Gelsenkirchen-Feldmark. Weihnachtszeit, Stresszeit: Die Gelsenkirchener DHL-Zustellerin Jessy Michel und ihre Kollegen liefern derzeit bis zu 300 Pakete am Tag aus.
Neulich sollte Jessy Michel in einem Hochhaus am Stallbergshof eine besonders schwere Zusendung in die achte Etage liefern. Das Problem: Der Aufzug war defekt. So stand für die 42-jährige Zustellerin der DHL plötzlich die Herkulesaufgabe an, das Paket durchs Treppenhaus hoch zu schleppen. „Danach habe ich erst einmal eine Viertelstunde Pause gemacht, weil meine Beine richtig geschlackert hatten“, erzählt Michel und lacht. Sie zählt zum 85-köpfigen Team der im Juli 2018 eröffneten DHL-Zustellbasis in Ückendorf. Und jetzt, kurz vor Weihnachten, wartet auf Michel und ihre Kollegen die anstrengendste Zeit des Jahres.
Es ist kurz vor acht am Morgen. Draußen wird es langsam hell. Die 2000 Quadratmeter große Halle am Rande der Ostpreußenstraße ist hingegen schon seit Stunden hell erleuchtet. Ab 1 Uhr in der Nacht rollen dort die ersten von insgesamt acht gewaltigen Lastwagen-Ladungen aus dem Paketzentrum in Dorsten an. Die dort sortierten Pakete werden an einer der Rampen abgeladen. Jessy Michels stößt dann zu ihrem Schichtbeginn um 7.15 Uhr dazu. Sie packt die in stählernen Rollcontainern aufgestapelten Sendungen in ihren Zustellwagen um. Ist diese Arbeit erledigt, rollt sie vom Hof in Richtung Einsatzgebiet.
In Spitzenzeiten müssen die Zusteller bis zu 300 Pakete pro Tag ausliefern
„Ich habe zum Glück einen Stammbezirk in der Feldmark“, erzählt die Frau mit den feschen Kurzhaarschnitt, während sie die Pakete in den Wagen umpackt. 190 sind es heute. An absoluten Spitzentagen können es auch mal 300 sein. „Ich bin in dem Wagen quasi mein eigener Chef und kann mir meine Route selbstständig planen“, nennt Michel einen der Vorteile dieser Arbeit.
Seit drei Jahren ist die Ückendorferin als Paketzustellerin nun im Einsatz. Und weil sie immer im selben Einsatzgebiet unterwegs ist, kennt sie inzwischen auch die Vorlieben zahlreicher Kunden. „Ich weiß inzwischen, wer wann am besten zu Hause anzutreffen ist. Und ich weiß, bei welchen Nachbarn ich zur Not ein Paket hinterlassen kann“, erzählt die Zustellerin. Entsprechend plane sie auch ihre Route. Das alles sorgt dafür, dass die Zahl der Pakete, die sie wieder zurück zur Zustellbasis nehmen muss, meistens eine sehr überschaubare ist.
Inzwischen hat Michael als Zustellfahrzeug einen der so genannten Street-Scooter. Das ist jenes Elektrofahrzeug, dass die Deutsche Post in Kooperation mit dem Autohersteller Ford selbst baut. „Unter unseren 80 Zustellfahrzeugen hier in Ückendorf sind inzwischen schon 24 Elektrofahrzeuge“, sagt Standortleiter Stefan Wendland. Bundesweit sind es laut DHL-Pressesprecherin Britta Töllner sogar schon rund 11.000 von insgesamt 55.000 Fahrzeugen. Tendenz: stark steigend.
Zur Fahrerei kommen für die Zusteller 15 bis 20 Kilometer Fußweg hinzu
Jessy Michel kommt mit ihrem neuen Wagen gut zurecht. Und ein Elektrofahrzeug sei für ihre Anforderungen „wirklich ideal“. Denn so kurz die Gesamtstrecke ist, die sie in ihrem Bezirk im Wagen zurücklegt, so hoch ist die Zahl der Zwischenstopps durch das viele Halten und Wiederanfahren beim Paketausliefern. „Pro Schicht fahre ich meistens nur 25 bis 30 Kilometer. Doch für mich kommen noch einmal 15 bis 20 Kilometer pro Tag an Fußweg hinzu.“ Diesen Wert hat Michel per Schrittzähler ermittelt, den sie bei sich trug.
Zu den kompliziertesten Warensendungen, die sie jemals, ausliefern sollte, gehörte ein in Einzelteile zerlegtes Riesensofa. „Das hätte mir aber meinen Wagen so zugestellt, dass kaum noch Platz für die anderen Sendungen geblieben wäre“, erzählt die Zustellerin. Genau deshalb sei besagtes Sofa schließlich doch mit einem größeren Transportwagen ausgeliefert worden.
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Nicht nur an Ausnahmetagen, wenn in Hochhäusern Aufzüge defekt sind, geht der Job laut Michel „auf die Knochen“. Durch das ständige Laufen, Heben und Tragen werde man körperlich sehr gefordert. „Das ist kein Zuckerschlecken.“ Dann pustet Jessy Michel mit Blick auf den Berg an Paketen, der nun in ihrem Wagen verpackt liegt, noch einmal kurz durch und sagt im Brustton der Überzeugung: „Was bin ich froh, wenn Weihnachten endlich vorbei ist...“