Gelsenkirchen. Das Volkshaus Rotthausen in Gelsenkirchen hat Potenzial für eine unendliche Geschichte. 2020 gibt es Geld für konkretere Planungen.

Im Bestseller-Roman „Momo“ von Michael Ende muss man rund um das Nirgendhaus alles langsam tun, um schnell voranzukommen. Im Fall des Volkshauses Rotthausen darf man Zweifel an den Erfolgsaussichten einer solchen Strategie haben. Seit Jahren wird um den Fortbestand und vor allem und den Weiterbetrieb des denkmalgeschützten Hauses gerungen – getan hat sich bislang wenig. Quer durch die Parteien gibt es massive Kritik.

Laut wurde die Kritik bei der Sitzung der Bezirksvertretung Süd, wie Michael Thomas Fath berichtete. Er ist Bezirksbürgermeister im Stadtsüden und zugleich der Vorsitzende des Gremiums, das sich am Mittwoch von dem Sachstandsbericht zum Volkshaus mehr versprochen hatte. Selbst der Bezirksfraktionsvorsitzende Tobias Lang (SPD) habe es als Frechheit bezeichnet, das Ideenpapier „rotthouseGE“ von Verwaltungsseite als Konzept zu betiteln. In diesen Kanon stimmte die CDU laut Fath mit Lothar Jacksteit und Willi Mast (AUF) mit ein, auch ihnen ist die Konzeptidee wie schon in den vergangenen Beratungen deutlich wurde zu nebulös und nicht ausgereift genug – immerhin liefert das Haus seit zehn Jahren fortwährend Diskussionsstoff.

Übte scharfe Kritik: Tobias Lang, Bezirksfraktionsvorsitzender der SPD.
Übte scharfe Kritik: Tobias Lang, Bezirksfraktionsvorsitzender der SPD. © Andreas Weiss

Komplettsanierung würde etwa 16 Millionen Euro verschlingen

Die Hängepartie rund um das Volkshaus, für dessen Erhalt und Weiterbetrieb Bürgerschaft, Vereine und lokale Politik sich einsetzen, hat vor allem finanzielle Gründe und im Denkmalschutz einen massiven Kostentreiber. Schätzungsweise 16 Millionen Euro würde eine Komplettsanierung des von Alfred Fischer entworfenen Gebäudes im Backstein-Expressionismus verschlingen. Angesichts von 22 Millionen Euro, die das integrierte Entwicklungskonzept für den Stadtteil über zehn Jahre an Geldmitteln ausweist utopisch, auch nur daran zu denken. Allein „die bauliche Barrierefreiheit und die Erneuerung der WC-Anlagen“ käme nach vorsichtiger Schätzung von Thilo Steinmann vom Referat Hochbau und Liegenschaften auf 2,6 Millionen Euro. Und: Schon im Frühjahr 2018 hatte Steinmann die Bezirksvertretung wissen lassen, dass Gelsenkirchens Schulen auf der Prioritätenliste oben stünden. Was den Stillstand in Rotthausen ebenso erklärt.

Testbetrieb als Grundlage für künftige Nutzung

Viel Hoffnung wurde in den sogenannten „Testbetrieb“ gesetzt, ein Aktivierungsprozess für das Volkshaus Rotthausen, bei dem Vereine, Organisationen und weitere lokale Akteure zwischen Oktober 2015 und August 2016 eingebunden wurden. Die Erfahrungen aus dem Testbetrieb bildeten die Grundlage für das zukünftige Nutzungskonzept des Volkshauses am Grünen Weg.

Prof. Swen Geiss von der Alanus Hochschule war nach dem Testbetrieb vor zwei Jahren unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, das Volkshaus funktioniere nicht ohne Betreiber. Die Stadt als Eigentümer könnte das Haus selbst weiter betreiben oder einen neuen Betreiber suchen. Aber laut Bezirksbürgermeister Michael Thomas Fath verfügt die Verwaltung nicht mal über Personal, das „solche Miet- und Pachtverträge erstellen könnte“.

Zum 100. Geburtstag des Volkshauses in 2020 geht es allenfalls auf planerischer Ebene in kleinen Schritten weiter. 300.000 Euro sieht der Haushaltsentwurf 2020 der Stadt dafür vor, nach Angaben der Verwaltung „warten wir auf den Fördergeldbescheid“, so Sprecher Martin Schulmann, damit Architekten, Statiker und Co. loslegen können. Belastbare Zahlen für die Umsetzung des vom ehemaligen Kulturreferatsleiter Volker Bandelow ausgearbeiteten Konzeptes für eine bewegte Kinder- und Jugendarbeit gibt es damit erst frühestens im nächsten Frühjahr.

Zentraler Aktionsraum soll der Saal im Erdgeschoss werden

Kern der Idee und zentraler Aktionsraum im Volkshaus Rotthausen ist der 6000 Quadratmeter umfassende Saal im Erdgeschoss, der zum lebendigen Aktionsraum für die Hauptzielgruppe – Zehn- bis 17-Jährige – werden soll: unter anderem als Tanzboden (Breakdance, Hip-Hop, Folklore), durch Hindernisse für Parcours-Sport, per Bühne für Theater, durch eine Boulderwand (Klettern) sowie durch Bewegungs- und Rückzugsräume und Werkstätten (Yoga, Medienbüros).

„Wir wären schon froh, wenn der Betrieb überhaupt irgendwie weiterlaufen würde“, sagt Bezirksbürgermeister Michael Thomas Fath mit Blick auf das Konzept. Ob es am Ende so kommt, bleibt offen. Dafür sind noch viele Schritte zu gehen. Zumindest in Endes berühmten Märchen hat Langsamkeit „Momo“ erfolgreich zum Ziel geführt.