Gelsenkirchen. . Jobcenter schaltet Buswerbung, Anzeigen und Radiospots für den Sozialen Arbeitsmarkt. 100 Langzeitarbeitslose haben Ende März einen Job.

Mit Jahresbeginn ist in Gelsenkirchen auch der „Soziale Arbeitsmarkt“ gestartet, ein Instrument, das Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt eröffnet. Bis Ende 2019 will das Integrationscenter für Arbeit (IAG) 400 Betroffene in Lohn und Brot bringen, dafür braucht es aber mehr engagierte Arbeitgeber. Um sie zu erreichen, geht das Jobcenter in die Werbeoffensive.

Blick mehr auf Fachkräfte gerichtet

Drei großflächig folierte Gelenkbusse der Bogestra, langjähriger Partner des Jobcenters, machen im Stadtgebiet über einen Zeitraum von drei Monaten Unternehmern die staatlich subventionierte Einstellung von Hilfskräften schmackhaft, dazu gibt es seit Wochenbeginn 14 Tage lang 50 Radiospots zu hören, eine Anzeigenkampagne, und auch in den Medien der einzelnen Berufsverbände ist man damit präsent. Kostenpunkt: ein mittlerer vierstelliger Betrag.

Warum so viel Aufwand, wo dem Sozialen Arbeitsmarkt ein jahrelanges, zähes Ringen vorausging?

Arbeitgeber suchen häufig nach hochqualifizierten Fachkräften

„Das Interesse Betroffener, wieder ins Erwerbs- und damit wieder in ein strukturiertes Leben zurückzukehren, ist groß“, sagt IAG-Geschäftsführer Dirk Sußmann. Ende März werden es 100 Langzeitarbeitslose sein, die über den Sozialen Arbeitsmarkt (Teilhabechancengesetz) einen Job gefunden haben. Im Sommer sollen es 200 sein, zum Jahresende 400. Der Fokus der Arbeitgeber hingegen liege derzeit mehr auf der Suche nach hochqualifizierten Fachkräften und der Bewältigung der sich aufstauenden Aufträge dank anhaltender Konjunktur, so Sußmann weiter. „Wir müssen daher die Aufmerksamkeit der Firmen mehr darauf lenken, dass sie mit der Einstellung der Hilfskräfte ihre Mitarbeiter entlasten.“ Und so für einen besseren Arbeitsfluss sorgen.

Fünf Millionen Euro an Fördergeldern stehen in Gelsenkirchen für 2019 bereit, bis zu neun Millionen Euro in 2020 – bundesweit bis 2021 vier Milliarden Euro.

Förderung ist über fünf Jahre vorgesehen

Als Anreiz für die Einstellung eines Langzeitarbeitslosen ist eine Förderung über fünf Jahre vorgesehen – „in den ersten zwei Jahren sogar mit 100 Prozent des versicherungspflichtigen Entgelts, danach mit 90, 80 und 70 Prozent“, wie Svenja Steidele erklärt. Sie ist die Leiterin des Arbeitgeberservices in Gelsenkirchen. Das Jobcenter bereitet potenzielle neue Mitarbeiter für Unternehmen vor, in dem es Fertigkeiten und Neigungen herausarbeitet, um zu erfahren, in welchen Bereichen Teilnehmer eingesetzt werden können. Ein Arbeitgeber kann sich unter der Nummer 0209 60 509 100 diejenigen aussuchen, die ihm am besten zu passen scheinen.

Als weiteren Anreiz – für beide Seiten – ist ein begleitendes Coaching vorgesehen, also eine Betreuung der Langzeitarbeitslosen, damit sie sich wieder zurechtfinden. Sowie „Praktika und Weiterbildungen mit bis zu 3000 Euro Förderung“. Etwa für einen benötigten Führerschein für Flurförderfahrzeuge (Stapler, Schlepper, Hubwagen) oder ein Kassentraining.

2000 Personen sind bereits angesprochen worden

In Gelsenkirchen beläuft sich die Zahl derer, die für das Programm Sozialer Arbeitsmarkt in Frage kommen, auf 10.000 Personen. „2000 sind bereits angesprochen respektive vorbereitend geschult worden“, so Sußmann.

Nur mehr engagierte Arbeitgeber, die fehlen noch.

>>Kommentar: Eine Chance und Zeit geben

Seit Dekaden ringen Arbeitsmarktexperten und Politik um den richtigen Umgang mit Langzeitarbeitslosen. Abertausende Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den 80er-/90er-Jahren haben die Statistik geschönt, die Chancen ihrer Teilnehmer aber eher verschlechtert, im Beruf wieder Fuß zu fassen. Nun also der Soziale Arbeitsmarkt, der nach langem Kampf gestartet ist. Angesichts voller Auftragsbücher müssten Arbeitgeber doch Schlange stehen. Das Gegenteil ist aber der Fall – trotz attraktiver Förderquoten.

Vielleicht hat es sich nicht herumgesprochen, dass nicht mehr der Mindest-, sondern der Tariflohn die Basis bildet und Unternehmer nicht mehr drauf zahlen, wenn für sie Tariflöhne gelten. Oder es ist ein Indiz dafür, dass Arbeitgeber von einer Abschwächung der Konjunktur ausgehen. Hilfskräfte würden da als Erste wieder auf der Straße stehen. Dennoch muss man dem Ganzen eine Chance geben. Verbessert sich die Lage nicht, so wächst die bittere Gewissheit, dass einige nie mehr eine reguläre Anstellung finden.