Gelsenkirchen. Der Rat hat den Klimanotstand ausgerufen und dem Klimaschutz einen größeren Stellenwert gegeben. Den Grünen geht das nicht weit genug.
Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat den Klimanotstand ausgerufen. Die Mehrheit der Stadtverordneten folgte einem gemeinsamen Antrag von SPD und CDU. Der Entscheidung voraus ging eine heftige Debatte, da die beiden großen Fraktionen den Antrag recht kurzfristig einreichten und sich damit einer in einigen Punkten anders lautenden Empfehlung des Umweltausschusses hinwegsetzten.
Im Wesentlichen drehte sich die fast zweistündige Debatte um eine einzige Frage: Räumt die Stadt dem Klimaschutz „die höchste Priorität“ oder aber „höchste Priorität“ ein? Was für viele zunächst wie eine reine Formfrage (Ist es mit oder ohne Artikel schöner?) klingen mag, hat einen entscheidenden Hintergrund. „Die höchste Priorität“ kann nach Auffassung der Ratsmitglieder und der Verwaltung nur ein einziges Politikfeld haben. Das hieße in der Konsequenz, dass alle anderen Interessen wie Sozial- oder Wirtschaftspolitik hinten anzustehen hätten. Die Verfechter der Formulierung „höchste Priorität“, unter ihnen auch Stadtbaurat Martin Harter, warben für einen Abwägungsprozess. „Höchste Priorität“ könnten nämlich mehrere Politikfelder gemeinsam genießen – dann würde von Fall zu Fall entschieden.
Grüne werfen SPD und CDU „Mogelpackung“ vor
Genau das ging den Grünen nicht weit genug. Fraktionschef Peter Tertocha bezeichnete den neuen SPD/CDU-Antrag als „windelweichen Text“ und als „Mogelpackung“ und warf den Fraktionen vor: „Man hält sich mit diesem Antrag alles offen und will sich nicht so richtig festlegen. Vereinfacht gesagt, stellen SPD und CDU im typischen Groko-Konsens fest, dass eigentlich doch alles wichtig ist.“
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Zustimmung bekamen die Grünen von den Linken. Martin Gatzemeier: „So bleibt alles beim Alten und es wird sich nichts ändern. Monika Gärtner-Engel (AUF) mutmaßte, dass Birgit Lucht (CDU) und Manfred Leichtweis (SPD), beide Mitglieder des Umweltausschusses und an der daraus resultierenden Empfehlung beteiligt, von ihren Fraktionen zurückgepfiffen wurden.
Haertel (SPD) und Heinberg (CDU) verteidigen ihren Antrag
Klaus Haertel, Vorsitzender der SPD-Fraktion, versuchte die Angelegenheit etwas tiefer zu hängen: „Was da aufgebaut wird“, sagte er Richtung Peter Tertocha, „ist eine Mauer, die gar nicht existiert.“ Er erklärte, warum seine Fraktion zusammen mit der CDU einen neuen Antrag eingereicht hat: „Die im Umweltausschuss beschlossene Resolution spiegelt nicht die differenzierte Diskussion im Ausschuss wider.“ Und: Mit der Zustimmung zum SPD/CDU-Antrag stelle der Rat deutlich klar, „dass er sich im Interesse der gesamtstädtischen Ziele immer in einem Abwägungsprozess mit anderen Politikfeldern befindet“.
Aus dem SPD/CDU-Antrag
In dem Papier heißt es unter anderem unter Punkt 2:
„Der Rat erkennt an, dass die Eindämmung des vom Menschen beeinflussten Klimawandels (...) ab sofort zu den städtischen Handlungsfeldern gehört, denen (...) höchste Priorität eingeräumt wird. Die Belange des Klimaschutzes sind (...) ab sofort in gleichem Maße zu beachten, wie die Belange des Umwelt- und Naturschutzes, der sozialen Sicherung der Bürgerinnen und Bürger sowie eines funktionierenden Wirtschaftsstandortes.“
Natürlich warb auch der CDU-Fraktionsvorsitzende für den Antrag. Wolfgang Heinberg betonte, der Rat hätte auch einen über das Thema Klimawandel hinausgehenden Auftrag: „Unsere Messlatte muss Vernunft und Verantwortung sein, nicht nur Idealismus.“ Dieser Antrag lasse den Verantwortlichen die Möglichkeit zum Handeln, „denn wir brauchen auch in Zukunft Ansiedlungen von Unternehmen“.
Rederecht für „Fridays for Future“-Mitglied
Auch wenn er seinem Wortbeitrag ein „Ich bin kein Klima-Experte“ hinzufügte – AfD-Mann Martin Jansen versuchte sich am Rednerpult aber als solcher: Während er noch mal unterstrich, dass seine Partei nicht den Klimawandel leugne, sondern den „vom Menschen iniziierten Klimawandel“, hielt er einen Vortrag über die Zusammensetzung der Luft und den geringen vom Menschen verursachten CO2-Anteil. Die Empfehlung des Umweltausschusses als auch den Antrag von SPD und CDU bezeichnete er als „linke Ideologie“.
Mit anhören konnte sich die Debatte Jan Bettinger, Mitglied der Bewegung „Fridays for Future“, der zu Beginn des Tagesordnungspunktes Rederecht bekam. Er warb für seine Positionen und drei Kernforderungen: einen jährlichen Klimabericht, die Einrichtungen eines Klimarates und einen Klima-Schnellcheck. Klaus Haertel sah alle drei Punkte im SPD/CDU-Papier berücksichtigt.
Am Ende stimmten nur SPD und CDU für ihren Antrag. Damit war aber klar, dass die Empfehlung des Umweltausschusses im Rat keine Mehrheit findet.