Gelsenkirchen/Mainz. Neue ZDF-Studie: Beim Familienatlas belegt Gelsenkirchen deutschlandweit Platz 400 von 401, beim Seniorenatlas Platz 383. Auch positive Aspekte.
Das ZDF hat eine neue Deutschland-Studie veröffentlicht. Nach der Frage nach der Lebensqualität im vergangenen Jahr, als Gelsenkirchen den 401. Platz von 401 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland belegte, ging es in der neuen Untersuchung um zwei Aspekte: Senioren und Familien. Das Ergebnis ist kaum besser als 2018: Bei Senioren belegt Gelsenkirchen Platz 383, bei Familien Platz 400.
Gelsenkirchens lehnte Teilnahme an neuer ZDF-Studie ab
Die neue Studie war von ZDF und dem Institut Prognos von langer Hand geplant – und sorgte zumindest im Revier schon im Vorfeld für Aufsehen. Nach dem schlechten Abschneiden bei der Lebensqualitätsstudie hatten sich einige Bürgermeister und Oberbürgermeister aus dem Revier in einem Brief an das ZDF gewandt und ihre Teilnahme an der neuen Studie abgelehnt. Zur Begründung hieß es in dem Schreiben, das Anfang April publik wurde: „Wir sind nicht der Überzeugung, dass wir uns an einer Studie beteiligen sollten, deren negatives Ergebnis (...) absehbar und teilweise systematisch begründet ist.“
Bei dieser Haltung blieben die Stadtoberhäupter – so auch Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD). Die Studie wurde ohne einen beantworteten Fragebogen aus dem Hans-Sachs-Haus erstellt. Einfluss auf das Ergebnis soll das nicht gehabt haben, heißt es vom ZDF: „Die Befragungen haben keine Auswirkungen auf die Gesamtpunktzahlen“, so Thomas Hagedorn aus der Presseabteilung. „Die Antworten werden den Indizes zur Seite gestellt, um das statistische Bild zu komplettieren.“
Gelsenkirchen belegt in einigen Kategorien den letzten Platz
Die Zahlen sind in manchen Punkten nach wie vor schlecht – so schlecht, dass Gelsenkirchen seinen 401. und letzten Platz zumindest in einigen Punkten „verteidigen“ konnte. Beide Studien – der Senioren- und der Familienatlas – setzen sich aus vier Themenfeldern zusammen. In jedem Themenfeld sind 50 Punkte, insgesamt also maximal 200 Punkte zu erreichen. „Wirtschaft & Demografie“ heißt ein solches Themenfeld im Seniorenatlas. Ergebnis für Gelsenkirchen: Platz 401 mit 9,5 von 50 Punkten. Um „Bildung & Soziales“ geht es unter anderem im Familienatlas. Ergebnis für Gelsenkirchen: Platz 401 mit 19,5 von 50 Punkten.
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Auch wenn die neuen Ergebnisse anderthalb Jahre nach der Lebensqualitätsstudie kaum überraschen: Im Hans-Sachs-Haus sieht man sich an der Haltung gegenüber derartigen Erhebungen bestätigt. „Wir haben nach wie Zweifel an der Methodik und halten die Aussagekraft für sehr gering“, sagt Stadtsprecher Oliver Schäfer auf WAZ-Nachfrage. „Wir entdecken Ungereimtheiten.“ So gibt es bei den Senioren zum Beispiel das Themenfeld „Wohnen & Freizeit“. In die Unterkategorie „Sportmöglichkeiten“ fließen ein: die Zahl der Schwimmbäder, der Golfplätze und der Trimm-dich-Pfade. „Bei den Schwimmbädern dürften wir eigentlich so schlecht nicht dastehen“, so Schäfer. „Und Boule-Flächen wurden gar nicht erst mit eingerechnet. Da haben wir einige von in Gelsenkirchen.“
Was das Institut Prognos zur Deutschland-Studie sagt
Dazu heißt es von Prognos: „Ältere Menschen sind aktiv, machen gerne Gymnastik, gehen schwimmen und spielen Golf – das zeigen Befragungen. Wir haben versucht, diese sportlichen Lieblingsbeschäftigungen der Seniorinnen und Senioren entsprechend zu erfassen.“ Für die Punktevergabe könnten zudem nur Indikatoren zählen, die flächendeckend und einheitlich verfügbar sind. Das sei bei Boule-Plätzen leider nicht der Fall. Bei den Schwimmbädern sieht es im deutschlandweiten Vergleich schlecht aus, obwohl Gelsenkirchen zurzeit über sechs Bäder verfügt. „In der Studie zählen Schwimmbäder je 10.000 Senioren. Somit erreicht Gelsenkirchen Rang 359 beim Indikator Schwimmbäder.“
Aber man kann der Studie, gerade in den Unter-Kategorien, auch einige extrem positive Aspekte entnehmen. So belegt Gelsenkirchen Platz 18 bei der Entfernung zur nächsten Grundschule, Platz 21 bei der Erreichbarkeit von Supermärkten, Platz 23 bei der Breitbandverfügbarkeit, Platz 28 bei Anzahl von Kindern und Geburten, Platz 28 bei der Apotheken- und Platz 32 bei der Hausarzterreichbarkeit.
„#401GE“: Das sagt Kampagnen-Erfinder Olivier Kruschinski
Olivier Kruschinski, der nach der Studie 2018 „#401GE“ ins Leben rief, sieht seine Kampagne auch ohne letzten Platz nicht gefährdet: „Das ist ja schon fast eine Marke“, sagt er zur WAZ. „So schnell werden wir das Image nicht los.“ Er werde auch in Zukunft nicht „in den allgemeinen Duktus dieser Rumnölerei fallen“. Außerhalb des Emscheräquators interessiere sich sowieso kaum jemand für das Thema. Und so begegnet er den neuen Studien mit gewohnter Ironie: „Wir sind jetzt auf der Überholspur. Wir rollen das Feld von hinten auf. Wenn das so weitergeht, ist München bald dran.“
Mit etwas größerer Ernsthaftigkeit fügt er hinzu: „Wenn man in München die ganzen Millionäre rausrechnet, geht es den Senioren dort auch nicht besser als in Gelsenkirchen. Man muss ja nur die Schickimicki-Viertel verlassen, dann sieht man auch in München Flaschensammler.“