Gelsenkirchen. Hochzeiten und Bestattungen im großen Kreis sind derzeit tabu. Was rund um diese wesentlichsten Lebensereignisse in Gelsenkirchen (noch) geht.
Heiraten in Zeiten des Coronavirus: Das ist kein reines Vergnügen, jedenfalls nicht für Menschen mit großem Freundes- und Familienkreis. Denn auch in Gelsenkirchen gilt: Trauungen dürfen zwar stattfinden im Schloss Horst, aber auf keinen Fall mit mehr als zehn Teilnehmern -- inklusive Brautpaar. Die Freunde dürfen gar nicht erst ins Schloss und Feiermöglichkeiten im großen Kreis außerhalb privater Wände darf es nicht mehr geben. "Es gibt aber die Möglichkeit, Trauungen zu verschieben, auf einen Termin bis zu sechs Monate nach der Anmeldung. Davon haben auch schon viele Paare bei uns Gebrauch gemacht", versichert Stadtsprecher Martin Schulmann.
Stadt vergibt jetzt keine neuen Termine für Trauungen
Derzeit werden auch gar keine neuen Termine für Eheschließungen seitens der Stadt vergeben. Und das vor den traditionell stärksten Heiratsmonaten des Jahres, April und Mai. "Wir haben im Schnitt etwa 200 Trauungen in Gelsenkirchen im Monat, nur im Januar sind es weniger. Jetzt beginnt tatsächlich eigentlich die Hoch-Zeit für Brautpaare", so Schulmann. Für Hochzeiten zu Sonderterminen wie in der Schalke-Arena gibt es derzeit noch keine Absprachen.
Auch in Zeiten höchstmöglichen Infektionsschutzes: Die Anmeldung des Neugeborenen ist zwar auch via Fax oder über das Krankenhaus möglich, nicht aber die Aushändigung der Geburtsurkunde. Dafür gibt es eigentlich keine zwingenden Fristen, binnen denen das zu geschehen hat, aber: "Kindergeld wird nur gezahlt gegen Vorlage der Geburtsurkunde. Deshalb ist es natürlich im Interesse der Eltern, ihren Nachwuchs schnell anzumelden", erklärt Schulmann das Problem.
Urnenbeisetzungen könnten verschoben werden
Sterbefälle müssen binnen drei Tagen beim Standesamt gemeldet werden, in der Regel übernehmen dies die Bestatter. Ein NRW-Gesetz regelt Fristen, innerhalb denen Verstorbene beizusetzen sind. Erdbestattungen oder Einäscherungen müssen innerhalb von zehn Tagen durchgeführt werden. Die Totenasche ist innerhalb von sechs Wochen beizusetzen. Die Fristen können theoretisch zwar "im öffentlichen Interesse" verlängert werden, das steht derzeit jedoch noch nicht an. Bei Urnenbeisetzungen haben Hinterbliebene für die Bestattung drei Monate Zeit. Für Beerdigungen aller Art gilt jedoch ebenfalls: sie müssen im kleinen Kreis durchgeführt werden.
Auf Distanz zu gehen, wenn (körperliche) Nähe gefragt, ja, notwendig ist: Diese Gratwanderung müssen Seelsorger in Zeiten von Corona vollbringen. "Besonders schwierig ist das im Trauerfall", so Heiner Montanus, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid. Trauergespräche nicht persönlich, sondern am Telefon zu führen, Trost zu spenden ohne Händedruck, Umarmung oder mitfühlende Blicke: Das sei auch für Pfarrer eine Herausforderung. Trotzdem: die aktuellen Hinweise des Westfälischen Landeskirchenamts zum Umgang mit dem Coronavirus hält er für ein "falsches Signal".
Landeskirche verhandelt über Sondergenehmigung für Trauerfeiern
In dem Schreiben vom 17. März spricht sich Bielefeld im Falle von Trauergottesdiensten für eine Ausnahme von dem Verbot öffentlicher Veranstaltungen aus, das auch für religiöse Gemeinschaften gilt. So verhandele die Evangelische Kirche von Westfalen derzeit mit dem Land über eine Sondergenehmigung, die Trauergottesdienste in Kirchen unter Einhaltung des Infektionsschutzes ermöglichen soll. Bis diese Einigung vorliegt, solle die Gemeinde "eingespielte politische Kommunikationskanäle" nutzen und zur Not Rechtsmittel einlegen.
"Diese Position hat mich sehr irritiert. Es ist an der Zeit, nicht nur danach zu fragen, was gut für die Trauernden ist, so hart das auch ist. Wir tragen auch Verantwortung für die Menschen, die zu einer Beerdigung kommen, darunter viele Senioren." Zwar seien die Presbyterien der einzelnen Gemeinden autonom darin, ob sie der Empfehlung der Landeskirche folgen oder nicht. "Von mir bekommen sie aber eine deutliche Absage."
Begleitung der Trauernden, aber bitte mit ausreichendem Abstand
Die Pfarrer sollten auf Trauergottesdienste in Kirchen verzichten. "Wir begleiten die Angehörigen von der Trauerhalle zum Grab, weisen aber auf ausreichenden Abstand hin." Eine längere Ansprache hielten die Pfarrer wegen fehlender Sitzgelegenheiten im Freien bewusst nicht. Auch katholische Seelsorger verzichten auf einen Gottesdienst in den Kirchen. "Am Grab geben wir einen Impuls, es gibt Gesang, Vaterunser und alles, was dort dazugehört", so Stadtdechant Markus Pottbäcker, Propst in St. Augustinus und St. Urbanus.
Besonders schwer fällt es Pfarrer Stefan Iwanczik von der Trinitatis-Kirchengemeinde Buer, "darauf zu drängen, dass nur zehn Angehörige an der Bestattung teilnehmen dürfen. Das ist irgendwie unwürdig, aber derzeit nicht anders möglich."
Das Angebot, Urnenbestattungen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und sich dann in größerer Runde von dem Verstorbenen zu verabschieden, nehmen einige Hinterbliebene wahr. "So mancher möchte die Bestattung aber hinter sich bringen. Trauer kann man nicht aufschieben", sagt Montanus.
Taufen und Trauungen in der Kirche werden von fast allen verschoben
Was Taufen und kirchliche Trauungen angeht, so werden sie in beiden Kirchen verschoben. "Das sind ja Familienfeste, bei denen besonders auch die ältere Generation eingeladen ist. Und das ist im Moment einfach zu gefährlich", so Iwanczik.
Die städtischen Trauerhallen bleiben entgegen erster Planungen geöffnet. Auch die Aufbahrungsräume stehen unverändert zur Verfügung. Abschiedsfeiern sollten allerdings möglichst im Freien durchgeführt werden. In den Trauerhallen dürfen sich nur noch maximal zehn Personen gleichzeitig aufhalten, auch die Zahl der Teilnehmer an Trauerfeiern sollte sich in diesem Rahmen halten. Die zusätzlich auf einigen Friedhöfen eingerichteten Abschiedsräume können derzeit nicht genutzt werden, so Gelsendienstesprecher Tobias Heyne.