Gelsenkirchen. . 2043 Verfahren – nur 101 Urteile: 2018 konnte das Arbeitsgericht 1262 Fälle mit einem Vergleich beenden. Eine Vorsitzende sagt, warum das so ist.
Die fünf Richterinnen und Richter am Gelsenkirchener Arbeitsgericht sind zufrieden mit den Ergebnissen aus dem letzten Jahr. So konnten die meisten Kläger den Gerichtssaal wieder verlassen, ohne als Verlierer oder Gewinner zu gelten. In 1262 Klageverfahren erreichten die Gerichte durch Vergleiche eine Einigung der Parteien. Streitige Urteile zu Gunsten oder Ungunsten der Kläger sprachen die Richter in den fünf Kammern nur in 101 Fällen.
„Uns ist sehr daran gelegen, dass jede Partei erhobenen Hauptes den Gerichtssaal verlassen kann“, sagt Renate Schreckling-Kreuz, Vorsitzende der 5. Kammer. So verstehen sich die Gerichte auch als Vermittler, die für keine der streitenden Seiten Partei ergreift. „Es kommt häufig vor, dass sich die einstigen Gegner am Ende die Hand reichen, weil beide Seiten mit dem Vergleich leben können“, sagt die Richterin. „Schwierig wird es für uns, wenn die Fronten verhärtet sind“, so Schreckling-Kreuz. Dann komme es zwangsläufig zu einer Entscheidung. 2018 registrierten die Gerichte mit 2125 Eingängen unterm Strich 59 Klagen mehr als 2017. Ad acta gelegt werden konnten 2043 Fälle (2017: 2126).
Ehrenamtliche Richter müssen freigestellt werden
Am meisten müssen sich die Gerichte mit Kündigungsschutzklagen befassen. Sie nahmen um 14 Prozent zu. Wobei Klagen gegen betriebsbedingte Kündigungen abgenommen haben. Die Häufigkeit ist meist ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Situation von Unternehmen und Betrieben. Oft versuchten Kläger auch, vermeintlich ausgebliebene Lohn- oder Gehaltsansprüche vor Gericht einzuklagen. Auch über die Rechtmäßigkeit von Befristungen mancher Arbeitsverhältnisse, über Eingruppierungen, Abmahnungen oder auch den Inhalt von Arbeitszeugnissen mussten die Gerichte entscheiden.
Der jüngste Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie, der Arbeitnehmern eine Option auf Gehaltserhöhung oder Freizeit lässt, beschert den Gerichten zusätzliche Arbeit. So mancher Kläger pocht auf seine Freistellung, will die gewonnene Freizeit für die Familie nutzen.
Luxemburger Urteil zur Wegezeit als Arbeitszeit
Befremdlich nannte Renate Schreckling-Kreuz die Reaktion zweier Arbeitgeber im Transportgewerbe und im Pflegebereich. Dort hätten ehrenamtlich tätige Richter am Arbeitsgericht ihren gerichtlichen Einsatz über Arbeitszeiten ausgleichen müssen. Dabei sind Unternehmen verpflichtet, die Laienrichter ohne Verrechnung mit Lohnstunden abzustellen.
Vergütungsklagen könnten auf Gerichte durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zukommen. Die Luxemburger Richter hatten den Arbeitszeitbegriff erweitert und die Wegezeit auch als Arbeitszeit festgelegt. Demnach können Arbeitgeber nicht selbstbestimmt sagen, was Freizeit für den Arbeitnehmer ist. Die Unsicherheit, glaubt Schreckling-Kreuz, werde für Arbeitgeber zunehmen, Vergütungsklagen könnten folgen. Der Arbeitgeber, so steht es im Gesetz, darf die Möglichkeit des Arbeitnehmers, frei über private oder soziale Interessen zu verfügen, nicht einschränken.
Schnelle Entscheidungen bei Bestandschutzklagen
Extrem strapaziert wird die Geduld der Kläger am Arbeitsgericht nicht. Bei 58 Prozent der Bestandschutzklagen entscheiden die Gelsenkirchener Richter innerhalb von drei Monaten. Jeder vierte Kläger weiß innerhalb eines Monats, jeder siebte innerhalb eines halben Jahres, ob er seinen Arbeitsplatz behält oder nicht.