Buer. Schüsse bei SEK-Einsatz in Gelsenkirchen: Bei einer Wohnungsdurchsuchung ist am Mittwoch ein Polizist getötet worden. Es gab eine Festnahme.
- Ein SEK-Beamter wurde getötet, als bei einer Wohnungsdurchsuchung in Gelsenkirchen Schüsse fielen.
- Es ist der erste im Dienst durch eine Gewalttat getötete SEK-Beamte in NRW.
- Die Polizei fand in der Wohnung Drogen, Bargeld und viele Waffen.
- Der mutmaßliche Täter sitzt wegen Mordes in U-Haft.
Tödlich endete für einen Beamten der Spezialeinsatzkräfte (SEK) eine Ermittlung im Gelsenkirchener Drogenmilieu. Bei dem SEK-Einsatz am Mittwoch (29. April) ist es zu einem Schusswechsel gekommen. Eine Kugel traf einen 28-jährigen Polizisten des SEK Münster, er verstarb kurz darauf im Krankenhaus.
Es sei der erste Elite-Polizist in NRW, der seit Gründung der Spezialeinheiten 1974 im Einsatz getötet wurde. Das teilte das Innenministerium mit. Seit 2008 gab es laut Ministerium bei der gesamten NRW-Polizei fünf weitere Beamte, die im Dienst gestorben sind. In keinem Fall war es jedoch eine Gewalttat.
Polizei Gelsenkirchen rief SEK zu Wohnungsdurchsuchung
Die Polizei wollte um 6 Uhr die Wohnung eines Mannes (29) in der Augustin-Wibbelt-Straße in Buer durchsuchen. Der Gelsenkirchener steht im Verdacht, in Drogengeschäfte verwickelt zu sein. „Weil die Polizei Informationen hatte, dass der Beschuldigte möglicherweise Schusswaffen besitzt, wurde das SEK hinzugezogen“, erklärte Polizeisprecher Christopher Grauwinkel.
Beim Versuch der Beamten, in die Wohnung des Gelsenkircheners einzudringen, fielen laut Polizei dann die tödlichen Schüsse. Der mutmaßliche Rauschgifthändler soll der Gewerkschaft der Polizei zufolge durch die geöffnete Tür das Feuer auf die Beamten eröffnet haben, die das Feuer erwiderten.
„Es fielen mindestens zwei Schüsse“, sagte der Pressesprecher der Gelsenkirchener Polizei, Christopher Grauwinkel, dazu. Trotz Schutzweste und Helm wurde der 28-jährige Beamte schwer verletzt. Ein Rettungswagen brachte ihn in ein nahes Krankenhaus, doch eine Stunde später sei er dort seinen Verletzungen erlegen.
Polizei fand Drogen, Geld und Waffen
Der mutmaßliche Täter selbst, bis dato bei der Polizei ein unbeschriebenes Blatt, blieb unverletzt. Er ließ sich nach Behördenangaben nach dem Gefecht „widerstandslos festnehmen“. Am Freitagmittag wurde er auf Antrag der Staatsanwaltschaft Essen einem Haftrichter vorgeführt. Der Richter ordnete Untersuchungshaft wegen Mordes an.
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Die Ermittler sind bei der Durchsuchung der Wohnung fündig geworden: Marihuana im Wert von etwa 1000 Euro, weitere Betäubungsmittel wie Kokain in geringeren Mengen, eine größere Menge Bargeld, ein offensichtlich scharfer Revolver, mehrere Luftgewehre und Messer, eine Paintball-Handgranate und selbstgebaute pyrotechnische Gegenstände wurden der Polizei nach sichergestellt.
SEK-Einsatz in gutbürgerlichem Viertel von Gelsenkirchen-Buer
Der SEK-Einsatz und die Schüsse am frühen Morgen haben im gutbürgerlichen Quartier für Fassungslosigkeit und Entsetzen gesorgt. Das Haus ist ein brauner Klinkerbau mit drei Appartements. Oben unter dem Dach wohnt der 29-Jährige, mit ihm ein kleiner schwarzer Hund, der am Mittwoch ob der Polizei- und Medienpräsenz zwischendurch jaulend aus dem Fenster lugte.
Der Vorgarten ist penibel gepflegt und fügt sich optisch nahtlos an die der umstehenden Ein- und Mehrfamilienhäuser ein.
Nachbarin Nicole Berwinkel, die mit ihrem Husky spazieren geht, sagt über den Festgenommenen: „Ich kenne ihn seit nunmehr fünf Jahren. Ein witziger Typ, vielleicht ein bisschen durchgeknallt im positiven Sinne, aber dafür immer sehr hilfsbereit.“ Ihr Peugeot, der vor dem Haus des Verdächtigen parkt, habe öfter Probleme gemacht. „Wenn der Anlasser mal wieder streikte“, so die 46-Jährige, habe er immer geholfen, sogar ihren Wagen angeschoben.
Dass der 29-Jährige in kriminelle Machenschaften mit Drogen verwickelt sein könnte, daran hätte sie nie im Traum gedacht. „Höchstens, dass er mal eine Tüte Gras raucht.“
29-Jähriger nie negativ aufgefallen
Siegfried Stapel wohnt „seit knapp 30 Jahren fast Tür an Tür“ mit dem Beschuldigten. Der 66-Jährige schildert seinen Nachbarn als freundlichen, alleinstehenden jungen Mann, „der Spaß an Reparatur und Umbau von Autos hatte“. Auch an seinem. Stapel zeigt auf einen getunten, bronzefarbenen SEAT Ibiza an der Garageneinfahrt – dicke Schweller, Sportauspuff, fehlende Frontschürze. Des Öfteren seien junge Leute zu Besuch bei seinem Nachbarn gewesen, normal, Polizei habe er dort bislang nie gesehen.
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Ein anderer Nachbar, so um die 30, der lieber anonym bleiben möchte, berichtet, dass ihn der Polizeieinsatz aus seiner Arbeit im Homeoffice gerissen hat. Er habe sich verwundert die Augen gerieben. „Denn hier passiert nichts, hier sagen sich höchsten Hase und Fuchs gute Nacht.“
Die Mordkommission Krefeld hat aus Neutralitätsgründen die weiteren Ermittlungen übernommen. Angehörige und Einsatzkräfte werden psychologisch betreut.
Innenminister Reul und OB Baranowski zeigen sich erschüttert
Innenminister Herbert Reul (CDU) hat den tödlichen Schuss auf einen SEK-Beamten in Gelsenkirchen als schwarzen Tag für die nordrhein-westfälische Polizei bezeichnet. „Wir sind in Gedanken bei der Familie des Verstorbenen, seiner Lebensgefährtin und seinen Freunden“, sagte Reul am Mittwoch. „Der Tod dieses jungen Mannes führt uns schmerzhaft vor Augen, welches Risiko die Polizistinnen und Polizisten in unserem Land jeden Tag eingehen, um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen“, sagte der Minister weiter. „Ihr Beruf ist lebensgefährlich, das wissen wir. Umso erschreckender und gnadenloser trifft uns der Tod dieses Kollegen. Heute stehen alle Beschäftigten der Polizei Nordrhein-Westfalens in Trauer vereint als Polizeifamilie zusammen.“
„Ich bin erschüttert über den Tod des Polizeibeamten“, sagte Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski. „Das Leben eines jungen Menschen wurde ausgelöscht, der nichts anderes tat, als seiner Pflicht zu folgen. Unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen. Es ist schwer zu begreifen, dass jemand morgens das Haus verlässt, um seiner Arbeit nachzugehen, und dann nie mehr zurückkehren wird.“
NRW-Polizei: "Wir sind unendlich traurig"
Die nordrhein-westfälische Polizei reagierte ebenso betroffen auf den Verlust des noch jungen Kollegen. Viele Dienststellen brachten ihre Bestürzung in den sozialen Medien zum Ausdruck. „Wir sind unendlich traurig“, hieß es da. Oder: „Wir trauern mit den Angehörigen.“ Die Profilbilder der Polizei bei Facebook und Twitter trugen als Ausdruck der Anteilnahme schwarze Trauerflor-Balken.
Der Inspekteur der Polizei Nordrhein-Westfalen Michael Schemke hat anlässlich des Todes des Beamten für alle Streifenwagen des Landes Trauerflor angeordnet.