Gelsenkirchen-Hassel. . Katholisch oder evangelisch: Diese Frage spielt keine Rolle mehr beim ersten ökumenischen Kirchenchor in Hassel. Ein Jahr existiert er bereits.

„Denn was bleibt ist nur die Liebe“, singt der Chor. Das moderne geistliche Lied steht sinnbildlich für die Essenz des Glaubens. Liebe, Friede, Gemeinschaft. Deren Bindeglied ist hier in Hassel die Musik. Sie vereint katholische und evangelische Sänger im ökumenischen Kirchenchor.

Schon seit vielen Jahren kommt man sich näher. „Ich leite den Kirchenchor St. Michael seit 1987 – und schon damals gaben wir gemeinsame Konzerte mit dem Chor der Lukas-Kirchengemeinde“, erinnert sich Chorleiterin Regina Naglav. Als der Nachbarchor ohne Leiter ist, bietet man ihr auch diesen Posten an. Die versierte Chormusikerin sagt zu. Und die gemeinsamen Projekte der Chöre nehmen zu. „Irgendwann, nach vielen Jahren, haben wir entschieden, auch gemeinsam zu proben.“

Ein langer Weg bis zur Liebesheirat

Den Kirchenchor St. Michael leitete Regina Naglav seit 1987, dann übernahm sie auch den evangelischen Kirchenchor – und gibt seit 2018 den Takt vor im gemeinsamen ökumenischen Ensemble.
Den Kirchenchor St. Michael leitete Regina Naglav seit 1987, dann übernahm sie auch den evangelischen Kirchenchor – und gibt seit 2018 den Takt vor im gemeinsamen ökumenischen Ensemble. © Joachim Kleine-Büning

Anfang 2018 lösen sich beide Chöre auf und gründen gemeinsam den ökumenischen Chor. „Es war eine lange Entwicklung, bis das eine Liebesheirat war und keine Zwangsehe“, sagt Regina Naglav und lacht. Man spürt, sie ist schon stolz auf diesen besonderen Chor. „Es ist der einzige ökumenische Chor der Stadt.“ Und einer, der den Sängern viele außergewöhnliche Erfahrungen beschert wie auch ungewöhnlich viel abverlangt.

„Die Leute singen doppelt so viel wie andere Chöre.“ Schließlich wollen beide Gemeinden „ihren“ Chor im Gottesdienst hören. Insbesondere an hohen christlichen Feiertagen bedeutet das den doppelten Einsatz. Ostern etwa. Gründonnerstag singt der Chor um 19 Uhr in der Michaelkirche, Karfreitag um 10 Uhr in Lukas, in der Osternacht um 20.30 Uhr wieder in Michael und Ostersonntag um 10 Uhr in Lukas. „Und so sehen bei uns alle Feiertage aus.“

Auch Grönemeyers „Currywurst“ ist mit dabei

Die Runde der Sänger bestätigt das – freudig. Denn alle haben Spaß. Auch weil der Chor so vielseitig ist, oftmals geistliche Lieder probt, aber, besonders für die drei großen Konzerte im Jahr, auch weltliche Stücke. Bis hin zu Grönemeyers „Currywurst“. Besonders ist zudem, dass jeder Sänger auch das Liedgut der anderen Kirche lernt.

Ein Stück gelebte Ökumene, findet Regina Naglav, die man weiter empfehlen kann. „Ohne diese kirchenmusikalische Arbeit hätte ich die andere Konfession nie so kennen gelernt.“

Auch Pastor Hagen Schillig singt mit

Im ökumenischen Chor singt auch Hagen Schillig mit, Pastor der Lukas-Kirchengemeinde. „Das ist insofern außergewöhnlich, weil es dieses Chormodell sonst ja nicht gibt. Das stärkt den ökumenischen Geist sehr.“ Und wie ist das, als evangelischer Pastor im katholischen Gottesdienst zu singen? „Ganz unkompliziert. Die Freude an der Musik nimmt mich mit. Dann stehe ich eben mal in der zweiten Reihe. Bei uns ist das alltäglich geworden.“

WAZ stellt vor:  Chöre im Norden

Unter dem Titel „Chöre im Norden“ stellt die WAZ Buer in lockerer Folge Chöre aus dem Stadtnorden vor.

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Die Freude an der Musik ist es, die alle 23 Sänger verbindet. Annette Schaefer etwa, die dem katholischen Chor entstammt und auf über 50 Jahre Singen zurückblickt. „Ich singe einfach gerne. Wenn ich putze, hört das die ganze Straße.“ Aus vollem Herzen ist auch Reinhard Nierade im Chor dabei. Er kommt aus dem evangelischen Chor. Allerdings begann auch seine Gesangslaufbahn zuvor an anderer Stelle. „Angefangen habe ich 1953 in Erle.

Ein Chor als festes Bindeglied

Da wurde gerade der Kirchenchor gegründet. Ich wäre ja mit 18 Jahren normalerweise nie auf die Idee gekommen, in den Chor einzutreten. Aber ich hatte gehört, ein Mädchen aus der Parallelklasse ging da hin. Und da habe ich gesagt: Das will ich probieren“, erzählt er und lässt offen, ob er den Gesang meint oder das Mädchen. Im ersten wie im letzteren Fall hat sich das musikalische Engagement gelohnt. „Wir sind jetzt 61 Jahre verheiratet.“

Als Presbyter ist Nierade die Ökumene vertraut. „Wir haben oft Versuche unternommen.“ Bis der gemeinsame Chor festes Bindeglied wurde. Wie der Bassist die gelebte Ökumene empfindet? „Alles eine Frage der Gewohnheit“, sagt er nüchtern und führt aus: „Weil bei uns der Gottesdienst eine Stunde früher beginnt, frage ich mich immer, wie die katholischen Hausfrauen Sonntagmittag mit dem Essen zurecht kommen.“