Gelsenkirchen. Heimatforscher Alexander Pentek suchte nach Spuren von verschwundenen Tierparks in Gelsenkirchen. Seine Ergebnisse stellt er beim Heimatbund vor.

Tierverrückt waren Gelsenkirchener offensichtlich schon Ende des 19. Jahrhunderts. Zoopioniere im Kaiserreich gingen bei ihrer Suche nach tierischen Attraktionen weite Wege, um Gelsenkirchener Bürgern auch exotische Tierfamilien zu präsentieren. In dem Heft des Heimatbundes „Gelsenkirchens verschwundene Tierparks“ sucht der Autor und Heimatforscher Alexander Pentek nach ersten tiergärtnerischen Spuren in Gelsenkirchen.

Alligator in der Grotte der Gelsenkirchener Tierschau

Einer der Söhne des Pelzhändlers Carl Cofflet muss besonders vernarrt in die unterschiedlichsten Tierarten gewesen sein. Die Idee seines Vaters klang verrückt, wurde aber 1887 realisiert. Im Hinterhof seiner Gaststätte an der Marktstraße, der heutigen Von-Oven-Straße, schuf er den ersten Zoo im Ruhrgebiet. Das Ambiente im Hinterhof der Gaststätte hatte eher den Charakter einer Arche Noah. Auf einer Länge von 37,50 Metern und einer Breite von 15 Metern teilten sich Enten und Kampfhähne mit Affen, Schakalen, Flughunden, Nasenbären, Flamingos, Seeadler, Turmfalken, Eidechsen den bescheidenen Platz In einer Grotte, die aus Tuffstein errichtet worden war, ergoss sich ein Wasserfall. Schlangen und Alligator gehörten ebenso zum Inventar wie eine bunt schillernde Fischpracht in 13 Becken. Teilweise in drei Etagen übereinander stapelten sich die Gehege. Der Wirt wollte offensichtlich die exotische Schau zusätzlich durch entsprechendes Personal betonen. So bediente ein Mann aus Kamerun die Gäste in der Wirtschaft.

10 Pfennig bezahlten Erwachsene für das Erlebnis

Noch bis zum 1. Weltkrieg konnten Gelsenkirchener die versteckten tierischen Attraktionen bestaunen. Erstaunlich wenig wurde über den ungewöhnlichen Zoo in der Öffentlichkeit bekannt. In einer Anzeige warb der Kneipier 1890 zum Besuch seiner Tierschau. 10 Pfennig bezahlten Erwachsene für das Erlebnis, eine eher unwirklich anmutende Tierszenerie bestaunen zu können. Mit den Erlösen deckte der Geschäftsmann einen Teil seiner Betriebskosten.

Braunbär Philipp war der Liebling der Kinder

Fritz und Lotte hießen die Rothirsche, die einst im Stadtgarten lebten und dort auch für Nachwuchs sorgten.
Fritz und Lotte hießen die Rothirsche, die einst im Stadtgarten lebten und dort auch für Nachwuchs sorgten. © Kurt Müller

Ins Herz geschlossen hatten Gelsenkirchener Tierfreunde einen Braunbären, der ab 1910 im heutigen Von-Wedelstaedt-Park sein Quartier hatte. Über 30 Jahre lebte „Philipp“, der sich auch in einem Planschbecken vergnügen und in eine Höhle zurückziehen konnte, in seinem Käfig. Der Gast aus dem Kaukasus wurde auch während des Krieges von den Besuchern durchgefüttert, galt vor allem als Liebling der Kinder. Sein Zwinger stand neben dem Wildgehege, in dem Damhirsche lebten. Auch Fasane, ein Pfauenpaar, Zwerghühner, Tauben, zwei Aras und ein Steinadler lebten im Südpark, der damals als schönster Gelsenkirchener Stadtpark galt.

Band 21 der Heftreihe

Der Band 21 des Heimatbundes hat den Titel „Gelsenkirchens verschwundene Tierparks.“ Der Autor und Heimatforscher Alexander Pentek hat lange recherchiert und erstaunliche Geschichten über Tiergärten in der Stadt entdeckt.

Das Heft ist zum Preis von 5 Euro im Handel erhältlich. Info: www.heimatbund-gelsenkirchen.de oder info@heimatbund-gelsenkirchen.de

Zwischen 1901 und 1903 hatte sich ein Verschönerungsverein gegründet, der die Anlage bezahlte. Im Krieg wurden Gehege zerstört, Tiere getötet. „Philipp“ überlebte als einziges Tier den Krieg. Als trist beschrieb ein Redakteur der Gelsenkirchener Allgemeinen Zeitung danach das Leben des einsamen Bären, der 1941 gestorben ist. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Anlage abgebaut. Als einziges Zeugnis aus früherer Zeit steht noch das ehemalige Gärtnerhaus mitten im Park.

Am Standort der Maritim-Türme standen Gewächshäuser

Im Stadtgarten sorgten Mitte der 20er Jahre die Rothirsche „Fritz“ und „Lotte“ für Nachwuchs. Dort, wo sich heute die Maritim-Türme in den Himmel recken, standen Gewächshäuser, wuchsen tropische Pflanzen. Eine farben- und artenreiche Tierwelt entstand in den 30er Jahren am Junkerweg nahe Haus Leithe. Das Grundstück auf dem heutigen Gelände des Kinderspielplatzes hatte die Stadt dem „Aquarien-Liebhaberverein“ zur Verfügung gestellt. Zwei Teiche, 40 Schaubecken im Aquarienhaus belebten den Tiergarten. Waschbären, Schlangen, Affen, Papageien bildeten eine tierische Großfamilie. Später änderten die Pächter den Namen in „Heimat-Tiergarten“. Sie hatten sich als Ziel gesetzt, eine Vogelwarte einzurichten und in den Südpark umzuziehen. Doch die Stadt hatte wenig Interesse an der Zukunft eines zweiten Zoos nach der Gründung des Ruhr-Zoos 1949. Der Verein musste die Tiere verkaufen und die Anlagen auf eigene Kosten wieder abreißen lassen.