Gelsenkirchen. 45,7 Grad warm ist der heißeste Platz in Gelsenkirchen im WAZ-Test. Wir haben Hitzeinseln besucht und neue entdeckt. Und waren am kühlsten Ort.
So viel schon einmal vorweg: Den offiziellen neuen deutschen Hitzerekord von 40,5 Grad hat Gelsenkirchen gestern ganz locker geknackt, zumindest im inoffiziellen WAZ-Test - und in der Sonne. Auf der Suche nach dem heißesten Platz der Stadt waren wir mit dem Thermometer in der Mittagshitze unterwegs und haben mal nachgemessen. Und eine neue Hitzeinsel entdeckt.
Draußen 40 Grad, drinnen 350
Los ging es um 12.37 Uhr in Buer. Mitten auf der Domplatte klettert die Anzeige des Thermometers schnell nach oben. Bei 40,2 Grad Celsius bleibt sie schließlich stehen.
Noch wärmer hat es in Buer wohl nur Toni del Piero. Er steht den ganzen Tag über bei der Pizzeria Pietro gegenüber der St.-Urbanus-Kirche am Pizzaofen – der wird bis zu 350 Grad warm. „Ich habe eine Sauna“, scherzt er. Hitzefrei gibt es für ihn nicht. Denn, man mag es kaum glauben, in diesen Tagen erreichen die Pizzeria sogar mehr Bestellungen als üblich.
Keine Abkühlung am Wasser
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Da der Pizzaofen außer Konkurrenz gewertet werden muss, geht es weiter. Um 13.04 zeigt das Thermometer ganze 44,9 Grad an. Und das an einer Stelle, die bisher nicht als Hitzeinsel bekannt ist: Die Marina am Stölting Harbor belegt den zweiten Platz im Test.
Ausgerechnet dort haben es sich Silvia und Klaus-Dieter Launert mit ihren beiden Hunden Kimba und Timmy bequem gemacht. Direkt an der Slipanlage, wo sonst Boote zu Wasser gelassen werden, haben sie ihren Sonnenschirm aufgespannt. Mit belegten Brötchen und Kaltgetränken aus der mitgebrachten Kühltasche warten sie auf Abkühlung am Abend, während die Hunde sich im flachen Wasser erfrischen. „So lässt es sich gerade aushalten“, sagt Klaus-Dieter Laubert.
Zeitung lesen gegen Hitze
Bevor es noch wärmer wird, geht es zur Abkühlung unter die Erde. U-Bahn-Schächte sind sonst eher für ihren muffigen Geruch bekannt. In diesen Tagen avancieren sie allerdings zum Geheimtipp für Hitzeflüchtige. Besonders tief unter der Stadt halten die Bahnen an der Station Trinenkamp. Und tatsächlich fährt hier nicht nur der Aufzug nach unten: Angenehme 20,8 Grad zeigt das Thermometer an.
Hassan Calilik ist deshalb sogar extra aus Hassel angereist. Statt direkt an der Haltestelle umzusteigen, setzt er sich auf eine der kalten, metallenen Bänke. „Erstmal Zeitung lesen.“
Arbeiten bei über 45 Grad
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So viel Zeit haben wir nicht. Unsere nächste Station im Temperaturtest ist die Schalker Meile. In der Häuserschlucht an der Kurt-Schumacher-Straße geht kein Windhauch, die Luft flirrt um 13.56 Uhr über dem aufgeheizten Asphalt. Hier zeigt das Thermometer den Hitzerekord für heute an: 45,7 Grad.
So entstehen Wärmeinseln
Wärmeinseln entstehen oft in dicht bebauten Innenstädten. Weil die im Vergleich zur Grundfläche größeren Oberflächen von Gebäuden viel Sonnenstrahlung absorbieren, wirken sie an warmen Tagen wie Heizungen.
Mangelnde Luftzirkulation in tiefen Straßenschluchten verstärkt den Effekt. Weil auf versiegelten Flächen Regenwasser sofort abläuft, findet keine kühlende Verdunstung statt – im Gegenteil: Die asphaltierten Bereiche heizen sich stark auf.
Feierabend machen können Fabian Slomka und seine Mitarbeiter trotzdem nicht. Sie sitzen seit morgens im Gleisbett der Straßenbahn und reparieren Kontakte. „Wir gehen erst, wenn wir fertig sind und das kann noch eine Stunde dauern“, sagt Slomka und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Kein Hitzefrei, aber wenigstens eine ausgedehnte Mittagspause haben Celina Garcia Ortega, Nicole Degner und Deniz Imanci. Sie sitzen um 14.24 in der Eisdiele Graziella direkt am Heinrich-König-Platz, der letzten Station des Tests. Bei 43,1 Grad Außentemperatur setzen sie auf Abkühlung von innen und haben sich Eisbecher bestellt. Wie schnell die Kugeln wohl schmelzen werden?
Zahl der Hitzeinseln wird drastisch steigen
Pavlos Schlotter vom Referat Umwelt kennt sich mit heißen Bereichen in Gelsenkirchen aus. Er fürchtet, dass in den kommenden Jahren die Zahl der Hitzeinseln drastisch steigen wird. „Das ist schon erschreckend“, sagt er. Zumal die Möglichkeiten, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, begrenzt seien: „Wir müssen versuchen, viel Grün und eine blaue Infrastruktur aufzubauen.“
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Doch die städtischen Maßnahmen enden spätestens am Gartenzaun. Versiegelte Pkw-Stellplätze vor dem Haus und Steingärten gehören für Schlotter zu den größten Hitzequellen, denn Beton und Steine geben noch Stunden nach Sonnenuntergang gespeicherte Wärme an die Umgebung ab.