Gelsenkirchen. . Leichtes und Anspruchsvolles mischte die Neue Philharmonie Westfalen beim Neujahrskonzert in Gelsenkirchen zu einem wunderbaren 2018er Auftakt.
Weihnachts-und Silvesterstress ist am Neujahrsabend im Musiktheater im Revier vielen Gästen im ausverkauften Haus anzusehen, ungeduldiges Gedränge beim Einnehmen der Plätze. „Willst Du außen sitzen?“ wird mit schnippischem „ist mir doch egal“ erwidert – doch pünktlich um 20 Uhr ist es ganz leise im Raum und die Neue Philharmonie Westfalen (NPW) startet den „Operettenzauber“ – Entspannung pur, endlich.
„Jung, gut aussehend, wie alle hier“
„Wir freuen uns, dass wir für das diesjährige Neujahrskonzert Marc Niemann, Generalmusikdirekter des Philharmonischen Orchesters Bremerhaven, gewinnen konnten“. Markus Wallrafen, erprobter und geliebter Moderator des Spektakels, stellt den Gastdirigenten vor. „Jung, gut aussehend, genau wie alle Mitarbeiter unseres Orchesters“. Auch diesmal verzichtet der Stimmführer der zweiten Violinen nicht auf seinen Witz.
Niemann steht seit dem Sommer als Leiter am Pult der dreizehn Konzerte in ganz NRW fest, hat mit GMD Rasmus Baumann bei der Programmgestaltung kooperiert. Und wieder präsentiert das Neujahrskonzert der NPW eine verblüffende Auswahl, nutzt die Erwartung von traditionellem Walzer und Marsch, um „en passant“ die Aufmerksamkeit auf hochkarätige Musikstücke zu lenken. Die Ouvertüre zu „Orpheus in der Unterwelt“ von Jacques Offenbach beginnt mit einem zärtlichen Klarinetten-Solo, Regis Vincent lässt den Zauberklang im Raum verströmen. Flirrend und rauschend fallen Streicher ein, mit Inbrunst erzählt das gesamte Orchester die Geschichte der brennenden Liebe zu Eurydike im Schnelldurchlauf, Konzertmeister Misha Nodelman zeigt sich leidenschaftlich bei seinen Solopassagen.
Gast-Violinistin Stapf spielt „Zigeunerweisen“
So bekannt die Sequenzen des finalen „Höllen-Can-Cans“, so selten gehört der nachfolgende „Schlittschuhläufer-Walzer“ von Emile Waldteufel. Piccolo-Flöte und Querflöten im leisen Dialog mit den Geigern, bevor sich langsam der umfassende Dreiviertel-Takt aus allen Orchesterstimmen erhebt. Die Schlagwerker lassen Schellen klingen, eine fröhliche Schlittenfahrt, Niemann breitet beschwingt die Arme aus, als würde er gleich zum Tanz abheben, und das Publikum mit ihm. Eine gelungene Überraschung und eine Innovation stellt die Präsenz einer externen Solistin dar. Violinistin Judith Stapf, 20 Jahre jung und Studentin der Barenboim-Said-Akademie in Berlin, spielt die Zuhörer mit Pablo de Sarasates „Zigeunerweisen“ schwindelig, Virtuosität geschrieben von einem Ausnahmegeiger des 19. Jahrhunderts für mit brillanter Fingertechnik gesegnete „Kollegen“ aller Zeiten.
Eines der längsten Neujahrskonzerte
Die Reise durch die Länder der „kleinen Oper“ geht über das Österreich von Franz von Suppés „Dichter und Bauer“, das England von Sir Arthur Seymour Sullivans „Ruddigore“ und das China des „Land des Lächelns“ von Franz Lehár. Die Neue Philharmonie malt Bilder von Landschaften und Menschen, die Zeit verfliegt, es ist eines der längsten Neujahrskonzerte der letzten Jahre. „Können Sie noch?“, fragt Marc Niemann nach der „Berliner Luft“ von Paul Linke das klatschende Publikum. Das einstimmige „Ja“ wird mit zwölf Minuten Donauwalzer und dem Radetzki-Marsch belohnt.
Zweites Konzert am Samstag ohne Solistin
>> Markus Wallraffen warb intensiv für einen Beitritt zum Förderverein Musiktheater im Revier. „Das 400. Mitglied darf sich ein Werk wünschen, das 500. sogar eines dirigieren“, versprach er schmunzelnd.
>> Wegen der starken Nachfrage wird das Konzert am Samstag, 6. Januar, um 19.30 Uhr im MiR wiederholt. Allerdings ohne die Solistin Judith Stapf.