Gelsenkirchen. Radverkehr, findet der ADFC Gelsenkirchen, leidet unter dem Verdrängungswettbewerb. Oft bremsen geparkte Pkw oder Masten Radler zusätzlich aus.

Die Note für die Stadt in Sachen Komfort und Sicherheit beim Radfahren lässt Luft nach oben: 4,25 vergaben die Teilnehmer beim Test des ADFC, des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, im April beim Städteranking. In der Kategorie Städte mit 200.000 bis 500.000 Einwohner landete Gelsenkirchen damit auf Rang 20 von 25 bundesweit.

„Wie ist das Radfahren in deiner Stadt“? – Antworten auf diese Frage werden lokal und national alle zwei Jahre eingeholt. 175 Teilnehmer bewerteten die Situation in Gelsenkirchen. Ihre Unzufriedenheit mit der Ist-Situation wächst seit 2012 kontinuierlich. Das Fahrrad- und Verkehrsklima wird zunehmend stressiger erlebt, das Sicherheitsgefühl lässt weiter nach (Note 4,5). In der Schule würde das bedeuten: Ein blauer Brief droht, die Versetzung ist gefährdet. Anlass g Radwege wazenug für den ADFC, noch einmal ins Detail zu gehen.

Rund 3000 Kilometer pro Jahr im Sattel

Raus auf die Straße und rein in den ohnehin eingeengten Fahrbahnverkehr: Baustellenleitungen, wie hier an der Kurt-Schumacher-Straße, werden generell von vielen Radfahren kritisiert.
Raus auf die Straße und rein in den ohnehin eingeengten Fahrbahnverkehr: Baustellenleitungen, wie hier an der Kurt-Schumacher-Straße, werden generell von vielen Radfahren kritisiert. © Petra Holthuis

Petra Holthuis und Mathias Sprick, beide überzeugte Stadt- und Alltagsradler mit rund 3000 Kilometer Radpraxis pro Jahr, haben für den ADFC die individuellen Anmerkungen der Befragungs-Teilnehmer erfasst und ausgewertet. Die ausgemachten Top-Problempunkte lokal: 1. Eine fehlende „gute Nord-Süd-Verbindung ist in Buer und Gelsenkirchen großes Thema“, stellen beide fest. 2. Die Beschaffenheit der Radwege. Die Mehrheit findet sie „eher schlecht“, so Holthuis. 3. Parkende und haltende Autos auf Radwegen, die den Radverkehr ausbremsen. „Da besteht der Wunsch nach mehr und konsequenter Kontrolle.“ 4. Das Aufstellen sogenannter Drängelgitter, die auf Radwegen an manchen Stellen das Tempo rausnehmen sollen. Holthuis: „Die sind schlecht für Leute mit Liegerädern oder Anhänger.“ 5. Die Aufzuganlagen an U-Bahn- und S-Bahn-Haltestellen. „Die sind teilweise zu klein für Radfahrer“, bemerkt Sprick. Die schlichte ADFC-Forderung: „Wenn man die Räder mitnehmen kann in der Bahn, sollten Lifte so groß sein, dass Räder auch gut reinpassen.“ 6. Die Schutzstreifen – ein Dauerthema. „Da fühlen sich sehr viele Radfahrer unsicher, vor allem wenn rechts Autos parken“, so Holthuis.

Klare Trennung vom Autoverkehr gewünscht

Häufiger mal im Slalom: Laternen- oder Blitzermasten, wie hier am Fuß der Berliner Brücke in Schalke, stehen Radfahrern gerne mal im Weg.
Häufiger mal im Slalom: Laternen- oder Blitzermasten, wie hier am Fuß der Berliner Brücke in Schalke, stehen Radfahrern gerne mal im Weg. © Petra Holthuis

Das passt zum vom ADFC generell erfassten Trend beim Sicherheitsgefühl. 81 Prozent der Befragten ist es wichtig oder sehr wichtig, vom Autoverkehr getrennt zu sein – unter den Frauen sind es sogar 86 Prozent.

Von Buer bis Hassel ist Holthuis beruflich jahrelang jeden Tag geradelt. „4,68 Kilometer, eine ideale Distanz für Radverkehr und eine schöne Strecke“, findet sie. „Wenn man sich aufs Rad setzt, wundert man sich, wie schnell man irgendwo ist.“ Tourismusstrecken, stellen die ADFC-Mitglieder fest, würden vorbildlich ausgebaut. Doch im Alltag passiere einfach zu wenig.

Häufiger mal im Slalom unterwegs

Holthuis ist von Buer in die Altstadt natürlich auch zum Pressegespräch geradelt und hat unterwegs notiert, was ihr den Weg erschwert. Generell, sind sie und Sprick einig, habe man den Eindruck, „in Gelsenkirchen gehöre zur Ausschilderung Radweg das Zusatzschild „Radweg-Schäden direkt dazu“. Es gibt laut Sprick „Stellen in Scholven, da setzt man mit der Pedale auf. So holprig ist die Strecke.“ Auch auf der Tour in den Süden musste Holthuis mehrfach ausweichen, weil Autos den Radweg zustellten, an der Berliner Brücke musste sie sich durchs Drängelgitter schlängeln. Im weiteren Verlauf ein Problem: Die insgesamt häufig kritisierte Baustellenführung. „Wenn Baustellenschilder aufgestellt werden“, hat HJolthuis hinter der Schalker Meile mal wieder erfahren müssen, „dann mit breitem Standfuß auf dem Radweg“.

Mindestabstand wird oft nicht eingehalten

Verwirrend: Die Radlerführung an der Kreuzung Uechtingstraße, Kurt-Schumacher-Straße. Radfahrer müssen sich theoretisch mitten im Kreuzungsbereich aufstellen und dann nach links wechseln.
Verwirrend: Die Radlerführung an der Kreuzung Uechtingstraße, Kurt-Schumacher-Straße. Radfahrer müssen sich theoretisch mitten im Kreuzungsbereich aufstellen und dann nach links wechseln. © Petra Holthuis

Und geht es auf die Straße, dann halten Autofahrer in der Regel 1,50 Meter Abstand beim Überholen nicht ein. „Die Straße ist Kampfzone, das muss man schon sagen“, stellt Sprick fest. Im knappen Straßenraum gehe es bislang vornehmlich um Verdrängung. Autos gegen Räder, Radler gegen Fußgänger, auch der stehende Verkehr braucht immens viel Platz. „Irgendwann wird es immer zum Konflikt kommen, da muss man Farbe bekennen“, sagt Sprick. Worauf sein Augenmerk liegen würde, ist klar.

>>> Zwei geführte Touren beim Stadtradeln

Im Rahmen der Kampagne Stadtradeln bietet der ADFC diese Woche noch zwei Touren:

Mittwoch, 12. Juni, 10 Uhr, ab Marina Graf Bismarck zum „Weihnachtssee und Flugplatz Schwarze Heide“, 72 Kilometer, Schwierigkeitsgrad: mittel. Freitag, 14. Juni, 21 Uhr, ab Essen, Nordseite Hbf. Nachtradeln zum Revierpark Nienhausen. Ankunft gegen 23 Uhr.