Gelsenkirchen. . Mitten in den Ramadan fallen in diesem Jahr die Abiturprüfungen. In Gelsenkirchen fasten viele Muslime trotz Abi-Stress. Die WAZ fragte, warum.

Mehr als 15 Stunden lang nichts essen und trinken und trotzdem geistige Höchstleistungen bringen? Keine einfache Aufgabe, aber viele gläubige, muslimische Abiturienten sehen in diesem Jahr keine wirkliche Alternative für sich. Denn der jährlich wechselnde Fastenmonat Ramadan fällt diesmal just in die Zeit der Abiturklausuren und -prüfungen. Nicht zu fasten oder das Fasten zu unterbrechen ist für viele keine Option.

Sascha Hüttenwirt ist seit 2005 Lehrer an der Gesamtschule Ückendorf, unterrichtet seitdem auch regelmäßig Abiturklassen. Er hat eher schlechte Erfahrungen mit Fasten in Prüfungszeiten gemacht. „Schätzungsweise bis zu 90 Prozent unserer Abiturienten fasten auch zur Prüfungszeit. Das finde ich hochproblematisch. Vor allem in den mündlichen Prüfungen wirkt es sich meiner Einschätzung nach negativ aus. Und es ist eigentlich auch ungerecht.“ Weil die Fastenden vorübergehend weniger leistungsfähig seien als jene, die sich bei Bedarf mit „Nervennahrung“ und vor allem Getränken fit halten können.

Koran räumt Ausnahmemöglichkeiten an

Die letzte reguläre Klausur ist geschrieben

Der Fastenmonat Ramadan endet am 4. Juni. In der Zeit verzichten Gläubige zwischen Sonnenaufgang und -untergang auf essen und trinken, jeden Abend wird das Fasten gemeinsam gebrochen.

Die letzte reguläre Abiturklausur wurde am Mittwoch geschrieben. Die mündliche Prüfung für das vierte Abiturfach läuft ab 16. Mai, letzter Tag für Abweichungsprüfungen ist der 5. Juli, Zeugnisausgabe am 6. Juli.

Dabei räumt der Koran durchaus die Möglichkeit ein, in besonderen Situationen das Fasten zu unterbrechen und nachzuholen. So, wie es Kindern, Kranken und Senioren und allen, denen Fasten schadet, gestattet ist, nicht zu fasten. Dass die Mehrheit der Schüler diese Chance nicht nutzt, könnte wohl auch damit zusammenhängen, dass man nicht zu den Ausnahmen zählen mag, das Wort „Durchhaltevermögen“ fällt in dem Zusammenhang auch.

An der Gesamtschule Ückendorf lernen viele muslimische Schüler. Aber auch anderen Schulen in der Stadt wird selbst im Abitur gefastet.
An der Gesamtschule Ückendorf lernen viele muslimische Schüler. Aber auch anderen Schulen in der Stadt wird selbst im Abitur gefastet. © Olaf Ziegler

An der Gesamtschule Ückendorf sind die meisten muslimischen Glaubens. Und die Zahl jener, die trotz Abiturstress fastet, ist erstaunlich hoch, auch in den Leistungskursen. Zum Beispiel Seifedin (18): Der Abiturient mit tunesischen Wurzeln hat für keine Klausur pausiert. Das sei auch kein Problem für ihn, beteuert er.

Der Fokus liegt ganz auf der Klausur

„Ich faste schon seit Jahren im Ramadan, das macht meinem Körper nichts aus“, beteuert er. Das sei bei jedem anders. Wem das Fasten schade, der dürfe unterbrechen, das sei ihm klar. Aber während der Klausuren würde er ohnehin nicht essen und trinken: „Da ist mein Fokus ganz auf der Klausur.“ Auch sein türkischer Kurskollege Tamer hat wegen der Abiturklausuren nicht pausiert.

Gökcel (20) hat gerade die Biologie-Klausur hinter sich, als wir ihn ansprechen. Er fastet im Ramadan, seit er elf Jahre alt war. Und auch er fastet im Abitur. „Wer gesundheitliche Probleme hat, kann ja pausieren, wer etwa Tabletten nehmen muss, darf auch trinken. Aber mir geht es gut. In den ersten beiden Tagen des Ramadan ist es schwer, da stellt der Körper sich um. Aber jetzt geht es gut“, beteuert auch er. Kopfschmerzen in den letzten Stunden vor dem Fastenbrechen, ja, das komme schon vor, räumt er ein.

Für Biologie macht Ecem eine Ausnahme

Ecem hat nur für eine Leistungskursklausur das Fasten unterbrochen, will es nachholen, wie im Koran vorgesehen. Biologie sei besonders anspruchsvoll, da habe sie einfach die Kopfschmerzen gefürchtet, der Konzentration zuliebe getrunken. Ob andere das auch tun: Sie weiß es nicht. Das sei persönlich, darüber spreche man nicht.