Westerholt. . Im Westerholter Wald rücken die Kaltblüter Carlos und Pit in diesen Tagen Baumstämme. Besucher erleben das vor Ort mit.

Carlos macht sich über ein paar frische Buchenblätter her. Die hat er gleich vor seiner Nase. Zu groß ist die Verlockung, die kurze Zeit des Anspannens zu nutzen für einen kleinen Snack. Er kaut noch, während er brav den nächsten dicken Stamm aus dem Unterholz an den Wegesrand zieht. Die ganze Prozedur dauert nur ein paar Sekunden, dann geht es wieder in den Wald zurück, wo das Kaltblutpferd heute seinen Arbeitseinsatz hat.

„Pferderücken“ steht auf dem Programm. Und mit dem Rist des Tieres hat das gar nichts zu tun. Es ist eine moderne Form der nachhaltigen Waldwirtschaft – dabei ist die Technik uralt. Pferde ziehen das geerntete Holz aus dem Wald heraus. Dabei richten sie weit weniger Schäden an als es eine Maschine täte.

© Olaf Ziegler

Kölner Verfahren

Das so genannte „Kölner Verfahren“ schont den Boden. „Viele kommunalen und privaten Waldbesitzer legen großen Wert auf den Generationenvertrag. Daher will man hier vorsorglich und nachhaltig handeln“, sagt Elmar Stertenbrink, der Fuhrhalter. Sein Beruf ist das „Pferderücken“. Mehr noch, er betreibt ein solches Unternehmen in Erkrath. Mit dem steigenden ökologischen Bewusstsein hat er immer mehr zu tun, bekommt zahlreiche Aufträge. „Natürlich gehört eine verantwortungsvolle ökologische Weltbetrachtung dazu, um solche Methoden zu wählen.“

Wirtschaften der Generationen

Die Nachhaltigkeit liegt in der Forstwirtschaft eigentlich in der Natur der Dinge. „Wir ernten, was wir nicht gesät haben und säen, was wir nicht ernten“, bringt es Carlo Graf von Westerholt, der Eigentümer des Waldes, auf den Punkt. Was er heute an Holz erntet, hat zum Teil sein Vor-Vorgänger gepflanzt. Die Waldwirtschaft ist somit ein Spagat. Der Wald muss geschützt werden, aber auch Geld einbringen. Denn viele Menschen vergessen bei einem schönen Spaziergang im Grünen gern: Das geerntete Holz aus dem Westerholter Wald ernährt mehrere Familien.

Stanislaw Ledwon zog mit dem Rückepferd Pit gesägte Baumstämme aus dem Westerholter Wald.
Stanislaw Ledwon zog mit dem Rückepferd Pit gesägte Baumstämme aus dem Westerholter Wald. © Olaf Ziegler

Das hohe Besucherinteresse wollen die Akteure heute nutzen, um Wissen zu vermitteln rund um den Wald. Eben noch hat Elmar Stertenbrink einen Vortrag gehalten über den Waldboden, das clevere System, mit welchem sich die Natur hier selbst versorgt. Sie ist der beste Mitarbeiter von Carlo Graf von Westerholt. Der zeigt sich mit solch nachhaltigen Aktionen erkenntlich, die für ihn zunächst auch Neuland waren. Vor zwei Jahren waren Elmar Stertenbrink und seine Kaltblüter zum ersten Mal im Westerholter Wald im Einsatz. Bislang ist das Arbeitsgebiet auf die „Ruhestätte Natur“ beschränkt. „Noch“, unterstreicht der Waldbesitzer.

Pferd sucht sich selbst Lücken, wo es laufen kann

„Brrrt!“ Harald Henßen hat das Signal kaum ausgesprochen, da steht Carlos schon. Es ist unglaublich, wie sich die beiden Waldarbeiter verstehen. „In der Regel hört er aufs Wort. Der kann deutsch, platt und über andere Leute sprechen – wie jeder Rheinländer“, sagt der Holzrücker, der ein spürbar gutes Verhältnis hat zu seinem tierischen Kollegen. Für alle Arbeitsschritte gibt es ein klares Signal. So dirigiert der Mann das Pferd. Bei Carlos ist das kaum notwendig. „Er ist sehr erfahren, kennt sich aus. Er sucht sich selbst Lücken, wo er gut laufen kann. Der denkt schon mit.“

Aufmerksam verfolgten Spaziergänger die Erläutertungen von Fuhrhalter Elmar Stertenbrink zur nachhaltigen Waldwirtschaft.
Aufmerksam verfolgten Spaziergänger die Erläutertungen von Fuhrhalter Elmar Stertenbrink zur nachhaltigen Waldwirtschaft. © Olaf Ziegler

Und schon wieder ans Fressen. Da steht doch so ein saftiges Büschel Gras am Wegesrand, das muss unbedingt mit. Kauend läuft er zum nächsten Stamm. Der wird angekettet, dann geht es weiter. Die dicken Hufe stemmen sich in den weichen Waldboden, schon liegt der Stamm, wo er hin gehört. Findet Carlos zumindest. „Noch ein Stückchen“, ruft Harald Henßen. Doch das sieht Carlos gar nicht ein. Dass der eine Stamm zehn Zentimeter weiten hinten liegt als der Vorgänger, stört nur das menschliche Auge. „Eigentlich hat er ja Recht“, sagt der Holzrücker, schmunzelt und löst die Kette.