Gelsenkirchen-Ückendorf. Am Marienhospital Gelsenkirchen sind die Gipsarme und -beine in der Kinderklinik neuerdings aus Holz. Die WAZ zeigt, wie das funktioniert.
Holz statt Gips – an der Kinderklinik am Marienhospital Gelsenkirchen ist das bereits alltäglich im Einsatz. Der leitende Arzt, Dr. Kolja Eckert, hatte sich die Einführung des neuen Materials gewünscht, im Sinne der Kinder. „Die Holzplatten sind leichter, atmungsaktiv, besser anzupassen, schadstofffrei, biologisch abbaubar und können bei Bedarf auch zwischenzeitlich neu angepasst werden“, erklärt der Kinderarzt die Vorteile.
Grundstoff sind mit einem Binder auf Milchsäurebasis zusammengepresste Holzspäne. Angeliefert werden sie in Platten verschiedener Dicke von einem bis vier Millimetern. In einem Spezialofen werden die Platten mit Rotlicht bei 1000 Grad erwärmt, um formbar zu werden. Je nach Dicke der Platte sind sie binnen 120 bis 180 Sekunden weich genug. Sechs Minuten hat der behandelnde Arzt beziehungsweise die Pflegekraft dann Zeit, um den „Holzgips“ anzulegen und passend zu formen, dann ist er ausgehärtet. Bevor er jedoch angelegt wird, zieht Eckert kräftig an allen Ecken, wodurch regelmäßig auf der Fläche verteilte kleine Löcher entstehen. Dank diesen Löchern kann die Haut unter dem stabilisierenden Verband im Gegensatz zum Synthetikverband und zum Gips atmen.
Ein Strumpf schützt die Haut unter der Schiene
Allerdings kommt der „Woodcast“ (wörtlich übersetzt: Holzschiene) – genauso wie der Gips – nicht direkt auf die Haut. Zunächst wird ein dünner Strumpf auf Arm, Bein oder Hand gezogen, bevor die flexible Platte darum fixiert wird. Am Beispiel von Takwa (5) zeigt Kolja Eckert, wie es funktioniert. Das kleine Mädchen hält geduldig still. Zu heiß ist das Material trotz 1000-Grad-Ofen nicht – weil es schnell auskühlt und weil der Strumpf die Haut schützt. Im Handumdrehen wird das Material fest. Unterdessen werden die Ränder an der Hand mit der Schere angepasst. Im weichen Zustand lässt es sich leicht schneiden. Zum Schluss umhüllt eine Mullbinde die Schiene, fixiert mit einer Klebebinde in sattem Lila.
„Drei bis vier Wochen, genau wie der Gips, bleibt diese Schiene drauf, um den gebrochenen oder angebrochenen Knochen ruhig zu stellen“, erklärt Eckert noch. Er ist der erste in der Klinik und auch in der ganzen Region, der mit Woodcasts arbeitet. Warum andere beim Einsatz zögern, ist ihm eigentlich unverständlich. „Der Schutz ist genauso gut wie bei Gipsverbänden oder auch Synthetikgips. Und Synthetikgips ist zwar auch leicht, aber er dünstet aus, was weniger für die Patienten, die nur kurz damit in Kontakt kommen, als vielmehr für die Mitarbeiter, die ihn anlegen, schädlich sein könnte. Darüber liegen noch nicht genug Erfahrungen vor“, klagt er.
Seiner Überzeugung nach sind Woodcasts auch sehr gut für den Einsatz bei Erwachsenen geeignet, auf jeden Fall solange es um Arme und Hände geht. Bei Chirurgen allerdings hat sich die neue Technik allerdings noch nicht durchgesetzt.
Holzspäne von Espen
Die Holzspäne, die zu Platten gepresst werden, stammen von besonderen Bäumen, und zwar von Espen aus einem eigens dafür angelegten Wald im Baltikum.
Als medizinischer Werkstoff unterliegen sie besonderen Anforderungen, werden entsprechend gezogen und verarbeitet. Theoretisch könnte man das Material sogar essen, verrät Kolja Eckert. Es sei aber völlig geschmacksfrei.