Gelsenkirchen. Gehörlose können wegen der Maskenpflicht nicht mehr von den Lippen ablesen. Gelsenkirchener berichtet von Corona-Problemen und speziellen Masken.

Diese Coronazeiten sind eine Herausforderung: Abstand halten und Mundschutz tragen ist jetzt sogar Pflicht. Zum Beispiel in Geschäften und Arztpraxen. Was für alle Bürger schon mühsam genug ist, bedeutet für Gehörlose und Hörgeschädigte eine Katastrophe. Denn durch die Masken, die alle tragen müssen, können sie nicht mehr von den Lippen ablesen. Sie sind von jeder Kommunikation abgeschnitten.

Ein Segen, dass ganz spezielle Masken mit einem Plexiglasmundstück vor wenigen Tagen bei Klaus-Dieter Seiffert eingetroffen sind. Seit 2007 haben die Gehörlosen zwar eine eigene Sprache, die Gebärdensprache. „Aber die meisten lesen nach wie vor bei ihrem Gegenüber von den Lippen ab. Was natürlich nicht geht, wenn jeder eine Maske trägt. Die stehen jetzt völlig auf dem Schlauch“, sagt Seiffert. Das Leben ist seit dem Ausbruch von Corona für Menschen mit dieser Behinderung extrem schwierig.

Seiffert leistet praktische Alltagshilfe

Ärzte tragen natürlich eine Maske, das Personal im Krankenhaus genauso. Eine Kommunikation ist somit überhaupt nicht mehr möglich. Seiffert arbeitet ehrenamtlich und ist mit seinem Beratungsangebot und seiner Hilfe in diesen Zeiten unerlässlich. „Ich bin kein Dolmetscher für Gebärdensprache, aber ich kann die Sprache verstehen“, sagt der 59-Jährige, der selbst von Schwerhörigkeit betroffen ist.

Seine Arbeit ist wertvoller denn je, die Hilfe wird vielfach in Anspruch genommen: Wenn ein Taxi gerufen werden muss, damit jemand zum Krankenhaus gefahren werden kann, wenn jemand Husten hat, ein Abstrich notwendig ist und das medizinischem Personal erklärt werden muss. Zurzeit – wie sonst auch – läuft natürlich viel Kommunikation über Whatsapp oder SMS.

Viele Gehörlose haben Probleme mit Schriftsprache

Gefragt ist Klaus-Dieter Seiffert auch bei Anträgen, die gestellt oder bei Formularen von Behörden, die ausgefüllt werden müssen. Um all' die Hürden zusammen zu überwinden, helfen diese speziellen Masken jetzt enorm. „Eine Schwierigkeit ist außerdem, dass die meisten Gehörlosen die Anforderungen in Behördenformularen nicht verstehen, weil sie mit der Schriftsprache nicht klar kommen“, schildert Seiffert die Probleme.

Was für nicht behinderte Menschen schon eine Herausforderung ist, wird für Gehörlose oder Hörgeschädigte zur Mauer, die nicht überwunden werden kann, weil ihre Kommunikation und das Denken anders laufen. „Wenn jetzt Anträge vom Jobcenter oder vom Arbeitsamt kommen, bringen sie die mit zu mir und zusammen füllen wir die Formulare aus“, sagt Seiffert.

Betroffene leiden zusätzlich unter Isolation

Wie schwierig das Leben für Gehörlose geworden ist, könne man sich kaum vorstellen. „Diese Behinderung ist unsichtbar und das ist das Tückische daran. Darum wird auch für diese Gruppe weniger getan als für Menschen im Rollstuhl oder mit einer Gehbehinderung. Denn die kann man sehen und weiß, dass man helfen muss.“ Unterstützt wird der 59-Jährige bei seiner Arbeit von einem Pflegedienst, der auf die speziellen Anforderungen der Gehörlosen eingestellt ist.

Besonders hart sei, dass seine Klienten in Coronazeiten nicht nur von jeglicher Kommunikation abgeschnitten sind, sondern durch die Kontaktsperre auch monatelang sozial isoliert bleiben. „Der Stammtisch, den die Gehörlosen einmal im Monat haben, bei dem sie sich über alles austauschen können, fällt jetzt weg.“ Viele von ihnen leben alleine und für sie sei diese Zeit wirklich eine Qual.

>>> Hilfen für Gehörlose

In Gelsenkirchen gibt es etwa 300 Gehörlose und 42.000 Schwerhörige. Sie können nicht mit Arztpraxen und Behörden telefonieren und keine Videobotschaften anhören, um an Informationen zu kommen.

Hilfe für Gehörlose und Hörgeschädigte bietet Inklusionsaktivist Klaus-Dieter Seiffert (59) an, der ehrenamtlich arbeitet. Beratungen finden montags bis freitags von 14 bis 17 Uhr im barrierearmen und zentral gelegenen Vereinsheim des Anno 1904 e.V., Kurt-Schumacher 112 in Schalke-Nord (Haltestelle Schalker Meile) statt. Auch über das Telefon ist Seiffert zu erreichen, Tel. 0172/1596584.