht auch so ergeht“, schildert sie die Beweggründe, mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen. Wenn sie an diese Stunden denkt, sei sie sehr traurig. Deshalb wolle sie eine Trauma-Therapie machen, wenn sich die Lage nach Corona wieder entspannt hat.
>>>Info: Diskussionen auf Internetportalen
Von Fällen anderer, denen es bei einem Krankenhausaufenthalt ähnlich erging, weiß Gülay Acar nicht.
Über verschiedene Portale im Internet diskutiert die Leiterin der Gelsenkirchener EUTB aber mit behinderten Menschen über solche Vorfälle.