Gelsenkirchen. „Upbusse“ fahren autonom, elektrisch und bei Bedarf als Seilbahn. Die Gelsenkirchener FDP will mit der Aachener Innovation den ÖPNV verbessern.

Eine Mischung aus selbstfahrendem Elektrobus und Seilbahn oder eine futuristische Variante der bekannten Wuppertaler Schwebebahn: So kann der sogenannte „Upbus“ beschrieben werden, den Kai-Uwe Schröder, Professor am Institut für Strukturmechanik und Leichtbau an der RWTH Aachen, und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Tobias Meinert entwickelt haben. Auf der Internationalen Autoausstellung (IAA) im Frankfurt wurde 2019 ein erstes Modell davon präsentiert. Und wenn es nach der stellvertretenden Gelsenkirchener FDP-Kreisvorsitzenden Susanne Cichos geht, dann transportieren die Gefährte schon bald Fahrgäste von Buer in die Altstadt und zurück.

Futuristisch wirken die elektrischen Gefährte, die autonom, also ohne Fahrer, fahren sollen.
Futuristisch wirken die elektrischen Gefährte, die autonom, also ohne Fahrer, fahren sollen. © Handout | RWTH Aachen

„Ich sehe in dem innovativen Projekt einen wunderbaren Beitrag, das Klima im Ballungsraum Ruhrgebiet zu verbessern“, erklärt Cichos. „Für die Stadt Gelsenkirchen wäre es ein enormer Image-Gewinn, wenn man dieses Pilotprojekt hier realisieren könnte.“ Die Politikerin verweist darauf, dass die Stadt Essen sich bereits um eine Pilotstrecke bemüht. „Das war für mich Anreiz zu sagen: ‘Hallo, es gibt noch andere, denen ein solches Projekt gut zu Gesicht stünde’.“

Bestehende Verkehrsadern entlasten, neue Verbindungen einrichten

Susanne Cichos, Kreisvorsitzende der Gelsenkirchener FDP.
Susanne Cichos, Kreisvorsitzende der Gelsenkirchener FDP. © Funke Foto Services | Martin Möller

Die Gefährte, die dank eines abkoppelbaren Fahrgestells sowohl als Bus auf der Straße fahren, als auch als Seilbahn darüber schweben können, brächten dem Gelsenkirchener ÖPNV laut Cichos gleich mehrere Vorteile. Sie könnten etwa den Verkehrskollaps auf der Kurt-Schumacher-Straße lösen. Durch die enge Taktung der Straßenbahn 302 und die Vorrangschaltung an großen Kreuzungen kommt es dort in Stoßzeiten zu langen Rückstaus für Autofahrer. Außerdem könnten durch die Upbusse neue Strecken erschlossen werden – Cichos schlägt etwa eine Ost-West-Verbindung über der Uferstraße vor. Auch Lastentransporte per Seilbahn seien denkbar. Und die FDP ist überzeugt, dass das Projekt nicht zuletzt Touristen in die Stadt locken könnte.

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An der Aachener Universität ist bereits eine Anfrage der Gelsenkirchener FDP eingegangen, wie Tobias Meinert der WAZ sagt. Er freut sich über das Interesse und wirbt für seine Erfindung: „Wir bringen die Vorteile der Seilbahn in die Städte.“ Denn die Upbusse seien nicht nur günstig, extrem verbrauchsarm und die Strecken schnell gebaut. Weil sie bei Bedarf während der Fahrt von Seilbahn zu Bus umgerüstet werden können, seien sie perfekt für den Einsatz in Innenstädten.

Zweifel an Umsetzbarkeit und Finanzierung

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Weniger euphorisch reagiert der Vorsitzende des Gelsenkirchener Verkehrsausschusses, Wolfgang Heinberg (CDU), auf den Vorstoß der Liberalen. „Hatten wir gerade den 1. Januar oder den 1. April, frage ich mich. Gelsenkirchen braucht viele Ideen, aber die müssen auch realisierbar und finanzierbar sein“, kritisiert er. Zu vage seien die Pläne der FDP. Heinberg ärgert sich auch darüber, dass Cichos ihre Idee bisher in keinem politischen Gremium eingebracht habe, sondern per Pressemitteilung dafür wirbt. „Ein Prüfauftrag für den Haushalt wäre möglich gewesen“, sagt er.

Auch das hiesige Nahverkehrsunternehmen Bogestra ist dem Projekt gegenüber skeptisch. „Der Nahverkehr in Gelsenkirchen wird stetig weiterentwickelt. Zuletzt hat es Mitte Dezember die Umstellung der Straßenbahnlinien 301 und 302 auf den 7,5-Minuten-Takt gegeben. Dadurch verfügt die Kurt-Schumacher-Straße aktuell über eine attraktive elektromobile Fahrtmöglichkeit auf eigener Trasse“, erklärt Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann. Er verweist jedoch darauf, dass die Verkehrsplanung in die Zuständigkeit der Stadt falle.

Gutachter sollen einen Streckenverlauf erarbeiten

Upbusse basieren auf Raumfahrttechnik

Die Idee für den Upbus kommt aus der Raumfahrt: „iBoss“ ist eine Kupplung, die Satelliten im Weltraum sekundenschnell miteinander verbindet. Sie wurde zum Teil auch an der RWTH Aachen entwickelt und diente als Vorbild für den modularen Aufbau der Upbusse.

Die Forscher planen, bis 2023 eine Teststrecke für die Gefährte aufzubauen. Jedes von ihnen kann bis zu 35 Passagiere befördern, beim vorgeschlagenen 30-Sekunden-Takt entspräche das 4000 bis 6000 Fahrgästen pro Stunde und Richtung.

Auch als Lastentransporter könnten die Upbusse zum Einsatz kommen – beispielsweise um Pakete zuzustellen.
Auch als Lastentransporter könnten die Upbusse zum Einsatz kommen – beispielsweise um Pakete zuzustellen. © Handout | RWTH Aachen

Cichos schlägt vor, dass unabhängige Gutachter sich des Themas annehmen und einen Streckenverlauf erarbeiten. Um das Projekt zu finanzieren, will sie auf Fördergelder von Land und Bund setzen und Werbeflächen auf den Upbussen vermieten. Sie rechnet zudem vor, dass die Baukosten von rund zehn Millionen Euro pro Kilometer (inkl. der Wagen), von denen die Aachener Wissenschaftler ausgehen, um zwei Drittel günstiger seien als die einer Straßenbahnverbindung. Eine neue U-Bahn-Linie wäre sogar zehnmal so teuer. „Warum sollten Mann und Frau in Gelsenkirchen also nicht einmal mit Sinn und Verstand in die Luft gehen?“