Gelsenkirchen/Duisburg. Starmusiker Till Brönner hat die Liebe der Menschen zum Revier mit seiner Kamera eingefangen. Gelsenkirchen hat er besonders ins Herz geschlossen.

Das Leben in Gelsenkirchen ist museumsreif – findet Startrompeter Till Brönner. In dieser Woche hat im Museum Küppersmühle für Moderne Kunst (MKM) in Duisburg eine Ausstellung mit Fotografien des Jazzmusikers eröffnet. Der Titel „Melting Pott“ (ver-)schmelzender Pott ist dabei nicht nur als Liebeserklärung ans Ruhrgebiet, sondern vor allem an Gelsenkirchen zu verstehen – denn der Stadt an

Till Brönner hat die „Himmelstreppe Rheinelbe“ im Gelsenkirchener Süden in Szene gesetzt.
Till Brönner hat die „Himmelstreppe Rheinelbe“ im Gelsenkirchener Süden in Szene gesetzt. © +Courtesy Brost Stiftung | Till Brönner

der Emscher widmet der Trompeter besonders viel Aufmerksamkeit. Er hat wunderschöne Seiten, aber auch nicht so glamouröse Ecken der Stadt und ihre Menschen in schwarz-weiß Fotografien und in Farbe eingefangen und festgehalten.

Gelsenkirchen aus verschiedenen Blickwinkeln

Da ist etwa das aktuelle junge „Move!“ Ensemble zu finden, Eindrücke von der Schalker Meile und die Silhouette der „Himmelstreppe“ auf der Halde Rheinelbe. Den Berger See, das Postkarten-Idyll schlechthin in Gelsenkirchen, taucht Till Brönner in ein düsteres Schwarz-Weiß, hier ziehen bedrohliche dunkelgraue Wolken auf, die Tretboot-Schwäne scheinen nach einem Fluchtweg zu suchen – der Musiker hat die Welt umgekehrt, zeigt die schönen Seiten der Stadt in anderem Licht, die ‘vergessenen’ Winkel hingegen in leuchtend bunten Farben. „Gelsenkirchen fasziniert mich, weil es hier alles gibt: Die Schönheit von Schloss Berge, edle Villen, aber zugleich auch heruntergekommene Häuser, die sich eine Stromleitung teilen. Entlang der Schalker Meile gibt es so viel zu entdecken, in vielen anderen Teilen der Stadt aber auch“, schwärmt

Düstere Wolken ziehen auf dem Bild „Berger See“ von 2019 auf.
Düstere Wolken ziehen auf dem Bild „Berger See“ von 2019 auf. © +Courtesy Brost Stiftung | Till Brönner

Brönner am Eröffnungsabend.

Soziale Brennpunkte ins Blickfeld gerückt

Von Museumsdirektor Walter Smerling befragt, was er ihn bei seinem Fotostreifzug durchs Ruhrgebiet besonders berührt habe, erzählt der Fotograf: „Die erschütterndste Erfahrung war sicherlich, dass ich gar nicht auf dem Schirm hatte, wie es wirklich im Ruhrgebiet aussieht und welche sozialen Brennpunkte und Ungerechtigkeiten es in Deutschland im Jahr 2018/2019 gibt. Natürlich hatte ich eine grobe Vorstellung. Aber mich davon persönlich zu überzeugen – da gab es bestürzende Momente.“ Dann wird Brönner konkret: „Also Gelsenkirchen und Schalke, das ist schon besonders. Hier ist es so offensichtlich, dass geholfen werden muss, aber es passiert einfach nichts. Es gibt Ecken, die anscheinend sich selbst überlassen werden und faktisch augenscheinlich auch wurden. Dieses Deutschland gibt es nach wie vor auch.“ Er hoffe, so Brönner, dass seine Arbeiten etwas bewegen können.

Fußball-Rivalen friedlich nebeneinander

Das Revier als Schmelztiegel

Till Brönner wurde 1971 in Viersen am Niederrhein geboren und lebt inzwischen in Berlin und Los Angeles. Er gilt als einer der besten Trompeter der Welt, sein Spezialgebiet ist Jazz. 2007, 2008 und 2009 erhielt er jeweils einen Echo in der Kategorie „Jazz national/international“, 2009 war er zudem für einen Grammy in der Sparte „Best instrumental Jazz solo“ ausgezeichnet. 2019 wurde er mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen bedacht.

Sein ambitioniertes Kunstprojekt „Melting Pott“, für das er ein Jahr lang mit der Kamera durchs Ruhrgebiet zog, entstand auf Initiative der Brost-Stiftung. Brönner solle einfangen, warum die Menschen des Ruhrreviers Anerkennung und Respekt verdient hätten, so der Wunsch von Stiftungs-Vorstand Bodo Hombach.

Die Ergebnisse sind bis zum 6. Oktober im Museum Küppersmühle für Moderne Kunst am Philosophenweg 55 in Duisburg zu sehen – jeweils mittwochs von 14 bis 18 Uhr, donnerstags bis sonntags und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. Montags und dienstags ist das MKM geschlossen. Der Eintritt zur Wechselausstellung kostet 6 Euro. Weitere Info auf museum-kueppersmuehle.de

Zugleich hätten ihm die Menschen vor Ort imponiert: „Es ist beeindruckend, dass jeder, dem ich hier begegne, auch die schönen Seiten kennt und sie mir zeigen will. Der Stolz auf die Region ist immens!“, erklärt der gebürtige Viersener, der auf seinen fotografischen Streifzügen natürlich auch am Fußball nicht vorbei kam – im MKM füllen seine imposanten

„Schalke Trommlergarde“ ist dieses Bild aus der Schalke-Arena schlicht betitelt.
„Schalke Trommlergarde“ ist dieses Bild aus der Schalke-Arena schlicht betitelt. © +Courtesy Brost Stiftung | Till Brönner

Schwarz-Weiß-Bilder aus den Stadien der Region einen ganzen Raum. Und zeigen deutlich: Ohne Farben wirken alle Fußballfans so, als lebten sie ein friedliches Miteinander, die Rivalität bleibt außen vor. Hier hängen BVB-Bilder direkt neben Impressionen aus der Schalke-Arena. Till Brönner setzt ein Mitglied der Trommlergarde ebenso in Szene wie das Schalker Urgestein Trompeten-Willy, der dem Jazztrompeter bei der Ausstellungseröffnung fast die Show stahl: Wilhelm Plenkers, wie „Willy“ im Pass heißt, stieg kurzerhand auf einen Stuhl und stimmte das Steigerlied an. Dann reichte er sein Instrument an Till Brönner weiter, der die nächste Strophe des Liedes intonierte.

Zusammentreffen des Startrompeters mit Trompeten-Willy

Beim ersten Zusammentreffen der beiden Trompeter habe Plenkers den mehrfachen Echo-Preisträger gefragt, vor wie vielen Zuhörern er im Schnitt so spiele, erzählte Eva Müller-Remmert, die Kuratorin von „Melting Pott“. Brönner habe geantwortet: „Je nachdem, ob ich bei einer Studioaufnahme spiele oder bei einem Konzert, sind das so zwischen ein paar Duzend und

Das aktuelle „Move!“-Ensemble ist auf den drei Bildern oben links zu entdecken.
Das aktuelle „Move!“-Ensemble ist auf den drei Bildern oben links zu entdecken. © dpa | Rolf Vennenbernd

2000“, habe der Startrompeter geantwortet. Daraufhin habe „Trompeten-Willy“ knapp erwidert: „Ich spiele im Schnitt vor 80.000.“ Das wiederum habe den Profimusiker schwer beeindruckt – und so ist der Kult-Fan nun auch im Trailer-Video zum „Making of“ der Ausstellung zu sehen.