Gelsenkirchen-Erle. Der Comedian Felix Lobrecht scheut in Gelsenkirchen keine Gratwanderung bei seinem Programm „Hype“. Zweimal ist die Emscher-Lippe-Halle voll.
Die Emscher-Lippe-Halle ist rappelvoll, der Zusatztermin für Felix Lobrecht mit seinem Programm „Hype“ ist in wenigen Stunden ratz-fatz ausverkauft. Und nicht nur der, auch an den anderen Spielorten seiner Tour herrscht der Hype um den 31-Jährigen. Den hat er in gerade drei Jahren kontinuierlich aufgebaut.
Sie lieben ihn, obwohl ihm nichts heilig ist, oder weil ihm nichts heilig ist. Weil er über alles herziehen kann und dabei entweder den unschuldigsten Gesichtsausdruck auflegt oder knurrt, faucht, giftet. „Ihr dürft über alles lachen, das macht euch nicht zu schlechten Menschen. Das sind nur Witze“, erklärt der in Berlin-Neukölln lebende Spötter gönnerhaft, „die sind sogar überprüft und freigegeben. Von Xavier Nadoo und Kollegah“.
Und sie lachen, manchmal auch, wenn er weit, ganz weit geht. „Sollen wir über abgefackelte Affen reden?“, dabei wartet er natürlich die Antwort nicht ab. Er redet über „abgefackelte Affen“, findet die wunden Punkte in der tragischen Geschichte, in die er hacken kann. Erst bremst er „Waren ja echt viele“. Dann ätzt er, dass es genau 30 Affen waren, die da im Krefelder Affenhaus bei dem Großbrand starben („ist doch merkwürdig“), dass es „Dumm-Monis“ waren, die sich an den Himmelslaternen ganz unschuldig ihren Spaß machen wollten. Und dass nur die, weil sie Deutsche waren, sich umgehend bei der Polizei gemeldet haben. Harter Stoff, vorgebracht ohne Pause, höchstens Mal, um einen Schluck zu trinken. Und selbst das zelebriert er.
Luxus-Uhr und Goldkette
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Er zelebriert sich selbst, die blendende Luxus-Uhr am Handgelenk, die Goldkette. Er empfiehlt schlicht: „Geld“, gefällt ihm, könnte jedem gefallen. Vielleicht wird er dann sogar einmal ernst, als er meint, dass er, seit er Geld hat, auch die Angst hat, alles zu verlieren. Drei Jahre badet er im Erfolg und traut sich was, traut sich immer mehr.
Wohl, weil er keinen auslässt, nehmen sie es ihm nicht krumm, dass niemand vor ihm sicher ist. Denn er hat ja nichts gegen Behinderte, sondern gegen ständig freie Behindertenparkplätze, während er stundenlang um den Block kurvt und „pissen muss wie ein wilder Bär“. Da kriegt er Wut und sticht auch schon mal in den Reifen. Den am Rollstuhl, aber nur in einen, sagt er und grinst. Keiner kann sagen, ab wann oder bis wann er es ernst meint.
Reihum trifft sein Spott
Dröhnenden Applaus hat er gleich am Anfang sicher, als er sich umsieht: „Wir müssen über die Halle reden. Das ist nicht okay hier.“ Die Reihen voller eher jüngerer Fans zögern noch und Lobrecht legt los, zieht nach: „Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das sollte man in Den Haag anklagen.“ Er ist erst am Anfang, „die Halle sieht aus, als wäre das eigentlich ein Schwimmbad, das sie aus hygienischen Gründen sperren müssten und jetzt wie eine asbest-verseuchte Eishalle“.
Gemischtes Hack
Gemeinsam mit dem Autor Tommi Schmitt hat Felix Lobrecht seit 2017 als „Gemischtes Hack“ einen erfolgreichen Podcast aufgelegt. Er hat bereits für die „Heute Show“, Stefan Raabs „TV Total“ und auch für Luke Mockridge gearbeitet, auch für Klaas Heufer-Umlauf und Carolin Kebekus.
Die Exklusivrechte hat sich im September der Streaming-Dienst Spotify gesichert. Nach Spotify-Angaben hat „Gemischtes Hack“ 2019 den dritten Platz der gestreamten Podcasts weltweit, den ersten in Deutschland erreicht.
Ja, das trifft, trifft den Ton, den Geschmack, und der Spötter ist noch nicht fertig: „Das wirkt auf mich wie ein Showroom für dunkelblaue Vorhänge mit zusammengeklauten Stühlen, der gelben Decke und den roten Rohren.“ Wie er „gelben“ ins Mikro bellt, das zeigt, er kommt noch weiter in Fahrt. Er strickt den Gedanken weiter: „Das sieht hier aus, als gäb’s hier nur unprofessionelle Sportturniere mit fetten Kindern am Würstchenstand.“
Auch das Publikum bleibt nicht verschont
Klar, manchmal wird er einfach auch albern, das gibt er zu. „Ich will manchmal einfach nicht tangiert werden, ich fühlt mich nicht so alt, so reif, so erwachsen“, vielleicht nicht wie 31. Und er räumt ein: „Die Wenigsten würden sich doch trauen, mit so was vor zweieinhalbtausend Leuten zu stehen.“
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Gleich keilt er wieder aus, blickt zur Seite: „Ihr habt ja echt scheiß Plätze“, und nach einem einzelnen Kichern aus den vorderen Reihen: „Die Lache klingt so krass nach 40, ledig und Bürokauffrau, da kann man die Kaffeeflecken auf den Vorderzähnen hören.“ Er trifft jeden, vielleicht darf er es deshalb, vielleicht lieben sie ihn dafür. Immerhin outet er sich als „liberal und weltoffen – aber mit latent rassistischen Gedankengängen“.
Sie lieben ihn für einen anstrengenden Abend.