Gelsenkirchen. Sie sorgen dafür, dass Pendler täglich von A nach B kommen in Gelsenkirchen. Dennoch sind Busfahrer Gewalt ausgesetzt. Ein Einblick.

Weil er einem Pärchen im Bus klarmachen wollte, dass ihre Kurzstreckenfahrt am Junkerweg in Ückendorf endete und sie entweder aussteigen oder zuzahlen müssten für die Weiterfahrt, bekam der pflichtbewusste Busfahrer (56) erst üble Beschimpfungen an den Kopf geworfen, danach hagelte es Faustschläge und Fußtritte. Das ist jetzt rund vier Wochen her, der Täter ist nicht gefasst. Ein Einzelfall? Wohl kaum, denn von solchen Angriffen berichtet die Polizei zwar nicht regelmäßig, aber auch nicht selten.

Zahlen und Fakten zur Vestischen und zur Bogestra

Die Vestische verfügt derzeit nach eigenen Angaben über eine Flotte von 231 Bussen. Das Unternehmen beschäftigt 980 Mitarbeiter. Die Zahl der Fahrgäste wird mit rund 60 Millionen Kunden im Jahr angegeben.

Die Bogestra hat im vergangenen Jahr 142,6 Millionen Fahrgäste befördert. 2320 Mitarbeiter sind bei dem Unternehmen beschäftigt. Ihre Busflotte besteht aus 230 Fahrzeugen.

Wie ist es also um die Gewalt gegen Busfahrer bestellt? Hat sich das gesellschaftliche Phänomen von Übergriffen auf Polizei und Feuerwehr auch auf die Verkehrsbetriebe ausgebreitet, die täglich tausende Pendler von A nach B bringen? Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann berichtet von „rund einem Dutzend Vorfällen in den beiden vergangenen Jahren, in denen Gewalt gegen unsere Fahrer ausgeübt wurde“. Eine signifikante Steigerung habe er bei seiner betriebsinternen Recherche nicht feststellen können. Die Verkehrsbetriebe sorgten mit einem bewährten Erstbetreuer-System dafür, dass „der betroffene Kollege die Unterstützung erfährt, die er individuell benötigt.“ Was das im Einzelnen ist, und wie sich die Bogestra wappnet gegen Gewalt, blieb offen. Betont wird, dass „die Fahrgastzahl von mehr als 140 Millionen Menschen pro Jahr ein deutliches Zeichen von hoher Nutzung bei gleichzeitig hoher Sicherheit“ sei.

Bogestra-Pressesprecher Christoph Kollmann.
Bogestra-Pressesprecher Christoph Kollmann. © WAZ FotoPool | Thomas Schmidtke

16 Angriffe auf Busfahrer im Jahr 2018

Ausführlicher über Angriffe im Fahrdienst, über Fallzahlen und Sicherheitsanstrengungen von Unternehmensseite lässt sich Christoph van Bürk, Sprecher der Vestischen, aus. „Wir haben vor vier Jahren 26 Übergriffe registriert, in den Jahren danach waren es 17, 21 und zuletzt im Jahr 2018 noch 16 tätliche Übergriffe.“

Ordnungspartnerschaft zwischen Polizei und Verkehrsdienstleister

Dass die Fallzahlen rückläufig sind, darf man zweifellos den Ordnungspartnerschaften zwischen Polizei und Verkehrsdienstlern zuschreiben, das gilt sowohl für die Bogestra als auch für die Vestische. Videoüberwachung in den Fahrzeugen ist mittlerweile Standard, die Gefahr, als Täter identifiziert zu werden, ist beträchtlich. Aber die Betriebe tun noch mehr, wie am Beispiel der Vestischen deutlich wird.

Mitte der 2000er-Jahre wurde das sogenannte Berufsbezogene Interventions- und Sicherheitstraining (BIUS) ins Leben gerufen. Experten der Polizei unterrichten dabei die Fahrer, wie sie reagieren oder auftreten müssen, um der Gefahr aus dem Weg zu gehen oder sie im Keim zu ersticken. „Mittlerweile haben wir 800 Mitarbeiter geschult“, sagt van Bürk. Das 50. Seminar fand erst jüngst in diesem Jahr statt. Dazu gibt es für die Absolventen Auffrischungskurse, drücken jedes Jahr über 400 Mitarbeiter noch einmal die „Schulbank“. Denn nur das ständige Üben festigt Reaktion und Abläufe, das ist in vielen Dingen so. Einen Freistoß um die Ecke zirkeln kann auch nicht jeder, also wird es regelmäßig geübt.

Die Sitzanordnung ist kein Zufall. Insbesondere in hinteren Reihen sitzen sich Fahrgäste gegenüber, gerät das Geschehen auf den Plätzen ins Blickfeld.
Die Sitzanordnung ist kein Zufall. Insbesondere in hinteren Reihen sitzen sich Fahrgäste gegenüber, gerät das Geschehen auf den Plätzen ins Blickfeld. © Barbara Zabka / FFs

Eingriffsteams sind in zehn Minuten zur Stelle

Außerdem hält die Vestische seit Dezember 2018 Präventionsteams bereit, bestehend aus einem Fahrer und zwei Security-Profis, „die innerhalb von zehn Minuten am Bus sein können“, so der Sprecher weiter. Sie sind vor allem an den frequenzstarken Ausgehtagen zur Stelle, also freitag- und samstagabends.

Ein sogenannter Ü-Taster in der Nähe des Fahrers ermöglicht es zudem, dass sich bei Gefahr die Leitstelle auf die Videokameras des Busses schalten kann, um Beweismaterial zu sichern und die Polizei zu verständigen. „Das Drücken hat zur Folge, dass die Aufzeichnung 15 Minuten vor und nach der Aktivierung des Alarms nicht später gelöscht, sondern archiviert wird, so dass sich die Entwicklung des Geschehens im Bus sehr detailliert rekonstruieren lässt“, sagt Christoph van Bürk. Und seit diesem Jahr schirmt eine Ohrenscheibe den Fahrer von seitlichen Angriffen ab. Motto: Vorsicht ist besser als Nachsicht.