Gelsenkirchen-Schalke. Die Ankündigung vom Ende kam per Post: Seppelfricke Armaturen in Gelsenkirchen stellt die Produktion ein. So reagieren Betriebsrat und IG Metall.
100 Jahre alt ist die Firma Seppelfricke. Tassen und Pudelmützen wurden zum runden Geburtstag vor wenigen Wochen an die Belegschaft verteilt. Der dicke "Nachschlag" kam nun. Dienstag wurden die rund 80 Mitarbeiter per Schreiben darüber informiert, dass ihr Werk in Schalke, die Seppelfricke Armaturen GmbH an der Haldenstraße, Ende 2020 verlagert wird - nach Großbritannien. Für die Beschäftigten des Traditionsbetriebs, zumeist Facharbeiter und angelernte Kräfte, wurde mit dem Betriebsrat ein Sozialplan vereinbart.
In Gelsenkirchen werden Fittings und Armaturen produziert
Fittings, Armaturen, Rohr- und Befestigungstechnik für flüssige und gasförmige Medien stellt Seppelfricke her. Unter dem Namen Seppelfricke werden auch hochwertige Armaturen für die Trinkwasser- und Gasinstallation unter dem Dach von Aalberts integrated piping systems produziert und vertrieben.
4000 Beschäftigte hat die Gruppe. Dort sieht man den Schritt in Schalke als Teil eines Optimierungsprozesses, mit dem "Produkte und Prozesse kontinuierlich an die Bedürfnisse des Marktes angepasst" würden. Die "Weiterentwicklung unserer Organisation" sichere und stärke die "Wettbewerbsfähigkeit", nicht betroffen seien die eigenständigen Vertriebsorganisationen vor Ort, auch werde sich "grundsätzlich nichts am Produkt- und Leistungsportfolio ändern", heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens.
Betriebsrat: "Die Leute sind geschockt"
Für die IG Metall Gelsenkirchen und den Betriebsrat klingt das wie Hohn. "Es ist ein Unding, solch eine Entscheidung in solch einer Zeit so zu verkünden. Dazu fällt mir nix ein", findet Gewerkschaftssekretär Jörn Meiners. Die Brexit-Folgen seien ungeklärt, die Corona-Krise ist auf dem Höhepunkt, die Seppelfricke-Produkte seien gefragt - im höchsten Maß unsensibel findet Meiners den Schritt des Unternehmens."Die Leute sind geschockt", stellt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende fest: "Erst Kurzarbeit, dann Corona und nun diese Botschaft."
Belegschaft stimmte 2017 für einen Streik
Aus Sicht der IG Metall und des Betriebsrats gilt es jetzt die nötigen Schritte einzuleiten, um einen Interessenausgleich abzuschließen, eben das Ende abzufedern, festzulegen, wer wann in den kommenden Monaten gehen soll.
Das Ende hat eine Vorgeschichte bei Seppelfricke. Bereits 2017 eskalierte die Situation, votierte die damals noch 113-köpfige Belegschaft zu 98,6 Prozent für Streik. Der Auslöser: die ungeklärte Unternehmenszukunft. Vier für die Produktion zentrale Maschineneinheiten sollten damals in Schalke für die weitere Produktion bei einer Schwesterfirma in England demontiert werden. In Gelsenkirchen sahen die Mitarbeiter ihre Betriebsbasis massiv gefährdet.
Strategien und Geschäftsführer wechselten
In der Folge wechselte die Firmenstrategie aus Sicht von Beobachtern mehrfach, ebenso die Geschäftsführer. Verlagerungen nach England und zwischenzeitlich Ungarn wurden erwogen, letztlich wurde bislang nur eine Maschinenlinie abgebaut. Edgar Weier, damals Chef in Schalke, ist nun wieder an Bord und jetzt für die Abwicklung Richtung England zuständig. Dienstag war er in Besprechungen gebunden.
"Wir bereiten uns auf eine längere Auseinandersetzung vor, hatte Robert Sadowsky, damals 1.Bevollmächtigter der lokalen IG Metall, nach der Streikabstimmung 2017 angekündigt. Nun wird es ein längerer Abschied von 80 Industriearbeitsplätzen.
OB Baranowski: Seppelfricke "gehört zu Gelsenkirchen"
Seppelfricke ist Teil des börsennotierten Unternehmens Aalberts, das 1975 gegründet wurde. Der Gesamtkonzern hat weltweit 16.000 Mitarbeiter an 70 Standorten.
Seppelfricke wurde am 19. März 1920 offiziell gegründet. Die Brüder Johann 28) und Wilhelm (21) ließen ihr Gewerbe in die Stammrolle der Stadt Gelsenkirchen eintragen - die Schlosserei und Metallgießerei Johann Seppelfricke. Das Unternehmen nahm einen rasanten Aufschwung, beschäftigte in den 1970er Jahren 2300 Mitarbeiter.
Zum 90-jährigen Firmenjubiläum würdigte Oberbürgermeister Frank Baranowski Seppelfricke: "Die Firma gehört zu Gelsenkirchen wie schalke 04."
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