Wieder gibt’s zum Wochenende kulturelle Alternativen für „draußen“. Kira Schmidt führt diesmal zu populären Bauten des Backstein-Expressionismus.

Es ist nur wenige Monate her, da überlegte man, an der Schwelle zu einem neuen Jahrzehnt, was dieses wohl mit sich bringen würde und ob es ähnliche Umbrüche sein würden, wie in vielerlei Hinsicht in den 1920er Jahren – gesellschaftlich, kulturell, wirtschaftlich. Der Stadtnorden trägt Spuren dieser Zeit. Etwa in einigen populären Bauwerken, die dem Stil des Backstein-Expressionismus zuzuordnen sind.

Die buersche Post

Die buersche Post wurde 1927/28 erbaut.
Die buersche Post wurde 1927/28 erbaut. © Funke Foto Services GmbH | Olaf Ziegler

Gerade macht sie wieder Schlagzeilen, weil ihre Zukunft ungeklärt ist: die buersche Post. Sie wird 1927/28 erbaut als Hauptpost. Jene ist ein klar gegliederter Rasterbau und gleichsam ein Prunkbau der durch seine Größe, seine Präsenz beeindruckt – bis heute. Ausgezeichnet wird das Bauwerk im unteren Bereich durch die geradlinig und seriell in Zierformen vermauerten Steine, darüber durch dezente zierende Elemente um die Fenster herum und Andeutungen von Säulen über dem Haupteingang, durch die beiden vorgesetzten Treppenhaustürme mit ihren senkrechten kleinen Fenstern und ein charakteristisches Dachgesims. Alls dies macht das Gebäude zu einem Prunkstück, das seit 1993 unter Denkmalschutz steht.

Die ehemalige Reichsbank

Die ehemalige Reichsbank, Goldbergstraße 14, diente bis 1978 der Landeszentralbank. Besonders markant: gotische Spitzbögen und die Frauenfigur (Hertha) im oberen Giebelfeld, eine Keramikarbeit des Bildhauers Josef Thorak
Die ehemalige Reichsbank, Goldbergstraße 14, diente bis 1978 der Landeszentralbank. Besonders markant: gotische Spitzbögen und die Frauenfigur (Hertha) im oberen Giebelfeld, eine Keramikarbeit des Bildhauers Josef Thorak © WAZ

Das Gebäude kennt wohl jeder, seine einstige Funktion mitunter nur wenige: Gleich neben dem buerschen Rathaus steht die ehemalige Reichsbank. Es beherbergte mal ein Brauhaus mit dem Namen der Zechengesellschaft Hibernia. 1926/27 wird die Reichsbankfiliale erbaut für die damals noch selbstständige Stadt Buer. Besonders markant sind die gotischen Spitzbögen, die eine Art Laube umschließen, unter der es sich prima sitzen und verweilen lässt. Typisch ist auch die Geometrie, die etwa die Fenster auf der Stirnseite aufweisen. Zwar sind sie auf jeder Ebene nicht gleich groß, aber sichtbar genau berechnet – ein großes wird rechts und links von zwei halb so großen eingefasst. Besonderen Eindruck macht die Fassade vor Kopf auch in anderer Hinsicht: Sie suggeriert nicht vorhandene Größe, ist imposant angelehnt an einen deutlich kleineren Dachgiebel. Das Gebäude steht seit 1986 unter Denkmalschutz.

St. Elisabeth Krankenhaus

St. Elisabeth in Erle: Über dem Haupteingang des Gebäudes von 1902 wurde 1925 die Kapelle errichtet.
St. Elisabeth in Erle: Über dem Haupteingang des Gebäudes von 1902 wurde 1925 die Kapelle errichtet. © FFS | Martin Möller

Das Krankenhaus selbst wird bereits 1902 gebaut – seine markante Fassade jedoch erhält es später. Der Architekt Hubert Kötting baut 1925 über dem Haupteingang eine Kapelle an. Mit ihrer „gefalteten“ Schauwand sei die ein charakteristisches Beispiel für Backstein-Expressionismus, urteilt der einstige Stadtplaner Dr. Lutz Heidemann, der ein ganzes Heftchen in der Reihe „Stadtprofile“ zum Backstein-Expressionismus in der Stadt gestaltet hat. Das lesenswerte Kurzwerk gibt es gedruckt und online zum Download – eine Zusammenstellung, die auch geeignet ist, eine Radroute daraus zu entwickeln.

Die buersche Markthalle

Die Markthalle Buer am Springemarkt. Der Umbau läuft, als erster neuer Mieter wird ein Biomarkt einziehen.
Die Markthalle Buer am Springemarkt. Der Umbau läuft, als erster neuer Mieter wird ein Biomarkt einziehen. © Hans Blossey

Vorab: Die Markthalle ist natürlich nicht in den 1920er Jahren erbaut. Aber sie ist eine gewisse Reminiszenz des Architekten Michael Becker an die Architektur der 1920er Jahre, sie vereint sogar einstmals konträre Ansichten indem sie auf den Backstein-Charme ebenso setzt wie auf klare Formen, auf industriellen Charakter, auf von Licht durchflutete Räume und auf Glas-Stahl-Konstruktionen – zumindest in ihrem Ursprung. Wohl gerade wegen solch vertrauter architektonischer Mittel haben sie die Bueraner so rasch angenommen.

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