Gelsenkirchen-Neustadt. . Eine unabhängige Beratungsstelle für Menschen mit Einschränkungen am Wiehagen in Gelsenkirchen berät auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben.

Der Name klingt nach bürokratischer Umständlichkeit, mit ihre Beratungsarbeit wollen die Mitarbeiter der EUTB (Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung) jedoch genau das Gegenteil bewirken. Hinter dem monströsen Namen – vom Gesetzgeber vorgegeben – steht ein niederschwelliges, kostenloses Angebot für Menschen mit Behinderungen oder chronischen Einschränkungen sowie deren Angehörigen.

Dass die Berater genau wissen, wovon sie sprechen, dafür steht schon die Auswahl der Berater. Es sind bewusst Betroffene, die selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht haben und wissen, wie groß der Antragsberg und der Beratungsbedarf sein kann. Das gilt für den Sozialpädagogen Jannis Wicker ebenso wie für die Projektleiterin, die Diplom-Psychologin Gülay Acar (48). Sie braucht schon ihr Leben lang Unterstützung, ist auf den Rollstuhl und Assistenz angewiesen.

Beratung ist kostenlos und unabhängig

Günter Gajeski, stellvertretender Vorsitzender der Behindertenverbände Gelsenkirchens, Annette Schlatholt, Geschäftsführerin LAG Selbsthilfe NRW, EUTB-Berater Jannis Wicker und die Projektleiterin Gülay Acar (v.l.) vor dem neuen Beratungsbüro in der Neustadt.
Günter Gajeski, stellvertretender Vorsitzender der Behindertenverbände Gelsenkirchens, Annette Schlatholt, Geschäftsführerin LAG Selbsthilfe NRW, EUTB-Berater Jannis Wicker und die Projektleiterin Gülay Acar (v.l.) vor dem neuen Beratungsbüro in der Neustadt. © Olaf Ziegler

„Wir sind nur den Ratsuchenden verpflichtet, keinem Leistungsgeber, sind völlig unabhängig. Unsere Beratung ist kostenlos und wir haben kein Zeitlimit“, erklärt Gülay Acar die Besonderheiten dieser neuen Einrichtung, die am Wiehagen 8 ihren Sitz hat. Kein Zufall übrigens, man will nah dran sein an jenen, die sich sonst nicht in Beratungsstellen wagen. Gülay Acar spricht lupenreines Deutsch, aber auch Türkisch, so dass in den meisten Fällen auch keine Sprachbarriere auftreten dürfte.

Im Juli/August begannen die beiden hauptamtlichen Mitarbeiter, ihre Arbeit aufzubauen, jetzt kann es losgehen. Täglich montags bis freitags von 10 bis 15 Uhr stehen sie in der Beratungsstelle zur Verfügung. Vernetzung mit Selbsthilfegruppen und Zusammenarbeit mit städtischen Anlaufstellen sind trotz Unabhängigkeit selbstverständlich. In der EUTB gibt es Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen, Informationen zu Fristen („wer kennt die schon alle“) und vieles mehr. Das erklärte Ziel: Mittel und Wege zeigen, ein selbstbestimmtes Leben trotz Einschränkungen zu führen. Wenn es nicht anders geht, sind auch Hausbesuche möglich.

Meist durch Krankheit oder Unfall

„Es geht auch darum, den Menschen zu helfen, wenn sie vor der Situation stehen, ihren Alltag zu gestalten mit einem kranken Kind oder eigenen Krankheiten oder Behinderungen durch einen Unfall“, erklärt Annette Schlatholt, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Selbsthilfe NRW. Sehr häufig sei es heute so, dass Einschränkungen sich langsam aus chronischen Krankheiten entwickeln und verschlimmern. Daher seien auch Menschen bei der Beratung willkommen, die sich schon frühzeitig informieren möchten, welche Möglichkeiten der Unterstützung es für sie oder ihre Angehörigen geben wird.

Landes-Projekt läuft bis mindestens Ende 2020

Die EUTB wird aus Landes-Projektmitteln finanziert, befristet bis Ende 2020. Starthilfe für die Ausstattung sieht die Förderung nicht vor. Entsprechend gab es Lob für den „Pioniergeist“ des Duos. Bald soll es noch eine dritte Kraft im Team geben. Gülay Acar bedankte sich vor allem bei Wolfgang Reckert (Ex-Seniorenbeauftragter) für die engagierte Starthilfe: „Er war mein Engel in der Not.“