Bismarck. Den Auftakt zur Reihe Chöre im Süden macht der Knappenchor Bergwerk Consolidation. Der war ein Chor von Bergbeamten, ist heute viel offener.
„Glück Auf, der Steiger kommt!“ Das Lied ist mehr als nur Musik. In den ersten Jahren des Knappenchores Bergwerk Consolidation ist das auch Programm. „Eine Gruppe von Steigern fand sich 1917 zusammen und gründete den Chor“, weiß Frank Beran, der heutige erste Vorsitzende. „Das war damals ein Bergbeamtenchor.“ Ganze 92 Jahre später ist dieser besondere Männergesangsverein offen für jedermann und gefragt wie nie. Nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus an der Ruhr ist der Chor ein Sinnbild geworden für bergmännische Tradition.
Herrschen in den ersten Jahren des Chores recht hierarchische Strukturen, so sind es nach dem Krieg Männer der Grubenwehr von Consol, welche die Tradition wieder aufleben lassen. Jetzt sind alle Kumpel willkommen. Wer Beziehungen hat, kann sogar als Bergfremder dazu stoßen. So wie Friedhelm Mruk. „Ich selbst war nie Bergmann. Mein Vater war auf Consol. Und meine Cousins. Über sie bin ich hier 1962 eingeschleust worden“, sagt der Sänger und lacht.
Damals geht es um mehr als nur das Singen. „Es war eine echte Gemeinschaft.“ Erst wurde geprobt, meist schon im Vereinslokal, dann wurde geklönt bei einem Bierchen. „Im Grundsatz ist das bis heute so geblieben. Unser Motto war und ist, wir lassen keinen Kumpel allein unten im Dunkeln.“ Sprich, auf den bergmännischen Zusammenhalt ist Verlass. Auch wenn das keine Zugangsvoraussetzung ist, die meisten der 38 Sänger waren unter Tage.
WAZ stellt Chöre vor
Unter dem Titel „Chöre im Süden“ stellt die WAZ Gelsenkirchen in lockerer Folge Chöre aus dem Stadtsüden vor.
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Kulturelles Aushängeschild des Bergwerkes
„Der Chor hat natürlich keine Bindung mehr zum aktiven Bergbau“, sagt Frank Beran. Der ist schließlich Geschichte. „Früher waren wir dem Bergwerk angehörig – als kulturelles Aushängeschild.“ Allerdings ist die Tradition begehrt. Vor Buchungsanfragen könne man sich kaum retten. Zumal der Knappenchor in der Region der einzig verbliebene seiner Art ist. Einerseits gibt es etliche Auftritte für montanindustrielle Unternehmen, andererseits auch viele private Anfragen. „Da schenken die Kinder dem Vater einen Auftritt von uns zum Geburtstag – statt einer Krawatte“, sagt Friedhelm Mruk.
Es fehlt an Nachwuchs im Chor
Die Probleme im Chor gleichen denen anderer: Es fehlt an Nachwuchs. „Man muss ja gar nicht vom Pütt kommen, um sich mit dem Ruhrgebiet zu identifizieren“, findet Ruben Beran. Mit 30 Jahren ist er der jüngste Sänger hier, trat, inspiriert durch den Vater, mit 14 Jahren dem Chor bei. Bergfremd ist auch er nicht. Er lernte auf Westerholt und Auguste Victoria, arbeitete sieben Jahre als Elektroniker unter Tage. Heute bringt er Menschen im Bergbau-Museum die montanindustrielle Vergangenheit des Reviers nahe.
Palette reicht bis zu Meys „Über den Wolken“
Zu der gehören untrennbar die vielen Lieder der Kumpel, die immer gerne sangen. Solch Liedgut ist des Knappenchores musikalische Heimat. Dazu kommen Klassiker. „Wir singen praktisch die gesamte Palette der Männerchor-Literatur“, sagt Frank Beran und betont, es dürfe nur nicht allzu zeitgenössisch sein. „Das Modernste, was wir je gemacht haben, war von Reinhard Mey: Über den Wolken.“ Vielmehr sind es gerade die alten Stücke, das gesungene „Glück Auf“, was mit dem Knappenchor Consol das Bergbau-Ende überdauern wird. Wie lange noch? Das wisse keiner, sagen die Kumpel und hoffen weiter auf Zuwachs. „Sicher ist, der Chor wird nicht zu Ende gehen, weil es keinen Pütt mehr gibt, sondern weil der Nachwuchs fehlt.“