Gelsenkirchen-Rotthausen. Quiz-Fragen zu Suppe, Wasser, Wein und Frotzeleien: Wolfgang Eichler und Heinrich Jung verfolgen „Wer wird Millionär?“ seit Jahren gemeinsam.
Günther Jauch stellt die Millionenfrage. „Pfffffttt, ganz schön kniffelig“, entfährt es Wolfgang Eichler. Welches Märchen fängt nicht mit „Es war einmal...“ an, will Jauch von seinem TV-Kandidaten wissen. Eichler legt sich nach kurzem Überlegen fest: „Sterntaler“. Heinrich Jung ist für „Rumpelstilzchen. Das ist ja ziemlich grausam, das fängt sicher nicht so harmlos an“, ist er sicher. Die beiden Männer sitzen bei Eichler in der Wohnung. Vor ihnen auf dem Esstisch aufgeschnittenes Baguette, ein Topf dampfende Suppe, diesmal eine Variation aus Lauch-Hack-Käse, zwei Gläser Rotwein, Wasser und der Fernseher. Willkommen in ihrer WWM-Welt.
Eigentlich ist es ja eine feste eine Dreier-Männer-Runde. Hier die beiden Gelsenkirchener, dort der Showmaster im Flachbild-TV, eingerahmt im Bücherregal. Seit zig Jahren zelebrieren die Freunde gemeinsam mit Jauch und dazu hunderten wechselnden Kandidaten im RTL-Ratestuhl ihre „Wer wird Millionär?“-Abende. Auch die Show zum20. Geburtstag der Sendungverfolgen sie natürlich. Samt neuem Quiz-Millionär. Jan Stroh aus Hamburg setzt bei seiner Antwort auf „Hans im Glück“. Volltreffer, Goldglitter, Glückwünsche. Das Duo am Tisch beschäftigt eher die Krawatte des Neu-Millionärs. Nun ja, dass das Paisleymuster gewöhnungsbedürftig ist, findet an diesem Abend nicht nur der Quizmaster.
Bielendorfer ist gefragt
Im Studio sitzen Kandidaten, die in den vergangenen Jahren bei Jauch abkassiert haben, dazu diverse A-; B- und C-Promis, die einst für den guten Zweck antraten und gewannen. Eichler und Jung interessiert das eher am Rande. Calmund, Oli Pocher, Inka Bause, die Köche Christian Rach und Horst Lichter, Elton, Matze Knop – sie alle sind zum 20. da und werden immer mal wieder von der Kamera eingefangen, melden sich zwischendurch zu Wort. Bastian Bielendorfer, das Gelsenkirchener „Lehrerkind“, längst erfolgreicher Comedian und Autor, sitzt auch im Publikum. 32.000 Euro hat er 2010 bei Jauch kassiert.
1408 Folgen in 20 Jahren
Die Jubiläumsausgabe war Folge 1408 der Rateshow. 86 Mal wurde die Millionenfrage gestellt. Mit Jan Stroh wurde Montag der 15. WWM-Millionär gekürt.
Über 2800 Kandidaten saßen Günther Jauch in den vergangenen 20 Jahren gegenüber. 285.000 Kandidaten stehen aktuell auf der Warteliste. Die Wartezeit beträgt über 3,5 Jahre,.
Nachhaltiger als der Gewinn wirkte aber der Anruf des Ex-Grillo-Gymnasiasten bei seinem Vater in der Sendung. Bereits bei 8000 Euro „zog“ er ihn als Telefonjoker – geradezu eine Beleidigung für den Familienintellekt, fand der, gab die richtige Antwort und legte grußlos auf. Jauch war verdutzt, Bielendorfer junior ging höchst amüsant mit der Situation um – und der Rest ist höchst unterhaltsame und immer wieder ausgeschlachtete Geschichte. Den Männern am Tisch ist sie allerdings ziemlich wurscht. Sie wollen nur: Fragen, Fragen, Fragen. „Da lassen wir uns keine entgehen“, sagt Eichler und freut sich, wenn er einen Treffer landet. Sein Spezialgebiet sind Fotografie und Film. „Ich bin Cineast.“
Denksport, vergleichbar mit Kreuzworträtseln
In den Werbepausen stellen die beiden denn auch konsequent den Ton ab, reden über Gott und die Welt. Dann geht es weiter. „Das ist ja so etwas wie Denksport, vergleichbar mit Kreuzworträtseln“, findet Eichler. „Und dann ergeben sich schon mal Diskussionen: Entweder merkst du: Paff, du kennst die Antwort. Oder es gibt Fragen, da ist klar, du hast absolut keine Ahnung. Und dann gibt es eben welche, wo wir mit logischem Denken zur Lösung kommen.“ „Oder du überlegst: welchen Joker würde ich jetzt nehmen“, ergänzt Jung. All’ das macht für beide den Reiz aus. Antworten googeln, vielleicht sogar unter der Gewinnnummer zur Werbung anrufen? Absolut tabu.
Zwischendurch googeln ist tabu
Mitraten ist die eine Sache, mitfühlen eine andere. Eine Kandidatin, die später mit 500 Euro abziehen wird, kommt bei den beiden nicht so recht an. „Die hat noch drei Joker. Das dauert, bis die fertig ist“, glaubt Jung – und vertut sich. Minnten später sind die Joker und die Kandidatin weg. Neuer Spieler, neues Glück. „ich finde manchmal doof, wenn Jauch die Leute auflaufen lässt“, sagt Jung. Aber er ist dabei ja nie gemein“, stellt der Fotograf fest. Und auch das beobachtet er beim Quiz-Master: „Manchmal flirtet er.“
Überhaupt Jauch. Über die ganzen Jahre, meint Eichler, habe sich der Moderator weiterentwickelt, dazu käme die „gemütliche Form der Sendung. Das ist so, als würde man mit Günther Jauch sprechen und teilhaben.“ Jung findet: „Der ist schlagfertig, witzig und charmant“, dazu kämen die oft originellen Fragen „voller Humor und Wortverdrehungen“. Diese Mischung hält die beiden Männer durchgängig in WWM-Laune. „Obwohl wir auch keine absoluten Fans sind. Oder Ratefetischisten“, schränkt Jung ein. „Und manchmal verpassen wir auch eine Sendung. Wir sind ja kein Kegelclub.“ Bierernst ist anders.
„Bier, Brot, Butter, Blutwurst“
„Was wird freigeschoben und auch angeschoben“ will der Moderator am frühen Abend von Jan Stroh wissen. „Bier, Brot, Butter, Blutwurst“ stehen zur Wahl. „Gemeine Frage“, sagt Eichler – und setzt aufs Brot. Kandidat Stroh, der späterer Millionen-Mann, auch. Beide liegen richtig. Dem Ultra-Fan im Studio, der geradezu ein wandelndes WWM-Lexikon ist, mal auf den Ratestuhl zu folgen, ist für die beiden Männer an ihrem Ratetisch kein Thema. Casting und ewig lange Bewerbungszeiten wären nicht ihr Ding. Und dann gibt es da ja auch noch die Entscheidungsfragen, die erst in die Studiomitte führen. Auch am Jubiläumsabend steht für die beiden Heim-Kandidaten nach den jeweiligen Quali-Runden fest: Sie waren wieder mal zu langsam, es hätte nicht gereicht.