Gelsenkirchen-Buer. . Prof. Mehmet Altintas nimmt selbst Fettabsaugungen am Bergmannsheil in Gelsenkirchen Buer vor. Jens Spahns Vorstoß sieht er aber auch kritisch.

Fettabsaugen als Regelleistung der Krankenkasse – mit dem Vorschlag, das im Notfall selbst durchzusetzen, sorgte Gesundheitsminister Jens Spahn für viel Furore. Dabei geht es hier nicht um eine Luxus-Operation für Menschen, die ihre Essgelüste nicht im Griff haben, sondern um einen operativen Eingriff bei Menschen mit einer ernsthaften Erkrankung, dem Lipödem.

Prof. Mehmet Altintas ist Chefarzt der Plastischen und Kosmetischen Chirurgie am Bergmannsheil Buer. Er ist der einzige Mediziner in Gelsenkirchen, der Fettabsaugung vornimmt.
Prof. Mehmet Altintas ist Chefarzt der Plastischen und Kosmetischen Chirurgie am Bergmannsheil Buer. Er ist der einzige Mediziner in Gelsenkirchen, der Fettabsaugung vornimmt. © Bergmannsheil

Prof. Mehmet Altintas, Chefarzt der Plastischen und Kosmetischen Chirurgie am Bergmannsheil Buer, ist der einzige Mediziner in Gelsenkirchen, der Fettabsaugung bei Lipödemen durchführt.

30 bis 50 Mal nimmt er den Eingriff im Jahresschnitt vor – in der Regel als genehmigte Kassenleistung. Seine Patienten kommen aus der ganzen Region. Die WAZ fragten den Mediziner, was er vom jüngsten Vorstoß von Jens Spahn hält.

Freut Sie der Vorschlag, die Fettabsaugung zur Regelkassenleistung zu machen?

Altintas: Ich finde es gut, dass die Aufmerksamkeit auf das Lipödem gelenkt wird. Patientinnen haben oft einen langen Leidensweg hinter sich, bevor sie sich zu einer Operation entschließen. Und zwar seit Jahren schon, die Erkrankung ist ja nicht neu erkannt. Die Frage ist, ob dies der richtige Weg ist, die Behandlung zur Regelleistung zu machen.

Es geht um das Geld der Beitragszahler

Was ist falsch an dem Vorschlag, die Genehmigung über das Ministerium zu erteilen statt über den Gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen (GBA)?

Regelleistungen bezahlt der allgemeine Beitragszahler. Bislang entscheidet der Bundesausschuss über Regelleistungen, und zwar aufgrund wissenschaftlicher Studien und der eigenen Urteilsbildung. Zum Lipödem gibt es zwar gute Studien, aber die sind in den Augen des GBA nicht ausreichend. Daher hat der Ausschuss eine weitere Studie selbst bereits in Auftrag gegeben.

Das Ergebnis lässt natürlich noch länger auf sich warten. Problematisch finde ich, dass Jens Spahn dieses Verfahren nicht nur auf das Lipödem, sondern auch auf andere Fälle anwenden will. Er will offenbar selbst Therapien, die vom Bundesausschuss abgelehnt wurden, durch das Ministerium den Kassen auferlegen, ohne den GBA einzubeziehen. Da muss man sich entscheiden, wie man mit dem Geld der allgemeinen Beitragszahler umgehen will.

„Eine Debatte ist in jedem Fall hilfreich“

Das ist auch eine Frage des demokratischen Verständnisses?

Es ist wichtig, darüber zu diskutieren, ob die Strukturen, die wir haben, gut sind, ob sie überarbeitet werden müssen. Letztlich muss der Beitragszahler entscheiden über das Verfahren. Eine Debatte darüber ist in jedem Fall hilfreich.

Was kostet die Operation?

Das variiert, je nach Fettmenge und wie viele Liter man absaugen kann aus medizinischen Gründen, ob der Eingriff mehrfach wiederholt werden muss. Zwischen 10.000 und 15.000 Euro kann die Behandlung unter dem Strich kosten. Aber wie gesagt: Eine OP steht immer erst am Ende der konservativen Therapie, die Entscheidung machen sich Arzt und Patienten auch nicht leicht.

Fettverteilungsstörung mit hohem Leidensdruck

Beim Lipödem handelt es sich um eine Fettverteilungsstörung. Oberschenkel und Hüfte, oft auch Arme, sind bei Erkrankten überproportional dick.

Die Fettabsaugung ist die letzte Behandlungsoption, wenn Ernährungsumstellung, Sport, Physiotherapie und Lymphdrainage nicht helfen.

Der Bundesausschuss hat jetzt signalisiert, vorläufig für die Zeit von 2020 bis 2024 der Operation als Regelkassenleistung bei der höchsten Erkrankungsstufe zuzustimmen.

Und wenn sie sich dann entschieden haben, aber nicht eindeutig im Bereich des schwersten Erkrankungsgrades liegen und der medizinische Dienst die Bezahlung ablehnt, ist das sehr schwer für viele. Zumal die Kriterien bei der Einzelfallentscheidung nicht immer transparent sind. Aber beim höchsten Erkrankungsgrad werden auch heute schon die Kosten oft übernommen.