Altstadt. Eine Gedenkstele erinnert an das mutige Wirken von Kurt Neuwald in Gelsenkirchen. Er brachte nach der Shoah neues jüdisches Leben in seine Stadt.

Kurt Neuwald ist Ehrenbürger Gelsenkirchens. Was der jüdische Überlebende von Konzentrationslagern der Nationalsozialisten für die Stadt und vor allem für das Miteinander der Gesellschaft getan hat, ist einzigartig. Seiner wird auf dem nach ihm benannten Kurt-Neuwald-Platz nun noch ein wenig würdevoller gedacht: Die bislang auf dem Boden installierte, kaum sichtbare und vor allem zuletzt arg beschädigte Gedenkstele erinnert nun an erhöhtem Standort und in neuem Glanz an das Versöhnungswerk des 2001 verstorbenen Neuwald.

Jetzt in Augenhöhe

Seit 2003 bereits gibt es die Gedenkstele für Kurt Neuwald in Sichtweite seiner langjährigen Wirkungsstätte. Bisher allerdings war sie auf dem Boden verankert, wo sie häufig von Lkw angefahren und beschädigt wurde.

Neuwalds Enkelin Helen Golling regte an, die Stele an exponierterer Stelle zu befestigen. Dies hatten die damaligen Eigentümer des Grundstücks verweigert. Die heutigen Besitzer, Norbert Koppenberg und Askin Senyil, stimmten sofort zu.

Bürgermeisterin Martina Rudowitz betonte bei der Einweihung des renovierten Erinnerungsmals die Bedeutung von Versöhnung und Toleranz gerade in diesen Tagen, in denen Hass und Rassismus wieder um sich greifen, es vielen Menschen an Toleranz mangelt. „Religion ist etwas Privates. Das ist so. Wegen seiner Religion darf niemand ausgegrenzt werden, wir alle sind eine Gesellschaft, das müssen wir uns immer wieder klar machen. Und wir sind gut beraten, uns immer wieder daran zu erinnern, was Kurt Neuwald getan hat für die Gesellschaft“, mahnte Rudowitz.

24 Familienmitglieder wurden von den Nationalsozialisten ermordet

Kurt Neuwald mit dem damaligen Ministerpräsidenten von NRW, Johannes Rau, bei der Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Gelsenkirchen im Jahr 1994.
Kurt Neuwald mit dem damaligen Ministerpräsidenten von NRW, Johannes Rau, bei der Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Gelsenkirchen im Jahr 1994. © Martin Möller/Funke Foto Services

Der 1906 in Gelsenkirchen geborene Kurt Neuwald stammte aus einer alteingesessenen jüdischen Kaufmannsfamilie, die in Gelsenkirchen in der Arminstraße bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts ein Bettengeschäft betrieb. Die Nationalsozialisten verwüsteten das Geschäft in der Progromnacht im November 1938 vollständig, Neuwald und seine Familie wurden 1942 ins Ghetto nach Riga deportiert. 24 Familienmitglieder wurden ermordet, Kurt Neuwald selbst überlebte und wurde 1945 aus dem KZ Buchenwald befreit.

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Trotz allem, was seiner Familie angetan wurde, kehrte Neuwald von dort zurück nach Gelsenkirchen. Er baute „Betten Neuwald“ an der Arminstraße neu auf, gründete eine neue Familie und beteiligte sich wesentlich am Wiederaufbau des jüdischen Gemeindelebens vor Ort, in Nordrhein-Westfalen und der ganzen Bundesrepublik. Neuwald war lange Jahre Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in NRW und seit 1951 bis 1994 Mitglied des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland. In Gelsenkirchen leitete er fast vier Jahrzehnte lang die jüdische Kultusgemeinde.

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Ein mutiges Zeichen der Versöhnung für die Gesellschaft gesetzt

Historische Werbung von Betten Neuwald in Gelsenkirchen.
Historische Werbung von Betten Neuwald in Gelsenkirchen. © Neuwald | Privatbesitz

„Was Kurt Neuwald mit seiner Rückkehr und seinem Engagement für die Versöhnung der Völker und für diese Stadt getan hat, können wir gar nicht genug würdigen“, betont Daniel Schmidt, Leiter des Institutes für Stadtgeschichte, das die Geschichte des Ehrenbürgers dokumentiert hat, zu finden unter anderem in der Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“. Die Stadt sei ihm zutiefst zu Dank verpflichtet.

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Von Friedhelm Pothoff

Die silber-blaue Stele mit ausgewählten Stationen seines Lebens hatte der städtische Grafiker Uwe Gelisch 2003 entworfen, zwei Jahre nach dem Tod von Kurt Neuwald im Jahr 2001. Zu dem Zeitpunkt war er bereits Ehrenbürger Gelsenkirchens (seit 1994), das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse erhielt er 1958, weitere Auszeichnungen folgten bis hin zum Großen Verdienstkreuz mit Stern 1999. Neuwalds Tochter Judith Neuwald-Tasbach, heute selbst Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen, betont die Bedeutung der Stele in Sichtweite des Hauses an der Arminstraße, in dem ihr Vater so lange lebte. Sie erinnere an seinen „sehr mutigen Schritt“, nach der Shoah in seine Geburtsstadt zurückzukehren.