Gelsenkirchen-Buer. In Gelsenkirchen hat ein Duo 86 Kilo abgenommen – und beide schwärmen von mehr Genuss beim Essen als je zuvor. Was neben dem Kochen geholfen hat.

Lasagne, selbst gebackenes Brot, Heringsstipp – Thomas Hagemann und Eva Deifl sind beim Thema Kochen und leckeres Essen kaum zu bremsen. Dabei haben die beiden gerade erst stattliche 48 beziehungsweise 38 Kilogramm (Eva) abgenommen. Dass sie das nicht als Quälerei, sondern als genussvolle Erfahrung empfunden haben, natürlich gepaart mit eisernem Willen und Bewegung, finden die beiden nicht besonders erstaunlich. Schließlich hätten sie in dem „Eat XXL“-Kurs im Ernährungszentrum am Berger See gutes Essen für sich entdeckt.

Nach einem Jahr wird nachgehakt, wie es mit den Pfunden steht

Ein Bild von früher: Von allen Teilnehmern wurden vor Kursbeginnn Polaroid-Fotos gemacht.
Ein Bild von früher: Von allen Teilnehmern wurden vor Kursbeginnn Polaroid-Fotos gemacht. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Dabei hatte zumindest Eva Deifl, 23, Studentin und nach eigener Einschätzung zwar zu dick, aber nicht krankhaft übergewichtig, eigentlich überhaupt keine Lust, an dem Kurs teilzunehmen. „Mein Vater hat mich angemeldet und dazu gedrängt.“ Die Studentin war die Jüngste in der Gruppe, die den Abnehmkurs für Menschen mit einem Bodymassindex von mehr als 40 gebucht hatte. Es war der erste derartige Kurs am Bergmannsheil Buer, der neben der intensiven Ernährungsberatung inklusive extrem alltagstauglichen Rezepten mit festen Tagesplänen (1700 Kalorien für Frauen, 1900 für Männer) und Bewegung auch mentales Training im Programm hat. Insgesamt zehn Monate lief der Kurs, geleitet von Christina Strotmann. Nach einem Jahr wird nachgehakt, wie gut das Gewicht gehalten wurde.

Überhaupt keine Lust mehr auf Süßigkeiten

„Ich koche seitdem auch für Freunde. Und die kommen auch sehr gerne zum Essen zu uns. Früher habe ich beim Asiabuffett ‘All you can eat’ kräftig reingehauen. Heute wird mir übel, wenn ich sowas rieche“, erzählt Thomas Hagemann (49) stolz. Auch Süßes und Bier – früher eine unwiderstehliche Verführung für ihn – kann er heute gut meiden. „Süßes mag ich gar nicht mehr, und Bier trinke ich auch nur in Ausnahmefällen“.

Für Eva Deifl bot die Ernährungsumstellung zwei Probleme: sie mag weder Spargel noch Obst, mit Ausnahme von Äpfeln: „Aber auch dafür gibt es genug Alternativen. Ich plane jetzt einfach meinen Tag anders als früher, koche selbst, bringe mehr Regelmäßigkeit in den Tag. Ich kaufe für die ganze Woche ein, mache einen Plan, statt Zwischenmahlzeiten in der Mensa zu kaufen.“ Ein Problem, das schwieriger zu lösen war: Ihr Freund ist extrem schlank, er brauchte stets deutlich größere Portionen. „Die Teilnehmer lernen in dem Kurs, normal und gesund zu kochen, strukturiert zu essen,“ erklärt Privat-Dozent Dr. Markus Utech, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Bergmansheil Buer. Er unterstützt den Kurs – obwohl er sich damit selbst Patienten abwirbt. „Wir machen in unserer Klinik auch Magenverkleinerungen. Aber die Ernährungsumstellung ist der gesündere Weg. Wer es hier nicht schafft, genug abzunehmen für den ist die Operation eine gute Alternative. Denn starkes Übergewicht kann ja zu schweren Nebenerkrankungen führen.“

Mandalas malen statt Knabbern in langweiligen Pausen

Für Eva Deifl war das begleitende Mentaltraining wichtig. „Ich habe oft in Pausen gegessen, wenn ich Langeweile hatte. Heute male ich stattdessen Mandalas aus. Ich habe mir extra einen Ring gekauft, als Erinnerung, nicht zu futtern“, erklärt sie. Vor dem Kurs hatte sie es bei den Weight Watchern versucht – mit nur mäßigem Erfolg. Thomas Hagemann hatte keine Probleme, sich selbst zu motivieren, hat viele in der Gruppe mitgerissen. „Aber ich hatte auch schon gesundheitliche Probleme wegen meines Gewichts. Ein Hüftschaden, Schlafapnoe, Rheuma – ich wusste, dass ich abnehmen muss.“

Nächster Kurs startet am 22. April

Die Kosten für den Kurs übernehmen bei Menschen mit schwerer Adipositas und einem BMI von mehr als 40 Krankenkassen bis zu 80 Prozent. Der nächste XXL-Kurs am Ernährungszentrum am Berger Feld beginnt am Mittwoch, 22. April. Anmeldungen dafür werden ab sofort entgegengenommen.

Die Treffen laufen immer mittwochs ab 17 Uhr im Zentrum am Ehrenmal 21, das dazugehörige Sportangebot läuft montags, ebenfalls ab 17 Uhr. Anmeldungen für den zehnmonatigen Kurs sind ab sofort möglich unter Telefon 0209 5902485

Langsamer Essen, gut kauen, nicht aus Frust essen, Nährstoffe kennenlernen, Informationen über Kalorienbomben in Fertignahrung und bei Fastfood aller Art sowie Bewegungsanleitungen – all das hat den beiden geholfen. „Wir haben Geschmack gefunden an guten Sachen. Die Umgewöhnung ging schnell“, versichern beide glaubhaft. Süßkartoffelpommes aus der Heißluftfritteuse ohne Fett, Käse aus der Frischetheke statt abgepackt, dafür dünner geschnitten. Wir lesen auch die Speisekarten in Restaurants jetzt ganz anders“, macht Eva Deifl Werbung für das Konzept. Wobei ihr klar ist: „Ich werde mein Leben lang auf mein Gewicht achten müssen, mehr als andere. Und ich habe mein Ziel noch nicht ganz erreicht, ich mache auf jeden Fall weiter.“ Thomas Hagemann hat Geschmack auch am Sport gefunden, Extremsport. Daran war vorher nicht zu denken. Bei beiden hat sich der Alltag verändert. „Und wir werden ganz anders wahrgenommen“, freut sich die junge Frau. „Ich habe gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt.“