Gelsenkirchen. Heiner Montanus rät, einen Teil der Traditionen beizubehalten, auch wenn die Familienfeier ausfällt. “Die biblische Botschaft fällt nicht aus.“
Keine Gottesdienste, keine Osterfeuer, keine Familienbesuche: Fällt Ostern wegen des Coronavirus aus? Was das Kontaktverbot für die Feier des höchsten christlichen Fests bedeutet, wie (nicht nur) Gläubige es trotzdem begehen können, darüber sprach Redakteurin Christiane Rautenberg mit Heiner Montanus, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid. Jesu Auferstehung (nur) mit räumlichem Abstand zu feiern, begreift er durchaus als Herausforderung - und erkennt doch auch Chancen für die Weiterentwicklung des Gemeindelebens.
Ist es so: Fällt Ostern dieses Jahr aus?
Heiner Montanus: In der Tat wirkt Ostern völlig fremd, weil Gottesdienste und Verwandtenbesuche nicht möglich sind. Aber die biblische Botschaft von der Auferstehung Jesu, die fällt nicht aus. Beim nochmaligen Lesen der Geschichte ist mir aufgefallen, dass die Jünger in der gleichen Situation waren wie wir in der Coronakrise: Sie haben sich eingeschlossen aus Angst vor dem Tod. In ihrem Fall durch Verfolgung, in unserem durch das Virus. Und dann stand Jesus plötzlich in ihrer Mitte, nahm ihnen die Angst. Dieses Wunder galt vor 2000 Jahren so wie heute.
Gelsenkirchener Gemeinden gehen neue Wege
Aber eigentlich ist Ostern als Fest doch auf Gemeinschaft angelegt...
Stimmt. Das Ostererlebnis ist ein Ur-Ereignis der Kirche. Den Menschen wurde klar, dass mit der Kreuzigung Jesu nicht alles vorbei war, also haben sie sich zusammengetan, um diese Botschaft wachzuhalten und zu verbreiten.
Und inwiefern hat trotzdem jeder Einzelne einen Grund, Ostern zu feiern - auf Abstand zu anderen?
Der Glaube, dass nach Jesus wir alle auferstehen werden, betrifft ja jeden. Das hat Folgen für das Leben aller, auch wenn sie nicht fromm sind. In dem sozialen Verhalten von Krankenpflegern und Ärzten in der Coronakrise etwa spiegelt sich praktisch die Ostergeschichte: Sie kämpfen für das Leben. Insofern ist jeder Pfleger ein Bote für Ostern, da er im Angesicht des Todes das Leben repräsentiert.
Oster-Predigten an der Wäscheleine zum Pflücken
Welchen Beitrag können die Gemeinden vor Ort denn leisten, die Menschen mit dieser Oster-Botschaft in Kontakt zu bringen?
Unsere Kollegen sind ja schon seit 14 Tagen dabei, neue, auch digitale Formen der Seelsorge zu entwickeln. Um Ostern herum verdichtet sich das nur, weil es eben ein besonderer emotionaler Höhepunkt ist. Viele Gemeinden stellen etwa Videos mit Andachten und religiösen Impulsen auf ihre Homepages, und unsere Kirchenmusik bietet täglich auf der Website des Kirchenkreises Musik zum Hören und Sehen zum Herunterladen von Akteuren aus der Region. Dabei bemühen wir uns ganz bewusst, auch diejenigen zu erreichen, die nicht so erfahren sind mit der digitalen Technik: mit Briefen, die eingeworfen oder verschickt werden, großen Text-Bannern, die vor Kirchen befestigt werden und Mut machen sollen. Pfarrer Michael Schönberg von der Evangelischen Gemeinde in Heßler hängt ganz analog seine Osterpredigt und kurze Andachten auf Papier an eine Wäscheleine an der Melanchthonstraße 3. Da kann jeder sich bedienen. Und unsere Kirchen beteiligen sich am ökumenischen Oster-Läuten an Ostersonntag, 9.30 Uhr. Das ist ein tolles, in der ganzen Stadt hörbares Zeichen, dass wir zusammenhalten gegen das Virus. Schon seit Wochen läuten wir zudem abends um 19 Uhr die Kirchenglocken, regen dazu an, eine Kerze anzuzünden und das Lied "Der Mond ist aufgegangen" zu singen. Uns ist es wichtig, neben dem Singen des Steigerlieds auch einen eigenen Akzent zu setzen: Dass Gott uns behüten möge, Nachbarn und Kranke extra genannt und eingebunden werden.
Montanus behält so viele Oster-Traditionen bei wie möglich
Was raten Sie: Wie können die Menschen Ostern so feiern, dass das Fest nicht untergeht?
Meine Frau und ich haben uns überlegt, so viele Oster-Traditionen beizubehalten wie möglich. Ich werde Eier färben und backen, das mache ich immer. An Ostersonntag gibt's dann ein besonderes, etwas üppigeres Osterfrühstück. Um 9.30 Uhr will ich dann im ZDF den evangelischen Gottesdienst schauen, bei dem unsere Präses Annette Kurschus predigt. Um 10.15 Uhr öffnen wir unsere Fenster: Unser Kirchenkreis beteiligt sich an einer Überraschung, die in Gelsenkirchen, Buer und Wattenscheid zu hören sein wird. Dann machen wir einen Spaziergang. Die große Runde mit unseren drei Töchtern, drei Söhnen sowie dem gerade geborenen Enkelkind, die uns eigentlich hätten besuchen sollen, ist ja leider abgesagt. Geplant ist auch noch ein Besuch auf der Homepage der Evangelischen Christus-Kirchengemeinde Buer, auf der ein Video eingestellt wird, das mit Handpuppen die Ostergeschichte nacherzählt. Nicht zuletzt: Wir werden viel mit Kindern, Eltern und Freunden telefonieren. Das ist wichtig: Sie sollen spüren, dass sie nicht vergessen sind.
So dramatisch die Situation jetzt ist: Kann die Kirche etwas daraus mitnehmen für die Zeit nach Corona?
Unbedingt! Wir beschreiten derzeit Wege, die uns nicht vertraut sind, erfinden uns in gewisser Weise neu, etwa was Seelsorge mit Hilfe digitaler Medien angeht. Dabei erreichen wir auch Leute, die sonntags nicht in die Kirche kommen. Diesen Weg sollten wir beibehalten. Wir Christen sind schließlich nicht nur für die traditionellen Gottesdienstbesucher da, sondern für die gesamte Stadt und die Welt.