Gelsenkirchen-Altstadt. Das Neujahrskonzert der Neuen Philharmonie im Gelsenkirchener Musiktheater bringt Lebensfreude – und Markus Wallrafen jede Menge gute Laune.
Zwei Zweivierteltakte geheimnisvolle Streicher, zweimal prominente Blechfanfaren, das diesjährige Neujahrskonzert der Neuen Philharmonie Westfalen Im Musiktheater im Revier (MiR) in Gelsenkirchen startet mit der schwelgerischen Ouvertüre zur komischen Oper „Eine Nacht in Venedig“. „Espresso und Wiener Melange“ lautet der Titel des Programms, am Pult jemand, der sich mit Kaffeegetränken und transalpinen Gepflogenheiten bestens auskennt – der Italiener Giuliano Betta.
Schon seit der Spielzeit 2018/2019 dirigiert er die Musiker bei Opern- und Ballettinszenierungen am MiR, gefeiert wurde er für seine Interpretation: Wagners Rheingold, Dvoraks Frankenstein oder Strawinskys Les Noces, um einige zu nennen.
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Am Neujahrsabend also steigt er aus dem Orchestergraben und präsentiert sich dem Gelsenkirchener Publikum. Selten zog ein Dirigent der Neujahrskonzerte das Publikum so sehr in seinen Fokus wie Betta. Ein Energiebündel, das jeden Walzerschritt auf dem Pult mitmacht, hüpft, mit den Armen wedelt, ja den Taktstock auch schon einmal weglegt, um mit beiden Armen das Orchester zu umschlingen.
Temperamentvolles Dirigat überzeugt
Das bedient das Klischee des italienischen Temperaments oder ist, wie es Markus Wallrafen, der Stimmführer der zweiten Violinen, der wieder mit amüsanter Moderation durch das Konzert führt, es ausdrückt, „eine Mischung aus Arturo Toscanini, Eros Ramazzotti und Totò Schillaci“. Das Dirigat kann übertrieben wirken, aber der Sympathie Bettas zu entrinnen ist unmöglich. Soviel Herz, soviel Strahlen, soviel Vergnüglichkeit.
In komplexen Passagen des Abends kommt dann ein unglaubliches Gefühl für pianissimi zu Tage, die Ouvertüre zur „Italienerin in Algier“ von Gioachino Rossini ist traumhaft, der „Tanz der Stunden“ von Amilcare Ponchielli ebenfalls. Im „Champagnergalopp“ und „Champagnerpolka“ knallen bei den Schlagwerkern auch schon mal „Sektkorken“ im rasanten Takt der überschäumenden Freude. Noch mehr Italien gibt es mit dem chilenischen Tenor Carlos Moreno Pelizari. „Addio Fiorita“ aus Madame Butterfly, „La donna è mobile“ aus dem Rigoletto ebenso wie die neapolitanischen Lieder „Funicolì, funicola“ und „O sole mio“ kommen mit einem zarten Schmelz daher, wie durch einen Schleier der Vergangenheit, erinnern an große Tenöre wie Beniamino Gigli oder Enrico Caruso.
Vergleich: Musiktheater und Elbphilharmonie
Dank an OB Baranowski
An insgesamt vierzehn Terminen spielt die Neue Philharmonie Westfalen in diesem Jahr das Neujahrskonzert in verschiedenen Städten im Ruhrgebiet.
Markus Wallrafen bedankte sich öffentlich beim aus dem Amt scheidenden Oberbürgermeister Frank Baranowski. „Er hat unser Orchester immer unterstützt, Nachfolgerin oder Nachfolger wird sich daran messen müssen“.
Aber auch, wenn Pelizari „heut’ geh’ ich ins Maxim“ aus der lustigen Witwe trällert, überzeugt er. „Dieses Lied brauche ich nicht anzusagen, das kennen alle, Johannes Heesters hat es wohl 1600 Mal gesungen, schon für meine Großeltern“, scherzt Wallrafen im Vorfeld.
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In seinen beliebten Beiträgen kürt er zur Erheiterung des Publikums Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten, vergleicht das MiR mit der Elbphilharmonie in Hamburg und das Caffè Florian am venezianischen Markusplatz mit der Eisdiele Graziella in der Altstadt. Den letzten Titel des Abends, den berühmten Walzer „Wiener Blut“ von Johann Strauß Sohn, tauft er flugs mal „Schalker Blut“. „Denn wenn Strauß unser lebendiges, weltoffenes und multikulturelles Gelsenkirchen kennengelernt hätte, wäre dies der Name des Werkes“, sagt Wallrafen mit Brustton der Überzeugung und Liebe zur Stadt.
Rauschender Applaus für einen unterhaltsamen Abend, der das neue Jahr mit Lebensfreude und guter Laune starten lässt.