Horst. Erst bleibt die Miete aus, dann fehlt vom Mieter jede Spur. Gelsenkirchener Eigentümer beklagt 20.000 Euro Schaden sitzen - wegen eines Messies.
Auslöser für jede Menge Ärger an der Markenstraße ist der süßlich-faule Geruch, der vermodernden Dingen so penetrant anhaftet. Der Gestank dringt aus einer Dachgeschosswohnung an der Markenstraße. Müll und Ungeziefer, so die Vermutung, seien der Auslöser. Vermieter Frank Müller (Name geändert) beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, nachdem die Beschwerden nicht abreißen, er scheitert aber ebenso. Sein Mieter, vom äußeren Erscheinungsbild her „ein sehr gepflegter Mann“, ignoriert jegliche Kontaktaufnahme. „Als ich mal am Briefkasten auf ihn zuging und versuchte, ihn anzusprechen, ist er eilig davongelaufen“, erzählt der 69-Jährige Gelsenkirchener. Am Ende bleibt nur der Gang zum Gericht, ein Räumungsurteil, containerweise Hinterlassenschaften eines Messies und rund 20.000 Euro Schaden.
Kein Einzelfall in Gelsenkirchen. Genaue Zahlen darüber gibt es aber nicht. Das dürfte dem Vernehmen nach auch zum großen Teil daran liegen, das Vermietern solche Messie-Fälle oft peinlich sind und sie befürchten, das der Ruf leidet. Der Eigentümerverein Haus und Grund in Gelsenkirchen hört von „ein bis zwei Fällen pro Jahr“, der Wohnungsriese Vivawest teilt mit, dass man detailliertere Informationen zu den Kundenbeziehungen leider nicht mitteilen könne und erklärt: „Wir beschäftigen in unseren Kundencentern geschulte Sozialberater. Diese kümmern sich unter anderem um Mieter, die sich in schwierigen Lebensverhältnissen befinden und versuchen individuell zur Problemlösung beizutragen und so Schaden vom Mieter, den Nachbarn und dem bewohnten Objekt abzuwenden.“
GGW berichtet von bis zu fünf Fällen pro Jahr - Kosten: jeweils über 15.000 Euro
Einzig Harald Förster, Geschäftsführer der Gelsenkirchener Wohnungsbaugesellschaft GGW nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wir räumen etwa zwei bis fünf Messie-Wohnungen im Jahr.“ Die anfallenden Sanierungskosten (für Bad, Sanitäranlagen, Türen, Bodenbeläge und Elektroinstallationen) lägen regelmäßig bei über 15.000 Euro. Förster weist zudem darauf hin, dass die Grenzen „fließend sind zwischen Messietum und Verwahrlosung“, als Beispiel nennt er Zuwanderer aus Südosteuropa.
Jobcenter hat eine Info-Borschüre für Vermieter
Das Integrationscenter für Arbeit (IAG/Jobcenter ) hat eine achtseitige Broschüre für Vermieter und Hausverwaltungen erstellt. Sie enthält wichtige Informationen über das Rechtsverhältnis von Mieter und Vermieter.
Unter anderem ist daran aufgeführt, wie es sich mit Direktzahlungen an den Vermieter verhält und ob auch eine Übernahme der Kautionszahlungen möglich ist. Darin zu finden ist auch, wie der Sozialdatenschutz behandelt wird und welche Auskunftsmöglichkeiten es gibt.
Zurück zum Fall Müller. Den Ruheständler, der mit der Vermietung von einem halben Dutzend Wohnungen seinen Lebensabend bestreitet, ärgert besonders, dass man ihm beim Jobcenter keine Auskunft geben wollte, warum denn die Miete plötzlich ausblieb. „Trotz einer Einwilligung vom Mieter, dass mir das Amt genau darüber Auskunft geben darf.“ In welcher Form die Einwilligung vorlag, ist bis zum Schluss unklar, jedenfalls hat IAG-Geschäftsführer Dirk Sußmann in der Akte des Klienten keinerlei schriftliche Erklärung gefunden, „dass wir solche Zahlungsinformationen auf Anfrage herausgeben dürfen.“ Aus Gründen des Datenschutzes sei das daher ohne Weiteres nicht möglich. „Grundsätzlich aber“, so Sußmann weiter, „können wir bei Nachweis einer solchen Einwilligungserklärung über Zahlungen wie Miete, die wir als Jobcenter tragen, Auskunft geben.“
Dass Müller den Problemmieter letztendlich losgeworden ist, hat er anwaltlicher Unterstützung zu verdanken. Der Gelsenkirchener Arndt Kempgens sorgte mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Duldung von Schädlingsbekämpfung und der Räumungsklage für Bewegung in der Sache. Zwischenzeitlich erging ein Versäumnisurteil, weil der Beklagte nicht vor Gericht erschienen ist. Auch das Amtsgericht Gelsenkirchen arbeitet schnell. Zwischen einstweiliger Verfügung und Räumungsurteil verging gerade einmal ein Monat.
Sicherheiten einfordern, Versicherung in Erwägung ziehen
Kempgens rät Vermietern, sich nicht hinhalten zu lassen und schnell zu reagieren: „Prüfen Sie die Bonität des Mieters, achten Sie bei Gehaltsnachweisen auf Anzeichen von Fälschungen, wir erleben das oft in der Praxis, und lassen Sie sich Sicherheiten geben, etwa den Kfz-Brief, Arbeitgeberbescheinigungen über mögliche Abtretungen vom Lohn.“ Und: Es gibt spezielle Rechtsschutzversicherungen für Vermieter, die das Vermieterrisiko ausdrücklich erfassen (z.B. die Übernahme der Kosten von Räumungsklagen oder Zahlungsklagen bezüglich der Miete). Außerdem gibt es Mietausfallversicherungen zum Schutz von ausbleibenden Mietzahlungen, einige Versicherungen decken auch Schutz gegen Sachschäden an der Mietsache (Kleingedrucktes lesen).
Für Müller, nun um eine (schlechte) Erfahrung reicher, kommen diese Tipps zu spät. Der 69-Jährige will aber, „dass zumindest andere nicht das Gleiche erleben müssen wie ich.“ Wann sich der Schaden wieder amortisiert hat? „Ach“, sagt der Gelsenkirchener. „Bei 220 Euro Monatsmiete und 20.000 Euro Schaden muss ich noch lange gesund bleiben und leben, um das noch zu erleben – acht Jahre.“