Sascha Kurth im Sommergespräch: Der CDU-Vorsitzende über seine Partei, Bäder und Verkehr und die Frage, ob er als OB-Kandidat antreten will.
Herr Kurth, Sie sind jetzt seit knapp zwei Jahren Vorsitzender der CDU in Gelsenkirchen.
Ja, frisch wiedergewählt.
Haben Sie sich dieses Amt so vorgestellt, wie es sich die letzten zwei Jahre angefühlt hat?
Nach zwei Jahren hat erst mal eine reelle Vorstellung von dem, was das Amt ausmacht. Man macht das ja auch ehrenamtlich. Insofern ist es eine besondere Herausforderung, das zeitlich so auszugestalten, wie man das dann möchte.
Ist es zeitfressender, als Sie gedacht haben?
Ich habe einen eigenen Anspruch an das, was ich mache. Insofern ist das dann zeitintensiv, auch intensiver, als ich mir das vorher vorgestellt habe. Von der Gesamtschau her aber positiver, als ich’s mir vorgestellt habe.
Noch schaffen Sie also, alles unter einen Hut zu bekommen?
Ja. Und man hat auch Gestaltungsspielraum. Das ist auch das, was mir wichtig ist.
Worüber haben Sie sich in den zwei Jahren am meisten gefreut?
Dass wir es wirklich geschafft haben, die Arbeit in Gelsenkirchen auf breite Beine zu stellen. Das klingt jetzt so ein bisschen wie eine Phrase. Aber wenn Sie sehen, wie viele Aktive beim Kreisverband und in den Ortsverbänden bereit sind, ihre Freizeit und ihr Engagement einzubringen zum Wohle mittelbar erst mal unserer Partei – aber natürlich vor dem Hintergrund, dass wir was für die Stadt machen wollen –, dann hat mich das schon überrascht. Und das nicht nur, wenn es um Posten geht. Wir haben in den zwei Jahren viele Aktionen gemacht, bei denen ehrenamtliches Engagement von Nöten war.
Worüber haben Sie sich am meisten geärgert?
Geärgert ist relativ. Parteiarbeit ist immer geprägt von Dingen, die einem richtig Spaß machen, die auch motivierend sind. Es gibt aber auch Dinge, die unglücklich, die nicht so schön sind. Aber wenn ich mich jeden Tag über die CDU ärgern würde… Ich ärgere mich manchmal über das eine oder andere, was Parteifreunde in anderen Regionen machen. Und dann lese ich irgendwo: Die CDU fordert…, die CDU will… Dabei hat das irgendein drittrangiger Landespolitiker irgendwo in einem Bundesland, in dem ich noch nie war, gefordert.
Ich gehe mal davon aus, dass Sie sich auch darüber freuen, dass das Thema Bäderkonzept seit Mai endgültig vom Tisch ist. Was würden Sie sagen: Wie viel CDU steckt in der finalen Entscheidung?
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Da ist 4+2 auf jeden Fall drin. Der ein oder andere möchte vielleicht nicht so gerne, dass das draufsteht, aber im Endeffekt ist es 4+2. Von daher steckt da sehr viel CDU mit drin. Ich glaube auch, dass unsere erfolgreiche Kampagne dazu beigetragen hat, dass das Thema den Stellenwert in Gelsenkirchen bekommen hat, den es verdient hat. Das Thema ist aber auch noch nicht vorbei. Jetzt geht’s ja noch darum, die einzelnen Konfigurationen der Bäder auszugestalten.
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Dass die SPD-Mehrheitsfraktion sich für diese Lösung entscheiden hat, ist vielleicht auch ein paar Worten von Oberbürgermeister Frank Baranowski zu verdanken. Hatte er sich mit seiner Aussage, dass er einer Zahl von insgesamt sechs Bädern etwas abgewinnen könne, auf die Seite der CDU geschlagen?
Politisch betrachtet würde er das wahrscheinlich verneinen, inhaltlich betrachtet war es aber natürlich so.
Haben Sie nicht die Sorge, dass es trotz dieser Entscheidung niemals zu 4+2 kommen wird? Ich meine, bis beide neuen Bäder eröffnet haben, könnten wir die Mitte des nächsten Jahrzehnts erreicht haben. Dann könnte das Jahnbad, das ja nur noch so lange weiterlaufen soll, wie es ohne große Investitionen auskommt, auch schon Geschichte sein…
Kampagne der CDU
Die CDU setzt in der Bäderdebatte auf „4+2“. Dahinter verbirgt sich der Erhalt aller vier derzeitigen Standorte (Sport-Paradies und Zentralbad sowie die Hallenbäder in Buer und Horst) plus das Freibad im Revierpark Nienhausen und das Jahnbad in Heßler.
Unter www.baederkonzept.de hat die CDU eigens eine Homepage zur Kampagne eingerichtet.
Das ist ein bisschen der Blick in die Glaskugel. Das Jahnbad hat eine ganz wichtige Funktion. Es erfreut sich auch großer Beliebtheit, deshalb müssen wir dort den Stand halten. Aber irgendwann ist natürlich der Punkt erreicht, an dem eine Instandhaltung nur noch schwer möglich ist.
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Nun ist die Bäderdebatte durch. Gelsenkirchen diskutiert wieder über andere Sachen – zum Beispiel über Luftreinheit, über eventuelle Fahrverbote, letztlich auch ganz allgemein über Mobilität. Wo steht Gelsenkirchen aus Ihrer Sicht verkehrstechnisch?
Insgesamt betrachtet haben wir beim Thema Mobilität sehr viel Luft nach oben. Das betrifft zum einen die Potenziale, die wir im Moment noch verschenken, beim Thema Vernetzte Mobilität. Das wurde ja dieses Jahr relativ hochgehängt . Wir reden viel über vernetzte Mobilität, aber es gibt sie in Gelsenkirchen nur rudimentär. Die Initiativen, die man erwarten könnte nach den getätigten Ankündigungen, die sind bislang nicht in der Realität angekommen.
Wo steht Gelsenkirchen beim Fünf-Minuten-Takt?
Politisch sind wir da, dass wir uns darüber unterhalten, wie viel er bringt. Die Zahlen sagen, dass durch den Fünf-Minuten-Takt kaum neue Kunden auf die Bahn umsteigen. Diese Hoffnung hat sich also nicht erfüllt. Nahverkehr im Ruhrgebiet ist ja ein bisschen mehr als Fünf-Minuten-Takt auf der Kurt-Schumacher-Straße. Wenn wir uns das gesamte System angucken, dann hakt es ja daran, dass man hier nicht in einer adäquaten Zeit von A nach B kommt. Das kriegen andere Ballungsräume, die wie Berlin oder München aber auch nur aus einer Stadt bestehen, besser hin. Die haben aber auch andere infrastrukturellen Voraussetzungen. Die Betrachtung ist ja nicht nur der Takt und auch nicht nur der Preis: Wenn ich mit dem Auto 30 Minuten brauche, mit Bus und Bahn aber zwei Stunden, dann brauche ich über Preis und Taktung fast gar nicht mehr reden.
Was glauben Sie, ist der größte Anreiz, die Leute zum Umsteigen zu bewegen?
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Es gibt nicht den einen Faktor. Ich glaube, dass die Attraktivität des ÖPNV nur zu einem ganz kleinen Teil vom Preis bestimmt wird. Wenn man die Vollkosten vergleicht, liegt man da heute schon ganz gut – je nach Auto und je nach Entfernung. Auch bei der Taktung: Ob wir jetzt den Fünf- oder den Zehn-Minuten-Takt haben, ist nicht der entscheidende Faktor. Das ist vielmehr die Verbindung. Wie komme ich von A nach B? Und die breite Masse fährt eben nicht nur mit der 302. Viele arbeiten nicht in der Stadt, in der sie wohnen. Viele müssen erst mal aus ihrer schönen Randlage zum Hauptbahnhof, vom Hauptbahnhof hier zum Hauptbahnhof in die andere Stadt, im besten Falle dann mit der Bahn weiter… Da müssen wir die Attraktivität steigern, dass die Verbindungen im Ruhrgebiet insgesamt besser werden. Aber das kann natürlich nicht ohne Investitionen passieren.
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Richten wir unseren Blick mal Richtung Kommunalwahl 2020. Die Mehrheitsverhältnisse im Rat könnten sich drastisch verschieben. Nicht, dass wir Umfragen für Gelsenkirchen hätten – aber legt man die letzten Wahlergebnisse zugrunde, könnte die SPD ihre absolute Mehrheit deutlich verlieren. Wo sehen Sie das Potenzial für die CDU in Gelsenkirchen?
Ich glaube, dass wir als CDU sehr viel Potenzial haben, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen, die mit der Politik der SPD in Gelsenkirchen unzufrieden sind. Es gibt ja viele, die die SPD bei den letzten Wahlen schon verloren hat. Und diese Menschen erhoffen sich ja eine Verbesserung ihrer Lebenssituation, ihrer Wohnsituation, der Verkehrssituation, der Sicherheitslage und bei diversen anderen Themen. Für viele dieser Problemlagen bieten wir als CDU gute Konzepte an. Es liegt jetzt an uns, das den Menschen mit Blick auf die Kommunalwahl noch einmal deutlich zu machen.
Trotzdem: Bei den letzten Wahlen haben von der Schwäche der SPD vor allem Grüne und AfD profitiert, weniger die CDU.
Ich glaube, dass wir als CDU bei der Kommunalwahl davon stärker profitieren können als bei anderen Wahlen, weil wir dann im besten Fall in Gelsenkirchen keine von europa- oder bundespolitischen Themen überlagerte Diskussion haben werden. Da können wir uns auf die Themen fokussieren, die in Gelsenkirchen brennen. Wir haben in der Vergangenheit in Gelsenkirchen diverse Themen besetzt, zum Beispiel das angesprochene Bäderkonzept. Da haben wir den Politikbetrieb auch ein Stückweit vor uns hergetrieben.
Es gab ja Erhebungen, dass es im Ruhrgebiet bei den letzten Wahlen eine starke Wählerwanderung von der SPD zur AfD gegeben hat. Wie können Sie als CDU dafür sorgen, dass enttäuschte SPD-Wähler bei Ihnen ihr Kreuzchen machen?
Das hängt natürlich stark ab von der Frage: Was treibt diese Unzufriedenheit? Ich glaube, dass wir mit Blick auf die Kommunalwahl da andere Voraussetzungen haben als bei Europa- oder Bundestagswahlen. Wir werden alles dafür tun, die Themen aus Gelsenkirchen in den Blick zu rücken. Ich habe noch kein Konzept von der AfD gesehen. Im Rat sagen sie auch nichts. Also, sie sagen schon was, aber es kommt nichts Zielführendes raus, wo ich jetzt eine politische Positionierung draus ablesen könnte – auch nicht mit sehr viel Wohlwollen. Wer aber wirklich zur Wahlurne geht mit dem Willen, Protest zu wählen – diese Leute werden wir nur schwer erreichen.
Ungewohnte Mehrheitsverhältnisse können zu ungewohnten Maßnahmen führen. In Brandenburg hat der CDU-Spitzenkandidat gesagt, er könne sich sogar eine Zusammenarbeit mit den Linken vorstellen, um eine AfD an der Regierung zu verhindern. Schließen Sie so etwas für Gelsenkirchen aus?
Wir haben das auf unserem Parteitag vor ein paar Wochen noch mal erneuert: Für uns ist eine Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch mit den Linken – eingeschlossen natürlich Parteien, die noch weiter rechts und links stehen – ausgeschlossen. Da ist Gedankengut unterwegs, mit dem wollen wir nichts zu tun haben.
Vor zwei Jahren hatte ich Sie gefragt, ob Sie 2020 der CDU-Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl sein wollen. Sie sagten damals, die Frage käme zu früh. Jetzt ist es noch etwa ein Jahr bis zur Kommunalwahl. Wie sieht’s aus?
Ich werde Ihnen da heute keine Antwort zu geben – zumindest keine, die mit einem Namen verknüpft ist.
Aber Sie schließen es nicht aus?
(lacht) Lassen Sie mich doch erst mal antworten. Wir haben als CDU das Potenzial, eine gute Kandidatin oder einen guten Kandidaten ins Rennen zu schicken. Ich würde jetzt auch lügen, wenn ich sagen würde, wir hätten uns da noch keine Gedanken zu gemacht. Demzufolge werden Sie da auch nicht mehr allzu lange auf die Folter gespannt.